Das Reiseportal Expedia hat ein Problem mit Googles Suchmaschinenalgorithmus: Wer vor einer Woche bei der englischen Google-Suche Wörter wie «Hotel» oder «Cheap Flights» eingab, der bekam als ersten Suchtreffer die englische Expedia-Seite angezeigt.

Doch seit dieser Woche ist Expedia laut Analysen des Suchmaschinen-Experten Marcus Tober von der Firma Searchmetrics bei Google in Ungnade gefallen: Die Suche nach Hotels bringt erst auf Position 29 den Hinweis auf Expedia. Im Schnitt ist der Reiseanbieter bei themenverwandten Suchwörtern nach Mietwagen, Hotels oder Flügen in Googles Trefferliste um 16 Positionen nach hinten gerutscht.

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Ein solcher Bedeutungsverlust einer Seite gilt unter Suchmaschinen-Optimierern (SEO) als Super-GAU. Die Positionierung weit hinter Konkurrenten wie HRS bedeutet für Expedia einen enormen Verlust an Besuchern und damit an Kunden. «Wir messen das Seitenranking für Millionen Keywords regelmässig, dazu das Suchvolumen – meiner Einschätzung nach dürfte Expedia im Wochenvergleich ein Viertel seiner Sichtbarkeit bei Google eingebüßt haben», erklärt Tober.

USA: 70 Prozent aller Suchanfragen bei Google

Das ist so fatal, da Google in den USA etwa 70 Prozent aller Suchanfragen beantwortet. Damit verleihen die Nutzer Google de facto einen Monopolstatus, der Webseitenbetreiber zur Fokussierung auf die Algorithmen des US-Konzerns zwingt: Nur wer in Googles Suchergebnissen weit oben auftaucht, wird von den Surfern überhaupt wahrgenommen.

Die wenigsten Suchenden im Netz machen sich die Mühe, über Googles erste zehn Treffer hinauszuscrollen. Wessen Seite also zu bestimmten Suchwörtern wie etwa «Hotel» auf der ersten Seite auftaucht, der gewinnt die Gunst der Kunden und wird angesurft. Alle anderen versinken im Sumpf der Bedeutungslosigkeit.

Die Folgen für Expedia fürchten nun auch die Anleger. Der Börsenkurs des in den USA gelisteten Unternehmens verlor in den vergangenen Tagen deutlich an Wert.

Doch warum hat Expedia überhaupt einen solchen Absturz hinnehmen müssen? Der Berliner SEO-Experte Andre Alpar hat den Fall ebenfalls analysiert, er vermutet, dass Expedia gegen die Spielregeln der Suchmaschinenoptimierung verstossen hat. «Deswegen wurden sie nun von den für die Qualität der Google-Suche zuständigen Mitarbeitern manuell mit Bedeutungsverlust bestraft.»

Algorithmus Hunderte Male optimiert

Googles Suche bestimmt die Bedeutung von Seiten anhand des geheimen, hoch komplizierten Pagerank-Algorithmus. Der wertet unter anderem aus, wie oft dritte Seiten per Link auf die zu rankende Seite verweisen. Wer nun einfach möglichst viele Seiten ohne sinnvollen Inhalt mit Links zu seiner eigenen Seite ins Netz stellt, gaukelt dem Algorithmus Bedeutung vor.

Doch der wurde in den vergangenen zehn Jahren Hunderte Male optimiert, und erkennt solche plumpen Versuche inzwischen sehr zuverlässig. Wer allzu offensichtlich Bedeutung nur vortäuschen will, wird prompt mit Bedeutungsverlust bestraft.

«Google sieht plumpe Suchmaschinenoptimierung als Verstoss gegen Benimmregeln an», erklärt Alpar. «Das ist wie in der Disco: Google als Hausherr definiert die Hausordnung, und man muss mindestens so tun als ob man sich daran hält – sonst fliegt man raus.»

Irgendwer hat Expedia angeschwärzt

Expedia war in der Vergangenheit des öfteren durch mehr oder weniger geschickte Optimierungsversuche aufgefallen. So hatte der Anbieter Umsonst-Hintergründe für Reiseblogs auf Basis des Wordpress-Standards angeboten, in denen mit weisser Schrift vor weissem Hintergrund versteckte Links zu Expedia-Seiten verborgen waren.

Nur Googles Roboter sollte sie sehen und darauf reagieren. «Solche Versuche stammen aus der Anfangszeit der Suchmaschinenoptimierung», erklärt Experte Tober. «Aber die Sünden der Anfangszeit rächen sich heute.» Andre Alpar vermutet ähnliches: «Da hat jemand, der Expedia nicht leiden kann, per Blogeintrag die Jugendsünden angeschwärzt, und Google öffentlich mit der Nase darauf gestossen. Denen blieb nichts anderes übrig, als zu reagieren.»

Er rät Expedia, die SEO-Fehler aus der Anfangszeit aus dem Netz zu entfernen, dies zu dokumentieren und zu hoffen, dass Google die Aufräumaktion mit Wiedereinsetzung in den alten Stand belohnt. «Expedia muss nun viel Fleissarbeit betreiben – doch grosse Marken bleiben nie lange von Googles Strafen betroffen. In zwei Wochen sind die wieder da», glaubt Alpar.

Google hat einen ähnlichen Dienst gestartet

Der Fall zeigt jedoch einmal mehr, welche Macht Google im Netz über die Konkurrenten hat: Sollte jemand seine Seiten nicht nach Googles Spielregeln gestalten, dann droht der totale Bedeutungsverlust.

Google argumentierte in ähnlichen Fällen stets, die Kuratierung der Suchergebnisse diene allein der Abwehr von Betrugsversuchen, die Suchmaschine dürfe ihre Nützlichkeit für die Nutzer nicht einbüssen.

Doch im Zweifelsfall entscheiden allein Googles Ingenieure im Verborgenen darüber, ob jemand die Spielregeln eingehalten hat oder nicht. Eine öffentliche Dokumentation der Entscheidungen gibt es nicht. Das ist um so bemerkenswerter, da Google selbst mit eigenen Angeboten wie dem Dienst «Flights» im selben Markt präsent ist, und vom Bedeutungsverlust eines Konkurrenzanbieters wie Expedia profitieren könnte.

Dieser Artikel ist zunächst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.