BILANZ: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie erfahren haben, dass Lufthansa die Swiss übernimmt?

Peter Blum: Der erste Gedanke war, dass endlich eine Lösung für das Unternehmen gefunden worden ist und nun hoffentlich Ruhe ist im Land. Es ist eine gute Lösung, aber nicht die einzige, die möglich war.

Was heisst das nun für die Helvetic?

Es eröffnet unserer Fluggesellschaft neue Chancen. Wir dürfen uns aber nicht so wichtig nehmen; wir sind und bleiben ein Nischenplayer. Aber wir können und müssen längerfristig Kooperationen mit anderen Airlines eingehen, um unser Geschäft vorwärts zu treiben und abzusichern.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Sie haben Ende vergangenen Jahres auch Gespräche mit der Swiss geführt. Was ist daraus geworden?

Wir haben gemerkt, dass Swiss-Chef Christoph Franz seine Prioritäten anders gesetzt hatte, und uns deshalb aus den Verhandlungen zurückgezogen. Im Nachhinein wissen wir jetzt ja auch, warum.

Worum ging es bei diesen Kontakten?

Es wäre auch um mögliche Kooperationen gegangen. Unsere Idee war, dass wir uns im Europaverkehr ergänzt hätten. Wir hätten dort der Swiss sicher helfen können, Zubringerdienste für die Langstrecken zu optimieren. Von einer Beteiligung seitens der Swiss an Helvetic, über eine Aufteilung gewisser Strecken und die Erhöhung der Auslastung bis hin zu einer sich ergänzenden Wahl der Destinationen wäre alles möglich gewesen.

Mit sieben Flugzeugen könnten Sie da ja nicht wirklich Passagiermassen bewegen.

Grösse ist nicht unser primäres Ziel. Unsere Fokker 100 sind jedoch äusserst rentable Flugzeuge für den Europaverkehr, und wir könnten bei Bedarf ihre Anzahl auch kurzfristig massiv erhöhen. Das hätte zum Beispiel bedeuten können, dass die Swiss Venedig statt mit älteren Maschinen der Denim Airways mit den moderneren und bequemeren Helvetic-Flugzeugen hätte anfliegen können. Einfach gesagt: Swiss und Helvetic hätten sich gegenseitig die Flugzeuge füllen können.

Was machen Sie nun?

Jetzt, da die Swiss mit der Lufthansa zusammengeht, stellt sich die Frage, was mit gewissen Streckenrechten geschieht. Es geht um die Ziele, die mittels bilateraler Verträge prima vista rechtlich an eine schweizerische Airline gekoppelt sind. Betroffen sind primär Anflugsziele in Ländern, die nicht Mitglied der EU sind.

Erheben Sie nun Rechtsanspruch auf diese Streckenrechte?

Da wir in absehbarer Zeit die einzige mehrheitlich in Schweizer Besitz befindliche Airline sind, wollen wir abklären lassen, über welche Rechte die Helvetic in dieser Frage verfügt. Wenn die Swiss von der Lufthansa übernommen wird, müssen gewisse Streckenrechte ja neu beurteilt werden, und es gilt in Erfahrung zu bringen, welche Ansprüche dabei verfallen und folglich neu verhandelbar sind.

Allerdings dauert es Jahre, bis die Mehrheit der Swiss-Aktien tatsächlich in die Hände der Deutschen übergehen wird.

Das zeigt, dass sich die Lufthansa der Problematik der Streckenrechte-Übertragung durchaus bewusst ist. Der Handwechsel soll sich über Jahre hinziehen, damit der Käufer über genügend Zeit verfügt, sich sämtliche Streckenrechte der Swiss zu sichern. Das scheint mir der Hauptgrund zu sein, dass der Aktientransfer so viel Zeit in Anspruch nehmen soll.

Die Helvetic will der Lufthansa diese Streckenrechte also streitig machen?

Es geht mir nicht einmal primär darum, dass die Helvetic die in Frage kommenden Destinationen auch tatsächlich anfliegen soll. Wir wollen aber verhindern, dass mögliche Ansprüche der Helvetic einfach unter den Tisch fallen könnten. Es geht uns aber nicht um Konfrontation. Wie schon gesagt, sind wir für Kooperationen offen.

Ist es für Sie eine Option, das Schweizer Kreuz auf der Heckflosse zu platzieren, weil Helvetic bald die einzige schweizerische Airline sein wird?

Nein. Das bleibt der Swiss vorbehalten. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber ist sich durchaus bewusst, dass er gut daran tut, die Marke Swiss bestehen zu lassen, weil sie vor allem im Ausland vom Image her noch immer von der alten Swissair profitiert und im Inland gewisse Gefühle des Nationalstolzes nährt. Für uns wäre es möglicherweise interessant, uns als kleiner Nischenplayer in einen derartigen Verbund hineinzubegeben und einen gewissen Service zu erbringen.

Inwiefern?

Vergessen Sie nicht, dass die Swiss auch nach der Übernahme ihre grössten Rentabilitätsprobleme im Europaverkehr vor sich herschiebt. Unsere Helvetic dagegen fliegt kostengünstig und ausschliesslich Punkt-zu-Punkt-Verkehr. Einzelne Destinationen liessen sich ja auch durch die Swiss anfliegen.

Die Überkapazitäten in Europa sind jedoch heute schon enorm. Wären da zusätzliche Helvetic-Flieger im Swiss-Lufthansa-Verbund wirklich die Lösung?

Die Situation ist die: Die Swiss muss so oder so ihre Europaflotte für teures Geld erneuern und die in Betrieb befindlichen Flugzeugtypen reduzieren. Wir fliegen mit neu überholtem Gerät, mit dem wir noch mehrere Jahre operieren können. Zumindest theoretisch könnte die Swiss aus Gründen der Kosten einen Teil der Operationen mit Helvetic-Fliegern abwickeln. Wir jedenfalls sind für solche Überlegungen durchaus offen.

Um wie viel tiefer sind die Operationskosten der Helvetic gegenüber der Swiss?

Das ist sehr schwer zu beziffern, weil viele Komponenten hineinspielen. Was man sagen kann, ist, dass unsere Gesamtoperation bei vergleichbarem Fluggerät wesentlich günstiger zu stehen kommt, und zwar bei allen Komponenten. Auch bei Wartung und Flugunterhalt schneiden wir besser ab und verfügen bei der Fokker trotzdem über 100 Sitzplätze – mehr, als die Embraer der Swiss aufweist.

Werden Sie denn nun Gespräche mit Swiss oder Lufthansa aufnehmen?

Das ist mein Ziel. Und ich will nicht nur mit Swiss/Lufthansa das Gespräch suchen, sondern auch mit anderen Airlines. Unser Ziel war es ja immer, in eine Kooperation mit Dritten hineinzugehen. Interessant könnte für uns beispielsweise auch eine Air Berlin sein. Ich weiss nicht, inwieweit bei Air Berlin oder bei anderen die Bereitschaft zur Kooperation vorhanden ist. Ich denke jedoch, dass wir auf Grund unserer überblickbaren Grösse als Partner in einem Segment interessant sein könnten.

Dass derartige Überlegungen bei Ihnen jetzt aufs Tapet kommen, hängt auch mit der Übernahme der Swiss zusammen?

Nicht direkt. Es hängt vielmehr mit dem gegenwärtigen Entwicklungsstadium zusammen. Wir sind nun seit rund eineinhalb Jahren am Markt und werden in den kommenden Monaten den Break-even erreichen. Jetzt müssen wir einen nächsten Entwicklungsschritt ins Auge fassen. Da sind Kooperationen mit Dritten willkommen.

Kommt auch ein Verkauf in Frage?

Wenn wir Geld brauchen würden, wäre das eine Option oder gar eine Notwendigkeit. Dies ist nicht der Fall. Aber wenn eine Zusammenarbeit mit einem Dritten Sinn macht, kann unter Umständen auch über eine Beteiligung diskutiert werden. Zentral ist jedoch immer der Fortbestand der Firma.

Trotz schwarzen Zahlen haben Sie kürzlich Ihren Einheitspreis von 99 auf 119 Euro erhöht.

Das hat damit zu tun, dass wir auch lernen mussten, welche Destinationen funktionieren und welche nicht, damit wir auf die für uns relevante Auslastung von rund fünfzig Prozent kommen. Ziele wie Amsterdam oder Brüssel haben wir aus Gründen der Rentabilität wieder aus dem Flugplan gestrichen und stattdessen Destinationen in Süditalien aufgenommen. Dadurch hat sich die mittlere Flugdauer über alle Destinationen hinweg von knapp 90 auf rund 120 Minuten erhöht. Deshalb haben wir den Preis antizyklisch per 1. März erhöht. Trotzdem haben wir in den ersten Monaten deutlich mehr Buchungen als im letzten Jahr verzeichnet.