Wie weit dürfen Sicherheitsbehörden auf persönliche Daten zugreifen, um Anschläge und andere Verbrechen zu verhindern? Spätestens seit den Enthüllungen des früheren Geheimdienst-Mitarbeiters Edward Snowden über die amerikanischen Spähprogramme steht diese Frage im Raum. Die Debatte dreht sich um die Grenzen zwischen Datenschutz und nationaler Sicherheit.

In den USA wird dieser Grundsatzstreit nun neu aufgerollt – im Zentrum steht dabei Apple. Stellvertretend für die gesamte Technologiebranche sieht sich der Konzern mit der Aufgabe konfrontiert, die Privatsphäre von Kunden und damit eigene Geschäftsgeheimnisse gegen die Auskunftsansprüche der Behörden zu verteidigen.

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Gericht stellt sich gegen Apple

Ausgangspunkt ist der Anschlag im kalifornischen San Bernardino. Anfang Dezember griff dort ein Ehepaar eine Sozialeinrichtung an und tötete 14 Menschen, bevor die beiden bei einem Schusswechsel mit der Polizei selbst ums Leben kamen. Die Ermittler wollen herausfinden, ob das Paar mit der Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) und anderen militanten Gruppen in Kontakt stand. Dazu wollen sie das iPhone auswerten, das ein Täter benutzte.

Die Bundespolizei FBI verlangt in diesem Zusammenhang von Apple eine bestimmte Software und technische Hilfe, um an die verschlüsselten Daten zu gelangen. Da das Unternehmen dies ablehnt, ging die Sache vor Gericht. Dieses entschied unlängst, dass Apple den Forderungen nachkommen muss.

Solidarische Techbranche

Der iPhone-Hersteller will sich aber weiter dagegen wehren, was ihm umgehend Solidaritätsbekundungen anderer Technologie-Schwergewichte wie Facebook, Twitter und Google einbrachte. Apple hat jetzt bis zum 26. Februar Zeit, um auf die gerichtliche Anordnung zu antworten, wie die Nachrichtenagentur Reuters von einer mit der Angelegenheit vertrauten Person erfuhr.

Mit Spannung wird erwartet, welche Argumente das Unternehmen vorbringen wird. Im konkreten Fall geht es zwar nur um ein ganz bestimmtes Smartphone. Doch Apple-Chef Tim Cook fürchtet, dass die Entschlüsselungssoftware, mit der die Ermittler das iPhone des Attentäters knacken wollen, in falsche Hände gerät. Dies könnte zur Folge haben, dass auch andere iPhone-Nutzer zu Hacker-Opfern werden.

Redefreiheit in Gefahr

Rechtsexperten zufolge handelt es sich um einen Fall, der bislang ohne Beispiel ist. Es gehe nicht nur darum, bestimmte Informationen auszuhändigen, sondern ein neues kriminaltechnisches Instrument zu basteln, erläutert die Verschlüsselungsexpertin Riana Pfefferkorn von der Universität Stanford.

Apple dürfte sich ihren Worten zufolge auf die verfassungsrechtlich garantierte Redefreiheit berufen, die in den USA besonderes Gewicht hat und auch für Firmen gilt. Demnach wäre es ein unzulässiger Eingriff in die Redefreiheit, würde das Unternehmen gezwungen, seinen Rechnercode nach bestimmten Vorgaben zu entwickeln. Gerichtsdokumenten zufolge hat sich Apple bereits die Dienste von zwei prominenten Anwälten gesichert, die auf das Thema Redefreiheit spezialisiert sind.

Die Bedeutung von Code steht zur Diskussion

In der Vergangenheit hat bereits ein Gericht befunden, dass ein Computercode eine Form der Rede ist. Dieser Entscheid spielte in dem damaligen Rechtsstreit aber keine Rolle mehr. Ob Apple mit seiner Argumentationsstrategie erfolgreich sein wird, ist offen. Denn Computercodes sind allgegenwärtig und spielen eine grosse Rolle in der US-Wirtschaft. Jura-Professor Stuart Benjamin von der Duke University gibt sich skeptisch: Apple werde zeigen müssen, dass sein Code eine substanzielle Information enthalte.

Auch sein Kollege Michael Froomkin von der Universität Miami sieht den Konzern vor einer schweren Aufgabe. Er attestiert den Ermittlern ein besonderes Geschick bei der Auswahl des Falles, um gegen die Verschlüsselungstechniken der Technologiefirmen zu Felde zu ziehen.

Schaden an Marke droht

Ein problematisches Detail ist seinen Worten zufolge, dass das fragliche iPhone dem Attentäter gar nicht gehörte, sondern dessen Arbeitgeber. Dabei handelt es sich um eine Gemeindeverwaltung, die der Auswertung des Smartphones bereits zugestimmt hat. «Für Apple könnte die Faktenlage kaum ungünstiger sein. Daher hat die Regierung sich diesen Fall ausgesucht», betont Froomkin. Für Apple stehe nun enorm viel auf dem Spiel. Wenn sich das Unternehmen nicht gegen die Behörden durchsetzen könne, drohe dessen weltweit bekannter Marke Schaden.

(reuters/jfr/me)