Seitdem George W. Bush Präsident der USA geworden ist, ist klar: Man kann es auch trotz einem Master of Business Administration (kurz: MBA) an die Spitze schaffen. Zugleich macht das Beispiel deutlich: Ein Garant für brillante Leistungen ist der MBA nicht unbedingt.

Aber nicht der US-Präsident ist schuld daran, dass die bis vor kurzem herrschende Begeisterung für den MBA der Ernüchterung gewichen ist: MBA-Programme gibt es mittlerweile wie Sand am Meer, und die Zahl der MBA-Absolventen geht jedes Jahr weltweit in die Abertausende.

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Mal wird der MBA von Eliteschulen wie Harvard oder Stanford verliehen, mal von bestenfalls als halbseiden zu bezeichnenden Hinterhofakademien. Mal leisten MBA-Absolventen Hervorragendes, mal nerven sie die Mitarbeitenden mit abstrusen Theorien oder führen Unternehmen in den Abgrund.

Beispiel: Der Harvard-Absolvent Frank Lorenzo sammelte im Laufe seiner Karriere Fluggesellschaften en masse und baute eine Reihe von Konkursen, bevor er die Eastern Airlines in den Untergang führte. Ein US-Gericht befand ihn für nicht fähig, ein Unternehmen zu leiten, trotz dem MBA. Beobachter der MBA-Szene beschleicht der Eindruck, dass der tolle Titel, der ein Garant für Karriere sein soll, seine besten Tage hinter sich hat.

«Als ich jung war, hat man mit einem MBA sofort einen Job bekommen», erinnert sich der Zürcher Headhunter Bjørn Johansson von Dr. Bjørn Johansson Associates wehmütig an die guten alten Zeiten, in denen der Master of Business Administration ein Garant für den Aufstieg, für Geld und Macht war. Bei den Personaldossiers, die Johansson heute auf den Tisch bekommt, registriere er inzwischen die drei Buchstaben gar nicht mehr. «Heute hat doch fast jeder einen MBA», seufzt er. Das scheint ein Zeichen des Niedergangs eines einstmals elitären Titels zu sein.

Erstmals war ein Vorläufer des MBA 1902 an sieben Absolventen des amerikanischen Dartmouth College verliehen worden. Innerhalb des College wurde die Tuck School of Business gegründet, eine der Topschulen weltweit. Ziel war es, die künftigen Wirtschaftsführer praxisnah auszubilden. Das Niveau hielt sich erstaunlich lange. «Noch vor dreissig Jahren war ein MBA-Titel sehr prestigeträchtig und exklusiv», sagt Johansson. Nur einige Topschulen in den USA boten die Ausbildung an, und wenn man die drei Buchstaben hinter dem Namen trug, machte man deutlich, dass man zu den Besten der Besten gehörte.

Doch heute haben Krethi und Plethi einen MBA, den sie im Fernstudium, in Wochenendkursen oder halt ganz klassisch in einem Vollzeitstudium erworben haben. Es gibt Privatschulen, die eine MBA-Ausbildung anbieten, die Schweizer Fachhochschulen sind auf den Weiterbildungszug für Manager aufgesprungen, und nach der HSG haben auch andere Schweizer Universitäten die MBA-Ausbildung in ihr Programm aufgenommen.

Weil die Inflation auch in der Ausbildung nicht unbedingt zur Qualitätssteigerung führt, werden MBA-Absolventen in den Teppichetagen bisweilen als «Mittlere Büro-Assistenten» verulkt oder wird der Titel mit «Management-by-Analysis» übersetzt. «Der MBA-Markt ist längst ein Dschungel geworden, durch den man nicht mehr blickt», sagt Doris Aebi, Partnerin bei Aebi + Kuehni, einer Executive-Search-Boutique in Zürich. Noch mehr Verwirrung steht bevor, weil wegen der Bologna-Reform der Hochschulausbildung künftig Bachelor- und Masterabschlüsse an der Tagesordnung sein werden.

«Heute spielt der MBA hauptsächlich beim Einstieg ins Berufsleben eine grosse Rolle», sagt Doris Aebi. Bei den späteren Karriereschritten sei er weniger wichtig. Beim Aufstieg in die Geschäftsleitung oder zum CEO zählen andere Dinge, vor allem der Leistungsausweis. «Niemand fragt dann mehr nach einem solchen Titel», sagt Aebi. In den höheren Karrieresphären werden die sozialen Fähigkeiten der Kandidaten immer wichtiger: Ob jemand in ein Team und zur Firma passt, entscheidet über den Schritt nach oben. «Da ist die Persönlichkeit viel wichtiger als die Frage, ob jemand einmal einen MBA gemacht hat», glaubt die Expertin.

Angesichts der Flut der Anbieter sei es an der Zeit, sich vermehrt mit den Inhalten der MBA-Ausbildung auseinander zu setzen, meinen Kritiker. Die Frage drängt sich auf, ob die Lerninhalte den Bedarf der Wirtschaft befriedigten. Tatsächlich mehrt sich in der letzten Zeit die Kritik am MBA-Fieber der Wirtschaft. Vor allem in Nordamerika melden sich die Mahner zu Wort. Henry Mintzberg, Professor an der kanadischen McGill University in Montreal und selbst seit 15 Jahren in der MBA-Ausbildung tätig, wirft den Business-Schools vor, zu praxisfern, zu akademisch und nicht auf die Führung ausgerichtet zu unterrichten. «Manager statt MBAs» heisst seine jetzt auch auf Deutsch erschienene Abrechnung mit der herkömmlichen Managerausbildung. Sein Fazit: Der MBA-Titel ist nicht mehr als ein schönes Etikett. «Die Tatsache, dass jemand ein MBA-Diplom besitzt, sollte hinsichtlich der Frage, ob er als qualifizierter Manager taugt oder nicht, keine Rolle spielen», sagt er. Wer heute einen MBA-Abschluss erwirbt, sei damit noch lange nicht in der Lage, die komplexen und sozial höchst anspruchsvollen Aufgaben der Führung zu übernehmen.

Schuld daran ist nach Mintzbergs Meinung die starke Theorielastigkeit der Ausbildung. Ausserdem fehle es bei den Kandidaten in den meisten Fällen an jener Portion Lebenserfahrung, die man brauche, um verantwortungsvoll Mitarbeitende führen zu können. Soll heissen: Sie kommen zu früh in die MBA-Ausbildung, ohne sich in der Praxis wirklich bewährt zu haben. «Wir benötigen keine Fachleute mit akademischem Befähigungsnachweis, sondern Führungspersönlichkeiten mit sozialen Kompetenzen», sagt er. Doch diese sind bei den meisten Teilnehmern weder vorhanden, noch lassen sie sich in einer MBA-Schnellbleiche vermitteln.

Defizite macht Mintzberg auch bei der Bereitschaft der Absolventen aus, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Statt das langfristige Wohl der Firma im Auge zu haben, seien die meisten MBA-Absolventen auf eigene Vorteile und eine Steigerung des Shareholder-Value aus, schimpft er.

Umfragen bestätigen seinen Vorwurf. Viele MBA-Absolventen geben in Befragungen an, den Job als ein Sprungbrett zum nächsten zu betrachten. Inhaltliche Aspekte der Arbeit kommen dabei zu kurz: Die Innovationsfreude, von der die Wirtschaft lebt, werde an den Business-Schools nicht gelebt, stattdessen werde ein Zahlen-Fakten-Cases-Fetischismus betrieben, der für die Unternehmen bisweilen bedrohlich sein könne. Die MBA-Absolventen bringen Bürokratismus in die Unternehmen, der sie unflexibel macht.

Mintzberg fordert eine grundsätzliche Reform der Managerausbildung. Leute ohne Führungserfahrung hätten in den Lehrgängen nichts verloren, die Ausbildung müsse berufsbegleitend sein, um die Praxisnähe des Unterrichts zu gewährleisten. Ausserdem gehörten Aspekte von Philosophie, Soziologie und Anthropologie ebenfalls auf den Lehrplan, sagt er. Andernfalls würden die Topkräfte von morgen den ethischen Problemen bei Entscheidungen hilflos gegenüberstehen.

Mit solcher Kritik steht Mintzberg nicht allein: Der Business-Administration-Professor Warren G. Bennis und sein Kollege James O’Toole forderten im Sommer im renommierten Fachblatt «Harvard Business Manager» eine stärkere Verwurzelung der MBA-Ausbildung in der Praxis. Die Lehrkräfte müssten aus den Firmen kommen und dort einen Leistungsausweis erbracht und sich weniger durch theoretisch-wissenschaftliche Brillanz ausgezeichnet haben.

Doch diese Kritik ist bestenfalls akademisch und in der Praxis noch längst nicht angekommen: Die Sicht von Mintzberg und Co. wird von vielen Firmen offenbar nicht geteilt. Für die Unternehmen besitzt ein MBA immer noch einen hohen Stellenwert. Das MBA-Beratungsunternehmen QS schätzt, dass weltweit über 60 Prozent der Firmen dieses Jahr mehr MBA-Absolventen einstellen werden als in den letzten Jahren. Der Bedarf an Absolventen mit dem Titel wächst nach Schätzungen um 15 Prozent. Die MBA-Messen, die QS auf mehreren Kontinenten organisiert und an denen sich die Schulen den Interessierten präsentieren, sind stets zum Bersten voll.

Die MBA-Ausbildung scheint sich vor allem immer noch zu rechnen, wenn man die Salärsteigerungen durch den Titel berücksichtigt. Vor allem die Kurzzeit-MBA-Kurse, die in weniger als 12 Monaten zum Titel führen, sind für die Absolventen lukrativ. Nunzio Quacquarelli, der Gründer von QS, rechnet vor, dass der Kurzlehrgang am IMD in Lausanne über zwanzig Jahre einen jährlichen Return on Investment von 1064 Dollar bringt. Wer mehr als ein Jahr in Wharton büffelt, kann nur 600 Dollar erwarten.

«Für Leute ohne einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund ist ein MBA immer noch die beste Möglichkeit, sich ein gutes Rüstzeug auf diesem Gebiet zu holen», sagt der Zürcher Executive-Search-Spezialist Pascal Forster. Wer einen Abschluss an einer der «Ivory League»-Hochschulen macht, so nennt man die Topschulen an der amerikanischen Westküste, kommt problemlos im Pharmabereich oder bei den Banken unter. «Die nehmen die Besten», sagt Forster. Unternehmen, die diese Toptalente nicht für sich gewinnen können, zielen auf die Rekrutierung der MBA-Leute aus der zweiten Liga. «In diesem Bereich ist entweder die Schule oder der Inhalt des MBA-Studiengangs für die Unternehmen das wichtigste Kriterium», sagt Forster.

Bei McKinsey setzt Pius Fritschi, der bei den Beratern für das Recruiting zuständig ist, auf den MBA. «Allerdings muss der von einer der besten Schulen kommen», sagt er. Wer es geschafft habe, sich in einem stark kompetitiven und internationalen Umfeld durchzusetzen, bringe genau die Voraussetzungen mit, die es brauche, um in der Consulting-Branche Erfolg zu haben. Dabei sind es weniger die fachlichen Fähigkeiten, die der McKinsey-Mann schätzt, als die «Softskills»: Dass man sich in kulturell heterogenen Teams Geltung verschafft und dass man griffig und offensiv kommunizieren kann, ist entscheidend. «Um das zu lernen», sagt Fritschi, «sind die Topschulen die besten Adressen.» Wer in seinem Gewerbe Karriere machen wolle, müsse es an eine solche Schule schaffen. «Wenn man oben mitspielen will, muss man sich um eine solche Ausbildung bemühen.» Halbheiten verträgt das harte Geschäft der Unternehmensberatung halt nicht.

Natürlich kann nicht jeder an die Insead nach Fontainebleau, an die Tuck School of Business oder ans IMD nach Lausanne. Auch wer keinen MBA dort macht, muss seine Karriere deshalb noch lange nicht abschreiben. Wichtig ist es, dass die Weiterbildung, die man macht, klug gewählt ist: Sie soll auf das eigene Profil abgestimmt und im Rahmen der Zukunftsplanung sinnvoll sein.

So bietet beispielsweise die HSG einen Executive-MBA-Studiengang an, der sich an Leute mit langjähriger Berufserfahrung richtet. «Durch die Heterogenität der einzelnen Klassen und die lange Managementerfahrung bietet er eine einmalige Plattform zum Austausch und ein gutes Netzwerk», sagt Markus Seitz, Studienleiter Executive MBA HSG.

Für André Weber von KPMG hat ein MBA vor allem für Quereinsteiger Sinn. Wer länger im Beruf ist, profitiert von gezielten Weiterbildungen. Hier folgt das Unternehmen einem Trend: Immer mehr Firmen bieten MBA-Programme an, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Den Sinn solch kürzerer Weiterbildungen sieht auch Bjørn Johansson: «Besser, man macht als Executive eine sehr intensive Weiterbildung, die auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt ist, als zu viel Zeit zu investieren.»

Buchtipp: Henry Mintzberg: Manager statt MBAs. Campus Verlag.