Die Zukunft von Karstadt ist ungewisser denn je. Nach dem abrupten Abgang von Firmenchefin Eva-Lotta Sjöstedt nach nur 133 Tagen im Amt steht der angeschlagene Warenhauskonzern vor einem Scherbenhaufen. Galt die ehemalige Ikea-Managerin doch als Hoffnungsträgerin, die den seit Jahren mit Verlusten und Umsatzeinbußen ringenden Traditionskonzern rasch wieder in die Spur bringen sollte. Doch ihre Sanierungspläne konnte sie nach eigenem Bekunden nicht umsetzen, da Eigentümer Nicolas Berggruen die finanzielle Unterstützung verweigerte. Dabei hatte Aufsichstratschef Stephan Fanderl zum Jahresbeginn gedrängt: «Wir haben wenig Zeit.» Für Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt und die noch 17.000 Arbeitnehmer ist daher die Gretchenfrage: «Wie geht es weiter?»

Patzelt, zugleich stellvertretender Aufsichtsratschef, will nun vom Management wissen, was eigentlich geplant war und was nun geplant wird. Er trommelt derzeit den Gesamtbetriebsrat und Wirtschaftsausschuss zusammen, um Antworten zu bekommen. Für Experten steht indes fest, ohne Geld läuft nichts. Beim Warenhauskonzern ist man derweil einen Tag nach dem Abgang Sjöstedts abgetaucht. Für Fragen nach dem weiteren Vorgehen ist niemand erreichbar. Eine neue Spitzenkraft ist nicht in Sicht, erst einmal sollen Finanzvorstand und Arbeitsdirektor die Sache richten.

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«Verfallsprozess» schreitet voran

«Karstadt ist in einem langfristigen Verfallsprozess», so Barbara Ambrus von der LBBW. «Der erneute Managementwechsel ist ein schlechtes Zeichen und zeigt, dass die Sanierung ohne finanzielle Unterstützung nicht machbar ist.» Bereits seit mindestens 15 Jahren seien Investitionen in die Modernisierung des Filialnetzes und kontinuierliche Arbeiten am Sortiment vernachlässigt worden. Ein weiterer Handelsexperte erklärt: «Hier geht es nicht um eine Spitzenpersonalie, sondern um das Geschäftsmodell. Das zu ändern, erfordert neue Ideen und Geld.»

Sjöstedt hatte am Montag knapp fünf Monate nach ihrem Amtsantritt das Handtuch geworfen. Die Schwedin sollte den defizitären Konzern mit seinen 83 Warenhäusern auf Kurs bringen und setzte dabei auf die Unterstützung des als Karstadt-Retter gefeierten Eigentümers Berggruen. Sie wollte vor allem die Online-Aktivitäten des Kaufhof-Konkurrenten ausbauen und zugleich das Geschäft stärker auf die lokale Nachfrage der Kunden ausrichten. Sie habe aber feststellen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Sanierung nicht mehr gegeben seien, begründete Sjöstedt ihren Rücktritt. Das Unternehmen reagierte betroffen: «Dieser Schritt kommt für uns überraschend und in sehr schwierigen Zeiten», so Aufsichtsratschef Fanderl. Er kündigte an, «mit dem erfahrenen Management die Sanierung von Karstadt entschlossen und unverzüglich anzugehen».

Karstadt schreibt seit Jahren rote Zahlen und stand 2009 vor der Insolvenz. Berggruen erwarb den Konzern daraufhin für den symbolischen Preis von einem Euro. Der egozentrische Multimillionär lebt ausschließlich in Hotels und hat sich in einem Interview selbst «als zu weich» für einen Geschäftsmann bezeichnet. Noch vor Sjöstedts Amtsantritt trennte sich der Sohn des während der Nazi-Diktatur emigrierten Berliner Kunstsammlers und Mäzens Heinz Berggruen von der Mehrheit an zwei Filetstücken des Konzerns. Der österreichische Investor Rene Benko übernahm die Mehrheit am operativen Geschäft von Karstadt Sports und an den drei Luxuswarenhäusern - das Berliner KaDeWe, das Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München. Benko besitzt zudem zahlreiche Karstadt-Immobilien. Berggruen hat nunmehr nur noch die Mehrheit am traditionellen Warenhausgeschäft und das braucht spätestens für den Weihnachtseinkauf im Herbst Geld.

Konzept einer «Deutschen Warenhaus AG» vom Tisch

Die Aufspaltung hatte in der Belegschaft Sorgen geschürt, Karstadt könnte endgültig zerschlagen und mit der Metro -Tochter Kaufhof verschmolzen werden. Benko hatte schon bei der Metro angeklopft. Doch dort hieß es: «Wir brauchen keine zweite Verwaltung, Logistik, IT und, und, und.» Die Metro nähme Karstadt höchstens geschenkt.

Auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Konkurrenzkampf mit Onlinehändlern war die «Deutsche Warenhaus AG» jahrelang Planspiel gewesen. Kaufhof könnte Karstadt schlucken oder ein dritter Investor die beiden Warenhausriesen übernehmen. Und nach einem Umbau - Schließung unrentabler Filialen und Massenentlassungen - könnte der Konzern dann an die Börse gebracht werden. In beiden Fällen müssten Zehntausende Beschäftigte um ihren Job zittern. Der Handelsriese Metro hatte solche Pläne bereits unter seinem früheren Chef Eckhard Cordes geprüft, sie wurden dann aber mangels Verkaufsdruck unter seinem Nachfolger Olaf Koch auf Eis gelegt, da die Kette mit ihren knapp 140 Warenhäusern Gewinn schreibt. Bei Kaufhof ist nach Einschätzung von Experten anders als bei Karstadt auch kein Investitionsstau entstanden.

(reuters/ccr)