In Österreich ist Dr. Richard das grösste private Busunternehmen. Dass es in der Schweiz expandieren und inländische Fernbuslinien betreiben will, ist seit Oktober bekannt. Nun aber zeigt sich: Dr. Richard will weit mehr als die vier beantragten Fernbus-Strecken.

Die Österreicher haben es besonders auf das Netz von Postauto abgesehen. Das Ziel: Hierzulande zu den drei grössten Busunternehmen zu gehören – neben Postauto und Eurobus. «Wir wollen in der Schweiz besonders im Regionalverkehr wachsen. Der Postauto-Skandal rüttelt hoffentlich Kantone und Kommunen wach und führt dadurch zu Chancen für Mitbewerber», sagt Patrick Angehrn, der für Dr. Richard das Geschäft in der Schweiz vorantreibt.

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Dr. Richard will bestehende Unternehmen kaufen

Für ihre Expansion setzten die Österreicher auf eine doppelspurige Strategie: Sie beteiligen sich an Ausschreibungen für regionale Buslinien. «Grundsätzlich suchen wir den Kontakt zu allen Kantonen und nehmen an künftigen Ausschreibungen Teil», sagt Angehrn. Derzeit interessiert sich Dr. Richard etwa für die Ausschreibungen des Busverkehrs Lyss-Biel und Spiez-Interlaken.

Zudem wollen sich die Österreicher an bestehenden öV-Unternehmen beteiligen oder sie kaufen – private und solche, die den Gemeinden oder Kantonen gehören. Laut Angehrn laufen bereits erste Verhandlungen.  

Kann sich Dr. Richard tatsächlich in der Schweiz ausbreiten? Vier Gründe sprechen für die Österreicher:

Erstens: Dr. Richard konnte mit Angehrn den Schweizer Fernbuspionier für sich gewinnen. Er verantwortete beim Bundesamt für Verkehr (BAV) von 2005 bis 2008 den internationalen Busverkehr, gründete dann die Firma Expressbus, die er 2015 verkaufte, ehe er beim Busunternehmen Domo anheuerte. Dort reichte er 2017 den ersten Antrag für inländische Fernbuslinien ein. Ende 2017 wurde Angehrn CEO der neu gegründeten Tochtergesellschaft Domo Swiss Express – sie sollte die beantragten Linien betreiben.

Patrick Angehrn

Patrick Angehrn: Bei Domo Reisen erkämpfte er die ersten inländischen Fernbuskonzessionen.

Quelle: ZVG

Im März 2018 jedoch verkaufte Domo die neu gegründete Tochter an Eurobus. Seit einem halben Jahr betreibt das Busunternehmen nun in Kooperation mit Flixbus drei Schweizer Fernbuslinien. Angehrn jedoch weibelt nun für die Österreicher. Und hat beim BAV bereits die Linien Chur-Zürich-Flughafen, Zürich-Luzern-Bern, Zürich Flughafen-Bern und Zürich-Basel-Bern beantragt.  

Zweitens: Dr. Richard hat sich im liberaleren österreichischen Markt, wo jede regionale Buslinie ausgeschrieben werden muss, durchgesetzt und betreibt eine Flotte von rund 1000 Bussen. Auch in der Schweiz ist das Unternehmen mit 17 Bussen präsent und betreibt seit zehn Jahren die Tochtergesellschaft Albus, die neu Dr. Richard Schweiz heisst.

Die Flixbus-Strecke Zürich-München wird grösstenteils von ihr betrieben. Angehrn ist überzeugt, dass Dr. Richard den Regionalverkehr günstiger produzieren kann als Postauto. «Aufgrund unserer Grösse und internationalen Ausrichtung können wir etwa Fahrzeuge günstiger beschaffen und unterhalten», sagt Angehrn. Zudem sei sich Dr RIchard «härteren Wettbewerb seit mehr als zehn Jahren gewöhnt, weil der regionale Busverkehr in Österreich schon länger vollständig liberalisiert ist.»

Drittens: Der Skandal um den Subventions-Betrug hat zwar Postauto nicht völlig aus der Bahn geworfen, aber er hat geschadet. Die Post muss den 24 betroffenen Kantonen insgesamt 208 Millionen Franken zurückzahlen. Gut möglich, dass einige Kantone im Regionalverkehr künftig offen sind für Alternativen. Postauto droht also einen grossen Teil des bisherigen Monopols zu verlieren. Jura hat bereits angekündigt, im kommenden Frühling 38 Potauto-Linien öffentlich auszuschreiben. Auch der Kanton Graubünden äusserte, dass er eventuell Strecken ausschreiben wird.

Derzeit wird zudem das Bestellverfahren im Regionalen Personenverkehr reformiert. Im ersten Quartal 2019 findet dazu eine Vernehmlassung statt. Überprüft werden soll auch das Verfahren für Ausschreibungen. «Jede faire Ausschreibung ist eine grosse Chance für uns.»

BILDPAKET -- ZUM JAHRESRUECKBLICK 2018 NATIONAL,

Postauto: Hat sich den Goodwill einiger Kantone verspielt.

Quelle: Ti-Press

Viertens: Die Nachfrage im regionalen Personenverkehr wächst kontinuierlich. In den letzten zehn Jahren ist die Nachfrage um 40 Prozent gewachsen, während das Angebot jedoch nur um 30 Prozent zugenommen hat, wie Zahlen des Informationsdiensts für den öffentlichen Verkehr (Litra) zeigen.

Das spricht gegen die Österreicher

Die Chancen stehen gut, dass die Österreicher im Schweizer Regionalverkehr in den nächsten Jahren zu einer veritablen Grösse heranwachsen. Im Fernverkehr jedoch könnten zwei Faktoren das Busunternehmen bremsen.

Einerseits ist das Interesse an inländischen Fernbussen noch bescheiden. Angehrn glaubt jedoch an den Erfolg: «Fernbusse sind in der Schweiz ein völlig neues Verkehrsmittel», sagt er. «Es dauert eine Weile, die Gewohnheit der Passagiere zu ändern. Es wäre illusorisch zu denken, dass man ab dem ersten Tag einen Haufen neuer Kunden hat.»

Angehrn glaubt, dass es in der Schweiz ein Publikum gibt, das bereit ist, für günstigere Preise eine längere Fahrt in Kauf zu nehmen. Er denkt dabei etwa an Studenten, Familien, ältere Personen und Passagiere, die kein Halbtaxabonnement besitzen.

Streckennetz Dr. Richard

Für diese Fernbus-Strecken hat Dr. Richard beim BAV ein Gesuch eingereicht.

Quelle: ZVG

Die Suppe versalzen könnte nun das Bundesamt für Verkehr. Ob die von Dr. Richard beantragten Fernbuslienien bewilligt werden, entscheidet das BAV voraussichtlich im ersten Quartal 2019, wie es auf Anfrage heisst. Laut BAV dürfe ein neues Angebot «die wirtschaftliche Existenz bestehender bedürfnisgerechter Angebote nicht gefährden».

Da sich das aktuelle Liniennetz von Eurobus teils mit den gewünschten Linien von Dr. Richard überschneidet, ist es fraglich, ob das BAV grünes Licht gibt. Angehrn jedenfalls ist optimistisch: «Um ein Monopol zu verhindern, wären zwei Bewilligungen pro Strecke möglich», sagt er. Aufgrund der hohen Verkehrszahlen auf den beantragten Strecken sei es kein Problem, die Busse zu füllen.