Als das Schweizer Energieunternehmen EGL im März 2008 einen Gasliefervertrag mit der iranischen Gasexportgesellschaft (Nigec) unterschrieb, gab es viel Unmut - nicht nur, weil Aussenministerin Micheline Calmy-Rey beim Treffen mit dem iranischen Präsidenten ein Kopftuch trug, sondern weil etwa die USA eine Verletzung der Sanktionen gegen das Mullah-Regime witterte. Seit die EU und die USA im Juli die Sanktionen gegen den Iran verschärft haben, ist der EGL-Deal erneut im Visier der Öffentlichkeit.
Untersuchung gegen EGL?
Die US-amerikanische Think Tank Foundation for Defense of Democracies (FDD) fordert nun, dass die US-Regierung den EGL-Deal unter die Lupe nimmt. FDD-Iran-Experte Mark Dubowitz räumt gegenüber der «Handelszeitung» zwar ein, dass der Kauf von iranischem Gas durch die EGL nicht direkt unter US-Sanktionen fällt. Dennoch könnte der Vertrag Sanktionen verletzen: Er könne es ermöglichen oder erleichtern, dass der Iran seine Gas- und Ölindustrie ausbaut - und genau das wollen die jüngsten EU- und US-Sanktionen verhindern. Laut Dubowitz wäre die EGL darum gut beraten, den Vertrag fallen zu lassen. Dieser stärke das iranische Regime. «Und selbst wenn die EGL in technischer Hinsicht keine Sanktionsverletzung begeht: Die Verbindung der Firma zu Vertretern des iranischen Regimes ist ein Bruch des Vertrauens zwischen der Schweiz und den USA», so Dubowitz. Die EGL setze ihre Reputation aufs Spiel.
Auch die «Jerusalem Post» fährt heftiges Geschütz gegen den Vertrag auf: Die Haltung der EGL sei scheinheilig und zynisch. Denn alles, was den Iran reicher mache, ermögliche es dem Land, Terrorismus zu finanzieren und die Entwicklung von Atomwaffen voranzutreiben, so die Zeitung.
Die Schweiz und die EGL sind in Sachen Uno-, EU- und US-Sanktionen gegen den Iran in einer komplizierten Lage. Als Uno-Mitglied ist die Schweiz verpflichtet, deren Sanktionen umzusetzen. Laut Roland Vock, Leiter Ressort Sanktionen im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), hat die Schweiz einen Teil der weitergehenden Uno-Sanktionen, die der Sicherheitsrat am 9. Juni beschloss, umgesetzt. Die übrigen Massnahmen sollen noch im August vom Bundesrat in Kraft gesetzt werden. Klar ist laut Vock heute aber eines: «Der Gasliefervertrag der EGL mit der iranischen Gasfirma Nigec verstösst weder gegen die ursprünglichen noch gegen die weitergehenden Uno-Sanktionen.»
Anders präsentiert sich die Lage bei den zusätzlichen Sanktionen, die von der EU und den USA beschlossen wurden. Diese gehen deutlich weiter als die Massnahmen der Uno. Die Schweiz ist allerdings nicht verpflichtet, sich an diese zu halten. Derzeit analysiert das Seco laut Vock die von der EU und den USA beschlossenen Verschärfungen. Der EU-Beschluss etwa lasse vieles offen, so die Frage, welche Güter betroffen sind. Klärung bringe erst die Verordnung der EU, die Vock auf Ende August oder Anfang September erwartet. Nach der jüngsten Verschärfung der Sanktionen ist beim Seco laut Vock keine offizielle Anfrage von Regierungen aus der EU oder von den USA zum EGL-Vertrag eingegangen. Vock weist auch darauf hin, dass es sich um einen privaten Vertrag zwischen der EGL und der iranischen Nigec handle.
Ganz so einfach werden die Schweiz und die EGL aber wohl kaum davonkommen. Als die EU-Aussenminister Ende Juli die Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran verkündeten, äusserte sich Österreichs Aussenminister Michael Spindelegger auch zu den Erwartungen der EU an die Schweiz. Sie sei zwar nicht aufgefordert, die Sanktionen zu übernehmen. Doch gebe es eine gewisse Erwartung, dass das Land den EU-Beschluss «in einem positiven Licht» sehe, so Spindelegger. Auf Anfrage der «Handelszeitung» wollte sich Spindeleggers Pressesprecher Alexander Schallenberg nicht dazu äussern, ob sich diese Aussage auf den EGL-Gasliefervertrag bezieht: «Es liegt nicht an uns, einzelne Verträge von Firmen mit dem Iran zu kommentieren.» Doch Schallenberg weiter: «Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob es ein kluger Zug ist, im jetzigen Zeitpunkt Geschäfte mit dem Iran zu betreiben.» In Österreich hatte der Aussenminister bereits vor einem Jahr erklärt, es sei nicht opportun, neue Verträge mit dem Iran abzuschliessen. Der österreichische Energiekonzern OMV lässt eine Absichtserklärung zur Erschliessung einer iranischen Erdgas-Parzelle ruhen - zumindest derzeit.
EGL nicht beunruhigt
Die EGL gibt sich gelassen. «Wir werden geltende Rechtsbestimmungen einhalten», betont Sprecherin Lilly Frei. Die Polemik gegen den Vertrag werde von «gewissen Kreisen» in den USA vorangetrieben, so Frei. Mit dieser Aussage dürften konservative und besonders israelfreundliche Gruppierungen in den USA angesprochen sein. Der Think-Tank FDD etwa gilt in den USA als rechtsgerichtet.
Ohnehin gilt laut Frei: «US-Sanktionen haben keinen Einfluss auf die Geschäfte der EGL, da sie von der Schweiz nicht anerkannt werden.» Zudem ist die EGL - dies im Gegensatz etwa zu UBS oder CS - laut Frei nicht in den USA tätig. Darum bestehe heute «kein Anlass», den Vertrag ruhen zu lassen.
Frei betont aber auch: «Sollten die internationale Staatengemeinschaft und die Schweiz Energiehandelsgeschäfte sanktionieren, würde sich diese Position ändern.» Und sollten zusätzliche Bestimmungen über Finanztransaktionen erlassen werden, die den Kapitalverkehr in Euro stark einschänken, hätte das bereits jetzt einen Einfluss auf den Gasvertrag.