Herr Zümpel, der Verkauf von Kuoni Schweiz hat für Schlagzeilen gesorgt und das Image des Traditionshauses angekratzt. Welche Herausforderungen kommen auf Sie zu?
Insgesamt war das Wirtschaftsjahr in der Schweiz ein schwieriges. Auch die Digitalisierung spielt eine wichtige Rolle, das ist bei Kuoni nicht anders. Dazu gab und gibt es bei Kuoni eine besondere Herausforderung: die Integration in eine neue Mutter, die deutsche Rewe-Gruppe.

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Der Verkauf lässt Spekulationen zu, dass es das Unternehmen Kuoni, wie es die Schweizer kennen, vielleicht bald nicht mehr gibt?
Ja, dieses Unternehmen ist verkauft worden. Aber es ist an einen strategischen Investor und keinen Finanzinvestor gegangen. Die Rewe-Gruppe repräsentiert einen Umsatz von rund 60 Milliarden Euro und beschäftigt über 360’000 Mitarbeiter. Die Touristik-Sparte der Rewe, DER Touristik, weist einen Umsatz von gut 7 Milliarden Euro aus und beschäftigt über 10’000 Mitarbeiter. Wir sind sehr froh, dass wir an so eine grosse und starke Mutter gelangt sind. Ich vergleiche das mal mit der Swiss, die eine Tochtergesellschaft von Lufthansa wurde. Wir haben nun die Aufgabe, uns hier als Schweizer Traditionsunternehmen wieder am Markt zu bewähren. Dabei müssen wir nicht innerhalb der erste drei Monate Ergebnisse abliefern, sondern haben Zeit. Dazu ist es meine Aufgabe, den Mitarbeitern deutlich zu sagen, dass wir ein Schweizer Traditionsunternehmen bleiben.

Die Integration ist also eine grosse Chance?
Ja, und wir sind auf gutem Weg. Wir sind noch nicht auf der Zielgeraden, aber in einem 400-Meter-Rennen sind wir in der Zielkurve. Wir werden den Markt wieder mit allen Kräften bearbeiten. Wir wollen wieder zu einem marktführenden Unternehmen mit der stärksten Reisemarke werden. Dabei sind wir nicht der Handlanger der Rewe-Gruppe, das ist auch nicht das Ziel. Die Rewe ist genossenschaftlich organisiert und lässt Kuoni freie Hand.

Die Stimmung bei Kuoni ist schlecht. Woran liegt das?
Die Stimmung war schlecht, da gibt es auch nichts zu beschönigen. Was dem Unternehmen gefehlt hat, ist die klare Perspektive. Flurgerüchte, wie sie immer aufkommen, haben das Schlechte hervorgehoben und das Positive oft ungehört gelassen. Dem ist nun entgegenzuwirken.

Wie schwören Sie Ihre Mitarbeitenden auf die neue Zeit ein?
Wir haben die Talsohle mit dem Unternehmen durchschritten. Wir haben das Gröbste hinter uns. Wir halten regelmässig Kadermeetings, wir kommunizieren, wir sind transparent und offen. Ich lade alle zwei Wochen in mein Büro zum Frühstücken ein und höre den Mitarbeitenden zu. Ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg, und ich bin überzeugt, dass die Stimmung besser geworden ist.

Kuoni Schweiz erlitt im letzten Jahr einen zweistelligen Umsatzeinbruch. Wie geht es weiter?
Wir haben eine starke Mutter, die uns die Handlungsfreiheit am Schweizer Standort lässt. Die Rewe-Gruppe hat gesagt, dass sie uns Zeit gibt, die richtigen Dinge zu tun, damit wir nicht überstürzt handeln müssen. Diese Zeit ist aber begrenzt. Kuoni Schweiz hat über drei Jahre Umsatzeinbussen erlitten, doch heute haben wir die Umsatzeinbussen gestoppt und befinden uns am Beginn eines Wachstumspfades.

Wann wollen Sie mit Kuoni Schweiz wieder schwarze Zahlen schreiben?
Wir wollen nicht, wir müssen. Aktuell legen wir leicht im Umsatz zu. Dazu haben wir eine Dreijahresplanung: Für 2016 haben wir das geplante Ergebnis geliefert, 2017 arbeiten wir an einer sehr deutlichen Ergebnisverbesserung, und für 2018 ist es das klare Ziel, dass dieses Unternehmen wieder Gewinn macht. Das halte ich durchaus für realistisch.

Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie aus?
Es ist eine Zwei-Stufen-Strategie. Erst werden wir uns im Reisebürovertrieb die verlorenen Marktanteile wieder zurückholen. Dann fragen wir uns: Kuoni ist jetzt 110 Jahre alt, wo stehen wir mit 125 Jahren? Es geht nicht alleine darum, die Marktanteile zurückzuholen. Die strategische Aufgabe ist es, mit den Instrumenten, der Digitalisierung und mit der Veränderung der Kundenströme richtig umzugehen. Wir wären schlecht beraten, wenn wir glaubten, Wachstum und ein offensiver Wettbewerb reichten längerfristig aus. Das wird es nicht. Wir müssen das Unternehmen erfolgreich in die Digitalisierung führen.

Wie gross ist die Konkurrenz von Buchungsplattformen wie Ebookers oder Bewertungsportalen wie TripAdvisor?
Das sind ganz starke Konkurrenten. Vor allem TripAdvisor und auch HolidayCheck haben einen grossen Vorteil gegenüber anderen Anbietern, die Google viel Geld zahlen, um in der Suchfunktion ganz oben zu stehen. TripAdvisor muss das nicht, die Leute gehen nicht über Google, sondern direkt auf die Website. Und TripAdvisor verkauft dann auch Reisen. Es ist ein harter Wettbewerb, aber es gibt auch Synergieeffekte. Denn ein Reisebüro muss mindestens so gut informiert sein wie sein Kunde. Denn wenn ein Reisebüro einem Kunden ein Hotel empfiehlt, das bei TripAdvisor schlecht bewertet ist, wäre das schlecht. Unsere Mitarbeiter müssen wissen, was auf diesen Portalen steht. TripAdvisor lebt von den Kundenbewertungen, hat aber den Nachteil, dass es das Verkaufserlebnis nicht darstellen kann. Dieses Erlebnis bieten wir in unseren Reisebüros. Aber wir müssen auf dem neusten Stand bleiben, denn über 90 Prozent unserer Kunden kommen mit einer Internetrecherche ins Reisebüro.

Und wenn es um Pauschalreisen geht, buchen über 60 Prozent der Kunden bereits im Internet. Wird man längerfristig Reisebüros schliessen?
Wir wollen das Netz der 85 Reisebüros erhalten. Das heisst aber auch, dass es immer wieder zu Schliessungen, Verlegungen und Neueröffnungen kommen wird. Das hängt immer von Verkehrsströmen oder Mietkonditionen ab. Damals, als die ersten elektrischen Haarschneidemaschinen auf den Markt kamen, hat man auch den Friseur totgesagt. Aber Zeitersparnis und Erlebnis bietet einem eben nur der Coiffeur. Mit dem Reisebüro wird das nicht anders sein.

Ist es eine Option, Kuoni namentlich in DER Touristik zu integrieren?
Wir haben uns die Markenrechte an Kuoni für die nächsten 50 Jahre gesichert. Denn einer unserer Erfolgsfaktoren ist die Marke. Wenn ich heute keine Marke habe, kann ich nur über den Preis verkaufen. Kuoni ist die stärkste Marke, die es auf dem Schweizer Reisemarkt gibt, europaweit ist sie anerkannt, auch wenn sie ein bisschen gelitten hat. Es wäre also eine krasse Fehlentscheidung, wenn man nicht genau auf diese Stärke setzte. Es ist unser Anspruch, sie wieder dorthin zu bringen, wo sie vor zehn Jahren einmal war.

Sie kommen aus Deutschland. Wie gut kennen Sie den Schweizer Reisemarkt?
Ich bin kein neu geborenes Kind. Ich habe vier Jahre in Wien gearbeitet und – das darf ich sagen – sehr erfolgreich. Ich bin in die Schweiz gekommen und habe festgestellt, dass es ganz anders ist als das Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland. Die Schweiz ist nochmals ganz anders als Deutschland. Das anzuerkennen und mich hier einzugliedern, macht mir grossen Spass. Ich war schon in der ganzen Schweiz unterwegs und habe eine unglaubliche Vielfalt festgestellt. Für mich ist es eine persönliche Herausforderung, mich hier die nächsten Jahre selber einzubringen.

Wo liegen die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem Schweizer Reisemarkt?
Es gibt riesige Unterschiede. In der Schweiz ist das Badereisen-Paket-Geschäft schon lange nicht mehr von der gleichen Bedeutung wie in Deutschland. Zudem brauchen wir in der Schweiz höherwertige Zimmerkategorien. Der deutsche Gast ist in einem grossen Hotel eher mit einem Standardzimmer zufrieden, während der Schweizer sich in einem kleinen Hotel eher eine Juniorsuite wünscht. Ausserdem ist es für mich interessant zu sehen, dass es Schweizer gibt, die nur Französisch oder Italienisch sprechen. Die Vielsprachigkeit ist eine Herausforderung.

*Seit November 2016 ist Dieter Zümpel (59) der neue Mann an der Spitze von Kuoni Schweiz. Der Deutsche wechselte 1996 von Tchibo in die Reisebranche. Bei TUI Deutschland ist er Vertriebsdirektor und später Geschäftsleitungsmitglied. Zwischenzeitlich verantwortet er zudem die Reisesparte von Karstadt-Quelle. 2007 kehrte er als Geschäftsleitungsmitglied von Magic Life zu TUI in Wien zurück und leitete danach den Fremdvertrieb von TUI Deutschland. 2012 wechselte er zu Alltours als Geschäftsführer Vertrieb & Marketing. Dieter Zümpel ist verheiratet und Vater eines Sohnes.

 

Sehen Sie in der Bildergalerie, das Machtnetz von Kuoni-Präsident Ulf Berg: