Swiss Re steht kurz vor dem Eintritt in ein neues Geschäftfeld: Als erster Rückversicherungskonzern überhaupt führt sie Absicherungslösungen zur Verminderung der Risiken ein, mit denen Unternehmen, Banken oder Investoren beim Handel mit CO2-Zertifikaten konfrontiert werden können. «Unser Ansatz ist pragmatisch», sagt Wolfgang Ortloff, Experte bei Swiss Re für Emissionshandel, der «HandelsZeitung». «Wir schaffen Sicherheiten, die ein solcher Markt braucht, um sich zu entwickeln.» Der Handel mit CO2-Zertifikaten oder so genannten «Carbon Credits» (CERs) ist ein weltweites, «extrem dynamisches Geschäft geworden», wie Renat Heuberger sagt. Er ist Geschäftsführer der Stiftung Myclimate, eines Anbieters zur Kompensation von Treibhausgasen.

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Spielfeld für Versicherer

«Wir treffen mit unseren Projekten auf zahlreiche riskante Hürden, die genommen werden müssen, bis schliesslich die geschaffenen CERs verkauft werden können», sagt er. Projektiert Myclimate beispielsweise in Indien ein Biomasse-Kraftwerk, müssen Vorinvestitionen getätigt werden. Der Bau kann aber in der Registrierungsphase oder durch behördliche Willkür verzögert werden, oder er kann ganz scheitern. Ein riesiges Spielfeld für Versicherer, wie Heuberger sagt. «Die Frage, die sich allen Marktteilnehmern stellt, ist: Wird dieses Projekt auch CERs liefern?», sagt Ortloff. Denn: Das Kyoto-Protokoll ist völkerrechtlich bindend und seine Einhaltung wird ab 2008 kontrolliert. Hohe Strafen muss zahlen, wer die Emissionsreduktion bis 2012 nicht schafft. Der Emissionshandel ist, seit die EU im Februar 2005 ihre eigenen CO2-Zertifikate herausgab, explodiert. Der Preis für einen CER oder eine Tonne CO2 hat sich auf derzeit rund 21,50 Euro mehr als verdoppelt.

In der ersten Phase bis Ende 2007 werden rund 2,1 Mrd Zertifikate gehandelt. Das zweite CO2-Währungssystem des Kyoto-Protokolls hat aus bislang 50 CDM-Projekten (Clean Development Mechanism) 125 Mio Zertifikate geschaffen. Bis 2012 könnten es mindestens 5 Mrd Zertifikate bei einem zurzeit stark variierenden Preis zwischen 5 und 10 Euro werden, so die vorläufigen Schätzungen. «Es ist ein neuer Milliardenmarkt mit, je nach politischer Entwicklung, enormem Zukunftspotenzial», so Heuberger.

Bald erste Policen zeichnen

Um den Klimawandel wenigstens zu stabilisieren, müssten viel höhere Emissionsreduktionsziele gesteckt werden als im Kyoto-Protokoll, was dem Emissionshandelmarkt zu viel mehr Volumen verhelfen würde. Swiss Re hält sich bedeckt über Prämienziele aus dem neuen Geschäft. Mit den ersten Abschlüssen werde sehr bald gerechnet, sagt Ortloff lediglich.

Schon heute ist klar, dass Ende 2007 rund 250 Mio EU-Zertifikate zum aktuellen Wert von rund 5,3 Mrd Euro dem Markt fehlen werden. Diese Menge muss durch CDM-Projekte geschaffen werden, «und dieses Volumen ist für uns interessant», so der Emissionshandel-Experte. Der deutsche Energiekonzern RWE beispielsweise muss bereits Ende dieses Jahr rund 16 Mio Tonnen zu viel ausgestossenes CO2 aus CDM-Projekten decken. Ob er die CERs auch bekommt, steht auf einem anderen Blatt.