BILANZ: Herr Wälti, wie würden Sie einem Chinesen die Landi erklären?

Heinz Wälti: In unseren mehr als 280 Läden führen wir ein bäuerlich geprägtes Sortiment mit den Grundpfeilern Tiernahrung und Gartenbedarf sowie Getränke. Das Sortiment besteht aus Markenartikeln und Eigenmarken. Stark sind wir insbesondere bei Tierfutter, Zaun- und Stallmaterial, bei Gummistiefeln und Rasenmähern – und neu auch bei Motorrollern.

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Die grösste Gemischtwarenhandlung der Schweiz.

Mit dieser Aussage habe ich kein Problem – wenn Sie ergänzen können: die wohldurchdachteste Gemischtwarenhandlung der Schweiz. Genau so hat es mir mal ein katholischer Bischof gesagt. Wobei ich entgegnete: Die Bibel führen wir nicht. Bücher laufen bei uns überhaupt nicht.

Landi-Läden liegen in Orten wie Hegnau ZH, Dussnang TG, Schüpfheim-Flühli LU oder Saignelégier JU. Sie machen Ihr Geschäft in bäuerlichen Gegenden, obwohl es immer weniger Bauern gibt.

Die Bauern machen heute noch sieben Prozent unserer Kunden aus; das hauptsächliche Geschäft machen wir mit Städtern und Agglomerationsbewohnern. Doch das ländliche Erbe ist intakt. Viele unserer Angestellten haben einen bäuerlichen Hintergrund, Leute, die noch wissen, was arbeiten heisst. Sie geben den Kunden Tipps, zum Beispiel im Umgang mit Pflanzen. So etwas ist unbezahlbar. Das Renommée der Bauern in der Schweiz ist immer noch hervorragend, und mit unserer bäuerlichen Prägung gewinnen wir auch die Städter als Kunden. So einfach ist das.

Sie haben die Landi-Läden 1988 mit einem Umsatz von 23 Millionen Franken übernommen und diesen bis heute verfünfzigfacht. Wie haben Sie das geschafft?

Das Erstaunliche ist: Wo immer wir eröffnen, kommen die Kunden sofort – auch in einem Laden wie jenem in Landquart, der völlig im Klee liegt. Unser stetiges Umsatzwachstum rührt auch daher, dass wir jährlich stabil mit einem Kundenwachstum von bis zu sechs Prozent rechnen können.

Woher kommt das gewaltige Umsatzwachstum?

Wir sind mit vergleichsweise breitem, aber flachem Sortiment am Markt, mit Artikeln, die gemeinhin als uninteressant gelten, uns aber grosse Volumen bringen. Wir verkaufen über eine Million Holzpfähle im Jahr, weit über 500 000 Garten-Betonplatten, sind die grössten Händler für Holzkohle. Etwas tiefer gehen wir bei den Gummistiefeln, wo wir ebenfalls Marktleader sind. Das reicht vom 9.95-Franken-Einsteigermodell bis zu Gummistiefeln für 130 Franken, wie sie für Profi-Bauern und Tierärzte interessant sind. Durch unsere grossen Volumen können wir gute Dauertiefpreise anbieten; beim Gummistiefel-Leadermodell liegen wir preislich 30 Prozent unter der Konkurrenz. Beim Tierfutter wachsen wir jährlich um acht Prozent. Was ich dabei erstaunlich finde: Die Hunde werden immer kleiner, aber sie fressen wohl immer mehr. Wir sind, wie wir selber sagen, «angenehm anders» und fliegen in vielerlei Hinsicht unter dem Radar der Konkurrenz. Wir pflegen ein relativ flaches Sortiment und probieren links und rechts davon neue Sachen aus.

Ihr Sortiment hat krude Züge. Neben Garten-Kleingerät aus Mexiko und Rasenmähern aus China findet sich Bier aus der Region – gleich neben dem Caipirinha-Mischgetränk Sambatuk aus Brasilien.

Landi ist grundsätzlich Swissness pur. Allerdings kommen wir gerade im Geräte- und im Textilbereich nicht um ausländische Lieferanten herum. Wir kaufen zunehmend weniger aus China ein, dafür holt beispielsweise Mexiko stark auf. Weil ich gerne etwas mehr ausländische Kundschaft im Laden haben möchte, wage ich hin und wieder ein Experiment, wie etwa mit dem Fertig-Caipirinha. Immerhin gibt es rund 60 000 Brasilianer in der Schweiz. Aber Sambatuk lief nicht. Ein Flop, der wieder aus dem Sortiment geht.

Sind Sie ein Rural Discounter?

Blöder Mist. Bei uns gibt es keine Rabatte und keine Aktionen. Wir bieten Dauertiefpreise an, persönlichen Service und fünf Jahre Garantie auf die gekauften Artikel, was sonst keiner macht.

Die Grossverteiler ködern die Kunden mit Loyalitätssystemen wie Cumulus oder Supercard. Warum tun Sie das nicht?

Das Prozent, das dem Kunden geschenkt wird, muss anderswo wieder hereingeholt werden. Natürlich ist es clever, wenn man als Händler mit solchen Systemen sofort alles über das Kaufverhalten seiner Kunden weiss. Aber ich weiss zwei Monate später auch, wie gut Saatgut, Gummistiefel und Gartenzwerge gelaufen sind. Wer was kauft, geht uns im Grunde genommen nichts an.

Städter pflanzen zu Hause Gemüse an, lesen die «Schweizer LandLiebe» und suchen nach regionalen Spezialitäten. Woher dieser plötzliche Hang zur Scholle?

Es gibt auch eine imposante Schrebergartenbewegung, von der wir profitieren. Und in São Paulo sind mir Wohnungsmieter aufgefallen, die auf ihren Balkonen Kräuter züchten. Aber den Auslöser dafür erkenne ich nicht.

Weil die Globalisierung als Gleichmacherei wahrgenommen wird und den Wunsch nach Individualität weckt?

Ich bin da eher einfach gestrickt und suche nicht gross nach Erklärungen. Selber gärtnern ist nicht so schwierig, es macht Spass – und bringt uns Umsatz.

Derweil die Konkurrenz punkto Online-Shopping Gas gibt, passiert bei Ihnen nichts. Was der Bauer nicht kennt, shoppt er nicht?

Im Online-Geschäft ist ein grosser Hype drin. Nehmen Sie den hochgejubelten Shop von Zalando. Die Leute bestellen vier Paar Schuhe und schicken fünf Paar zurück. Logisch, dass das nicht rentieren kann.

Landi war selber einmal unter der Adresse Landishop.ch aktiv – das wurde aber wieder stillgelegt. Weshalb?

Wir hatten einmal ein Angebot, es war allerdings zu schwachbrüstig. Mal waren die Lieferungen kostenpflichtig, mal nicht – es war zu wenig durchdacht und brachte zu wenig Umsatz. Man müsste schon relativ schnell auf 70 Millionen Franken Umsatz kommen, damit sich ein Online-Angebot in der Schweiz halbwegs lohnt. Also pflegten wir es nicht mehr weiter. Ich habe Respekt vor dem Thema. Was nicht heisst, dass wir nie mehr etwas machen.

Was planen Sie?

Ich glaube, dass punkto Ersatzmaterial etwas möglich wäre. Heute dauert beispielsweise eine Rasenmäher-Reparatur bei uns fünf Tage. Vielleicht könnte man diese Frist mit einem schlauen Online-Angebot auf drei Tage herunterbringen. Man müsste dafür ungefähr 80 Leute anstellen, an einem zentralen Ort. Wir denken darüber intensiv nach. In etwa eineinhalb Jahren werden wir etwas anbieten können.

Das wäre dann etwa zum Zeitpunkt Ihrer Pensionierung. Wie haben Sie es geschafft, 25 Jahre auf diesem Stuhl zu bleiben?

Mein Arbeitgeber ist die Fenaco. Die Chefs der bäuerlichen Genossenschaft sind nicht nur kunden-, sondern auch mitarbeiterorientiert, also keine «Skalpierer». Auf diesem Posten zahlen sich Engagement und Hartnäckigkeit aus.

Wie bleibt man so lange Chef?

Ich denke, es ist mir nicht schlecht gelungen, ein gewisses inneres Feuer aufrechtzuerhalten.

Trotzdem: Ein 35-jähriger Jungspund, cleverer Uni-Abgänger, gestählt durch Einsätze bei Walmart oder Carrefour, könnte den Job möglicherweise ebenso gut machen wie Sie.

Ich zahle Ihnen 150 000 Franken, wenn Sie mir einen solchen Star bringen. Es gibt sie fast nicht. Auch deshalb bin ich immer gut beraten gewesen, Nachfolger aus den eigenen Reihen aufzubauen und auch Fachkräfte aus der Generation Ü50 einzustellen.

Dabei hört man momentan, wie sehr solche Leute von den Unternehmen ausgemustert werden.

Nicht bei uns! Ich stelle ebenso gerne Menschen über 50 ein und habe damit meistens gute Erfahrungen gemacht. Das sind Personen, die enorm viel Erfahrung mitbringen, loyal zum Arbeitgeber sind und nicht beim erstbesten Angebot abspringen.

Weil sie gar keine Angebote mehr erhalten.

Mag sein. Ihr Wissen und ihre Freude an der Arbeit sind allerdings sehr viel wert. In unserem Rechnungswesen und unserer IT haben wir einige solcher Leute, auf deren Wissen und Erfahrung wir Gewicht legen.

Was raten Sie einem stellensuchenden Manager über 50?

Eine Outplacement-Agentur aufzusuchen, die langjährigen Beziehungen zu nutzen und möglicherweise die Lohnvorstellungen zu revidieren.

Und wenn bisher nur Absagen oder nie Antworten auf die Bewerbungen gekommen sind?

Dann halt die Ärmel hochkrempeln und selbst anfangen. Mein «Notfalltraum» war immer, irgendwo einen Gemüsestand zu eröffnen, das ist für mich Handel pur.

Was war Ihr grösster Fehler in den letzten 25 Jahren?

Es gab einige. Wichtiger aber ist, dass ich 50 Prozent nicht falsch gemacht habe.

Der grösste Flop?

Der geschah gleich am Anfang. Vor mittlerweile 23 Jahren hatte ich die Idee, ins Servicegeschäft einzusteigen. Wir schafften über hundert Schuhreparaturmaschinen an, die bei unseren Kunden aber überhaupt nicht ankamen. Ein teurer Flop. Möglicherweise waren auch nicht immer alle Personalentscheide richtig. Es genügt eben nicht, die richtige Person anzustellen. Sie muss auch am richtigen Ort tätig sein. Deshalb wurde meine Nachfolge, die Ende 2014 über die Bühne geht, schon vor zwei Jahren angegangen. Ich bin zwar angezählt, aber immer noch voll im Saft.

Auch nach Ihrem Rücktritt als Landi-Chef bleiben Sie CEO der Intercoop House & Garden, einer internationalen Einkaufsgemeinschaft. Was machen Sie dort genau?

Wir machen das, was Einkaufsgemeinschaften meist machen – einfach ein bisschen differenzierter: grosse Volumen direkt beim Erzeuger einkaufen, damit Margen ausschalten und gute Preise für unsere Kunden erzielen. Und wir machen es so, wie ich es mit der Landi mache: Ich hänge es nicht an die grosse Glocke.

Der Chef seit 1988: Heinz Wälti (60) ist seit 25 Jahren Vorsitzender der Geschäftsleitung der Landi Schweiz. Gleich wie das Dorfladenkonzept Volg gehört auch die Landi zu Fenaco, dem genossenschaftlich organisierten Schweizer Landwirtschaftskonzern, der 2012 einen Umsatz von 5,7 Milliarden Franken erzielte. KV-Lehrling Wälti absolvierte die HWV, leitete danach die Waro-Einkaufscenter und kam 1988 zur Landi Schweiz, die heute rund 400 Angestellte hat. Wälti ist verheiratet und Vater zweier Töchter.

Andreas Güntert
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