Als Landis+Gyr (L+G) vor eineinhalb Jahren in Zürich wieder als selbstständiges Unternehmen an die Börse ging, war er der Held: Richard Mora, seit 19 Jahren beim Zuger Konzern, nun als Chef. Endlich war die Ära zu Ende, in welcher die Traditionsfirma identitätslos als Tauschobjekt zwischen Finanzinvestoren und asiatischen Konzernen herumgereicht wurde.
Mora versprach den Anlegern eine Erfolgsgeschichte. Der Cashflow würde in Zukunft wachsen, sagte er, das Unternehmen wäre wertvoller als der US-Konkurrent Itron. Moras Botschaft lautete: Der Börsengang sei «der nächste aufregende Schritt» in der Entwicklung von Landis+Gyr. Die Anleger kauften die Aktie in Massen.
Für Aufregung ist zurzeit tatsächlich gesorgt, aber nicht in seinem Sinne. Kaum eine Schweizer Aktie wird stärker geshortet als Landis, Anleger wetten auf fallende Kurse. Inzwischen ist Konkurrent Itron 20 Prozent mehr wert. Das Vertrauen in das Management leidet wie der Aktienkurs. Jetzt distanziert sich mit Morgan Stanley auch jene Bank, die den Börsengang organisierte, und empfiehlt, die Aktie zu meiden. «Die Führung von Landis beleuchtet oft nur die guten Entwicklungen und übergeht die schlechten», fasst ein Investor seinen Vorbehalt gegenüber der L+G-Führung zusammen.
Festhalten an Prognose
Beispielhaft war die Info des Managements, wonach der Auftragseingang im letzten Halbjahr um 10 Prozent gestiegen sei. Das stimmt zwar. Gleichzeitig aber sank der totale Auftragsbestand um 3 Prozent. Doch diese Zahl stand in keiner Medienmitteilung und ist nur im Dschungel des Halbjahresberichts zu finden. Dem Vorwurf der Schönfärberei widerspricht der Konzern: «Wir wollen nichts schönreden. Natürlich gibt es im Alltagsgeschäft manchmal Schwierigkeiten. So machen uns zum Beispiel die weltweiten Lieferengpässe für Komponenten zu schaffen», sagt ein Sprecher. «Das wird auch im Jahr 2019 anhalten. Aber das spürt unsere Konkurrenz genauso.»
Landis+Gyr verkauft sowohl intelligente Stromzähler wie dazugehörige Software und Dienstleistungen. Ein One-Stop-Shop will der Marktführer sein, wie die Konkurrenz auch. Aktuell kämpft die Branche neben den Lieferschwierigkeiten auch mit Regulatoren. Gerade in Europa verzögert sich in einigen Ländern das breite Ausrollen von Geräten der neusten Generation.
Die wichtige Kennzahl
Trotzdem gibt sich Landis+Gyr optimistisch: «Wir sind wirklich auf Kurs», sagt der Sprecher. Jetzt begännen zum Beispiel einige der Kunden, ihre Smart Meters in einer zweiten Welle aufzurüsten. Gerade diese Woche meldete der Konzern, in den USA langlaufende Service-Verträge abgeschlossen zu haben. «Wir halten an unseren Prognosen zum Cashflow fest», heisst es apodiktisch.
Die Kennzahl zur Liquidität ist aktuell eine wichtige Grösse bei Landis+Gyr. Das Team um Mora hat beim Börsengang in Aussicht gestellt, künftig mindestens 60 Prozent des Cashflows als Dividende auszuschütten. L+G wurde damit über Nacht zu einer Dividendenperle. Das war einer der Pfeiler für den Erfolg des Börsengangs. Es wäre für alle ernüchternd, nähme der Cashflow bereits im zweiten Jahr ab.
Der Wunsch der Kunden
Erste Analysten haben zuletzt allerdings begonnen, Fragen zu stellen. Zum Beispiel, ob der ausgewiesene Cashflow nachhaltig und nicht nur dank Einmal-Effekten zustande komme. So berichtete die «Finanz und Wirtschaft» im Herbst, dass in den USA Kunden anfingen, bisher von L+G geleaste Stromzähler vollständig zu übernehmen. Der bezahlte Preis für die Geräte floss direkt in den Cashflow, da die Geräte bei L+G bereits abgeschrieben waren. In den letzten Monaten soll es offenbar zu weiteren solchen Verkäufen gekommen sein, heisst es im Markt.
Der Konzern weist jede Einflussnahme auf die Kennzahl ab: «Wenn solche Transaktionen stattfinden, dann auf Wunsch des Kunden und nicht aus einem anderen Grund», teilt L+G mit. Selten komme es vor, dass man Mess- oder Netzwerkgeräte an einen Servicekunden verkaufe, je nachdem, ob dieser die Anlagen besitzen möchte oder nicht.
Mehr Gespräche mit Investoren
Auch bei anderen Positionen in der kürzlichen Halbjahresbilanz widerspricht der Konzern Mutmassungen, alles Erdenkliche zu unternehmen, um kurzfristig gute Kennzahlen zu liefern. Für Erstaunen hatten etwa Einsparungen im US-Geschäft in Millionenhöhe gesorgt. So sanken die Kosten für übergeordnete Dienste wie Administration, Personal und Marketing im letzten Halbjahr um 7 Prozent, die Marge profitierte davon substanziell. Niemand hatte das erwartet, zumal es für die USA keine entsprechende Ankündigung gab. Auch hier hält der Konzern dagegen: «Wir haben die Kosten auch ohne angekündigtes Sparprogramm deutlich senken können. Wir verbessern unsere Kostenbasis kontinuierlich.»
Wer Recht hat – die Shorter oder das Management – wird sich spätestens bei der Präsentation der nächsten Geschäftszahlen im Frühling zeigen. In der Zwischenzeit wollen sich Mora und sein Team stärker erklären. Roadshow folgt nun auf Roadshow – wie auch letzte Woche wieder.