Am 19. Juni sollte die Kantopop-Sängerin Denise Ho in Hongkong für Lancôme auftreten. Doch die Franzosen haben das Konzert abgesagt. Offiziell aus «Sicherheitsgründen», wie Lancôme auf Facebook schrieb. Der tatsächliche Grund dürfte aber ein anderer sein. Ho ist eine bekannte «Occupy Central»-Aktivistin und wurde im Zuge der Anti-China-Proteste von 2014 sogar verhaftet.

Seither hat sich die Lage auf Hongkongs Strasse beruhigt. Doch viele Bewohner der Stadt sind mit der chinesischen Politik gegenüber Hongkong weiterhin unzufrieden. Anhänger von «Occupy Central» demonstrierten gegen die Absage des Konzerts und Lancôme-Läden in Hongkong blieben am Mittwoch geschlossen. Im Entscheid sieht die Demokratiebewegung einen «Kotau vor Peking», wie auf Plakaten zu lesen war. Die Aktivisten rufen zum Boykott aller L'Oréal-Marken auf.

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Für den grösseren Markt entschieden

Nachdem die Sängerin letzte Woche den Auftritt angekündigt hatte, war zunächst in Festlandchina ein Proteststurm in den sozialen Medien ausgebrochen. Chinesische Konsumenten riefen zum Boykott der Kosmetikfirma auf. Ob die Reaktion von oben gesteuert oder spontan stattfand, ist umstritten. Für die staatlich kontrollierte Tageszeitung «Global Times» ist indes klar: «Ho hat Lancôme in ein Dilemma gestürzt».

Denn die Sängerin gilt in Festlandchina als Persona non grata. Erst im Mai hatte sie die chinesische Führung mit einem Besuch beim Dalai Lama ein weiteres Mal verärgert. Am Ende haben sich die Franzosen nun für den grösseren Markt entschieden. Der chinesische Kosmetikmarkt erreichte 2015 gut 25 Milliarden Yuan (umgerechnet 3,7 Milliarden Franken). Mit einem Marktanteil von 30 Prozent ist L’Oréal die Nummer 1 im Land.

«Nationale Interessen Chinas respektieren»

Die chinesische Öffentlichkeit habe realisiert, dass sie eine wichtige Konsumentengruppe geworden sei, schreibt die «Global Times». «Wer vom chinesischen Markt profitieren will, muss die nationalen Interessen Chinas respektieren, sowohl in China, als auch im Ausland.» Ein Auftritt der bekannten Regierungsgegnerin gehört offenbar zu den No-Gos.

Die Sängerin zeigte sich «schockiert und traurig» über die Absage. «Als internationale Marke sollte Lancôme grundsätzliche moralische Werte verteidigen und nicht nur ans Geld denken», sagte Ho gegenüber der BBC.

Streit um Pikachu

In den letzten Monaten hat sich der Graben zwischen der Demokratiebewegung in Hongkong und der chinesischen Regierung merklich vertieft. Ehemalige Studentenführer haben eine Partei gegründet, die für die Selbstbestimmung der Metropole kämpft. Immer wieder entzünden sich die Gemüter an der Angst vor einer «Sinisierung» Hongkongs. Gemeint ist damit die kulturelle Angleichung der Stadt an Festlandchina.

Als beispielsweise der japanische Spielekonzern Nintendo ankündigte, die nächsten Pokémon-Spiele nur noch auf Mandarin zu veröffentlichen, sorgte die vermeintliche Umbenennung von Pikachu für Proteste. Für die kantonesischsprachigen Hongkonger wird der neue Name 皮卡丘 nicht mehr Bei-Ka-Ciu ausgesprochen, sondern Bei-Ka-Jau (Mandarin: Pi-Ka-Qiu). Mehr als 6000 Menschen unterschrieben eine Petition gegen den Entscheid.