Er kam aus den Tiefen des Asset Management. Als er zum Konzernleiter gekürt wurde, straften die Investoren den Verwaltungsrat ab, der Aktienkurs gab um mehr als vier Prozent nach. Niemand hatte ihn auf dem Chefsessel erwartet, inzwischen hat er die Aktionäre glücklich gemacht: Peter Wuffli, Chef der Grossbank UBS, ist der wertvollste CEO der Schweiz.

Blass und langweilig, so wird Wuffli gern beschrieben. Ein Zahlenfetischist, ein guter Analytiker dazu, ausgestattet mit dem Charisma eines Kantonalbank-Filialleiters aus dem Bündnerland – kein Visionär der Teppichetage. Aber «langweilig und berechenbar» zu sein, das ist für Peter Wuffli, wenn es um die Entwicklung des Unternehmens geht, «ein Kompliment». Die Anleger, sagt er, mögen das.

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Da hat Wuffli schon Recht – zumindest, solange es aufwärts geht. Dank ihm geht es bei der UBS schon seit einer ganzen Weile aufwärts. Von Ende 1999 bis Ende 2005 hat die UBS fast 79 Milliarden an Wert für die Aktionäre geschaffen, davon sind rund 38 Milliarden über Aktienrückkäufe und Dividenden an die Anteilseigner geflossen.

Damit liegt die UBS an der Spitze des BILANZ-Ratings der Schweizer SMI-Konzerne: Im Schaffen von Unternehmenswert ist Wufflis UBS die Königin und verweist Nestlé, Novartis und Roche auf die Plätze.

Wuffli, der das Wirtschaftshandwerk bei McKinsey lernte, geht mit der technokratischen Unerschrockenheit vor, die einem die Beratungsmaschinerie einimpft: Was muss, das muss, fertig. Emotionen gehören vor das heimische Cheminée, nicht in eine Bank. Wuffli schmeisst das Tagesgeschäft – hier kann er Wachstum organisieren, das Personaltableau effizient orchestrieren, die Kunstmarke UBS stringent ausrichten. Hinter und über ihm wacht Marcel Ospel, der sanfte Strippenzieher mit dem Geschmack für Hemden in aussergewöhnlichen Farben. Ospel hat die Bank auf den Weg gebracht, Wuffli treibt sie an. Der CEO hat den Ertragswert «Current Operations Value», der den Wert der aktuellen Geschäfte und Gewinne angibt, um sagenhafte 122 Milliarden gesteigert, also die Effizienz dramatisch verbessert. Dank Wuffli konnte nicht einmal Ospels Salär die Erträge nennenswert schmälern. Internationale Finanzjournalisten wählten Wuffli 2005 zum «European Banker of the Year».
Zudem hat die UBS unter Wuffli die Markterwartungen weit übertroffen, 23 Milliarden «Mehr-Wert» gegenüber dem, was gemäss Rating an Kapitalrendite für die Bankenbranche zu erwarten war, hat die Grossbank erzielt. Damit stellt Wuffli auch Ospels Leistung weit in den Schatten.

Mehr-Wert, Kapitalrendite, Ertragswert – diese Messgrössen gehören zu einer Form der Firmenanalyse, die auf den «Wert» der Unternehmung abstellt. Schlicht gesagt, geht es darum: Was bekommt der Aktionär für sein Geld, was ist das Unternehmen aktuell wert, und welche Wertsteigerung lässt sich in der Zukunft erwarten? Beobachtet man die Variablen wie in der BILANZ-Analyse über mehrere Jahre, dann lässt sich die Leistung eines CEO gut bewerten, adäquater jedenfalls als nur anhand von Börsenkurs oder Gewinn. Die «Total-Wealth-Analyse» der BILANZ berücksichtigt beides: einerseits Aktienmarkteinschätzungen, andererseits die betriebliche Leistung und Ausschüttungen an die Aktionäre. Mit den Markteinschätzungen akzeptiert das Modell damit auch externe Einflüsse, die das Management nur bedingt beeinflussen kann, die aber als Faktoren auf die Wertschaffung einwirken und damit für den Investor Teil der Realität sind (siehe «Wert und Wachstum» auf Seite 45). Das Rating erstellte die Zürcher Unternehmensberatung Hostettler & Partner für BILANZ. Sie ist spezialisiert auf wertorientierte Unternehmensführung.

Wie gut die UBS dasteht, zeigt ein Vergleich mit der Erzkonkurrentin Credit Suisse. In der Performance trennen beide Banken Welten: Die UBS zieht deutlich mehr Neugeld an, die beiden Säulen Private Banking und Investment Banking sind gut verzahnt und schieben sich, wo immer möglich, gegenseitig Kunden zu. Dagegen ist die CS nach wie vor eine Baustelle. Der Konzern hat eine Reihe von ungelösten Pendenzen, darunter der mögliche Börsengang der «Winterthur» und die Zukunft der Anfang 2007 fusionierenden Privatbanken Clariden und Leu. Auch im Investment Banking liegt die CS hinter der UBS zurück, die sogar in den USA zulegen kann. Das alles drückt sich in den Zahlen aus: Die CS hat zwar an die 14 Milliarden Franken an Wert geschaffen, aber die Erwartungen der Aktionäre nach angemessener Verzinsung um satte 40 Milliarden verfehlt. Die Verantwortung dafür trägt allerdings nicht der aktuelle CEO Grübel (der hat in seiner Amtszeit enormen Wert geschaffen), sondern vor allem sein Vorgänger Lukas Mühlemann.

Grübel, wegen seiner direkten Art und seines Sarkasmus auch der «Assassinator» genannt, ist ein schneller Entscheider und konsequenter Umsetzer. Er kann auch sehr unterhaltsam sein. Dennoch berichten CS-Banker, dass es häufig nach Angstschweiss riecht, wenn Untergebene vor Oberboss Grübel treten müssen.

Der CS-Chef wollte eigentlich Ingenieur werden, noch lieber aber Millionär. Also folgte er dem Rat seines Grossvaters, der wusste, dass Banken «immer Geld haben». Grübel hat weder Beratungserfahrung noch eine MBA-Schule hinter sich: Der Deutsche absolvierte die Ochsentour, begann mit einer Banklehre in Mannheim, ging bald ins Investment Banking und traf dort auf Rainer E. Gut, der dann zu seinem Mentor wurde. Ein überfeinerter Banker ist er schon gar nicht geworden. Es dürfte ihm kaum in den Sinn kommen, sich – wie die beiden UBS-Vormänner – im VR des Zürcher Opernhauses zu engagieren. Grübel mag die Formel 1 und fuhr auch mal einen gelben Ferrari. Immerhin in diesem Punkt hat er sich dem Zürichberg-Einheitslook angepasst: Aktuell sollen Porsche Cayenne und Mercedes in der Garage stehen.

Grübel und Wuffli, das eint die beiden, kennen Rückschläge in der Karriere. Wuffli wurde ins unbedeutende Asset Management nach Chicago verfrachtet, wo er aber eine gute Figur machte. Und vor allem: Im Ringen zwischen Ospel und Luqman Arnold, als es um Gelder für die siechende Swissair ging, musste er sich nicht positionieren. Er war weit genug weg. Als Arnold den Machtkampf verloren hatte und Präsident Ospel nicht mehr selbst CEO werden durfte, schlug Wufflis Stunde. Grübel wurde einst von Mühlemann abserviert, der lieber seinen Intimus Thomas Wellauer zum CEO machte. Nun dreht Grübel die Schrauben zurück: Wellauers Allfinanz-Abenteuer wird mit dem Börsengang der «Winterthur» und dem möglichen IPO der Privatbank-Töchter endgültig begraben.

Dass Wuffli an die Spitze gehört, lässt sich durch mehrere Fakten untermauern. Die UBS hat im untersuchten Zeitraum am meisten Wert geschaffen, und das gilt auch für Wuffli als Person – in seiner CEO-Amtszeit liegt er im Steigern des Firmenwertes sowie beim Übertreffen der Markterwartungen ganz vorne. In Milliarden gemessen.

In Prozenten ausgedrückt, sieht es etwas anders aus. Chefs kleinerer Firmen haben naturgemäss grössere Mühe, in absoluten Zahlen (also Milliarden) einer UBS oder Nestlé das Wasser zu reichen. Andererseits sind solche Tanker schwerer zu bewegen.

Ein Schnellboot wie Nobel Biocare kann verhältnismässig flotter wachsen. Und ein Turnaround-Kandidat wie ABB hat es leichter, hochprozentig zuzulegen.

Und so liegt im reinen CEO-Vergleich ABB-Chef Fred Kindle auf Rang 1. Prozentual hat er, auf Jahresbasis gerechnet, am meisten für die Aktionäre getan. Canepa, in diesem Punkt auf Rang 2, hat dafür die Markterwartungen am deutlichsten geschlagen. Auf Kindle und Canepa folgt Rolf Dörig von der Swiss Life. Aber auch in diesem Ranking sind Grübel und Wuffli vorn dabei – auf den Plätzen 4 und 5.

Nobel Biocare hat seit dem Börsengang weit über fünf Milliarden Franken Wert geschaffen, dabei den eigenen Wert verdreifacht und die Vergleichsgruppe weit hinter sich gelassen. Besonders beeindruckt bei Nobel, dass Gewinne und Wachstumserwartungen Jahr für Jahr im Gleichschritt steigen: «Bei Nobel führen höhere Gewinne nicht zu Verlust an Vertrauen. Vielmehr steigt das Zutrauen der Anleger ins Management», sagt Berater Stephan Hostettler, der an der HSG St. Gallen einen Lehrauftrag für Corporate Governance hat. Bei Kudelski dagegen, ebenfalls ein New-Economy-Wert, liegt die Performance weit hinter den, zugegeben astronomischen Erwartungen zurück. Woher kommt der Unterschied? Vielleicht war 2002 und 2003 der Börsencrash der Technikwerte noch zu präsent – «und das hat die Investoren vorsichtig gemacht», vermutet Hostettler. Sie waren angesichts der hohen Wachstumserwartungen skeptischer.

Genau daran arbeitet Canepa, die Marketingspezialistin. Sie holt ihre Produkte aus der medizinisch-technischen Nische heraus und informiert Patienten in Broschüren und auf Websites, frei von Fachchinesisch, über Implantate. Geschmackvolle Namen («Nobel Smile») und das Versprechen schneller und schmerzfreier Zahnbehandlungen («Teeth in an Hour») – so rollt Canepa den Markt auf. Der Umsatz wächst rasant, im vergangenen Jahr waren es 750 Millionen Franken, davon bleibt fast ein Drittel an Reingewinn hängen. Eine Nestlé träumt von solchen Margen.

Canepa hat die Produktpalette gestrafft, raucht immer noch Kette und versprüht so viel Energie, als ob sie den Fuss nicht mehr vom Gaspedal brächte.

Die Frau am Steuer, Heliane Canepa, zeigt eine deutlich bessere Performance als der Steuermann und Frauenschwarm Ernesto Bertarelli. Nicht, dass Serono im Branchenvergleich stark abfallen würde, aber: Das hilft den Aktionären wenig. Bertarelli hat zwar einige Milliarden an Wert geschaffen, die Markterwartungen aber dennoch deutlich verfehlt. Serono lebte vor allem von einem – dem Prinzip Hoffnung auf kommendes Wachstum.

Nach einem Trauerspiel, dem vergeblichen Buhlen um einen Bräutigam inklusive Anschwellen und Luftablassen des Aktienkurses, will Bertarelli nun selbst auf Akquisitionskurs gehen. Serono hängt am Multiple-Sklerose-Präparat Rebif, das für mehr als die Hälfte des Umsatzes steht und dessen Patentschutz 2009 auszulaufen beginnt. Ansonsten hat Bertarelli bisher wenig gezeigt. Noch am eindrücklichsten ist das Bild eines Alinghi-Chefs, der gekonnt an einer Magnumflasche Moët & Chandon nuckelt.

Dass sich der Lebemann im April, bei der Vorlage der Quartalszahlen, persönlich der Presse gestellt hat, zeigt, wie ernst die Lage ist. Kritische Fragen bügelte Bertarelli jedoch ab, und von Selbstzweifeln ist er schon gar nicht angekränkelt, er sei, nicht nur als Herr einer Segelcrew, «eine sehr erfolgreiche Person». Allerdings nicht so erfolgreich, dass Novartis sein Unternehmen hätte übernehmen wollen.

Im Zweikampf der Pharma-Multis Novartis und Roche steht es am Ende relativ unentschieden. Novartis hat besser mit dem Geld der Anleger gewirtschaftet: CEO Daniel Vasella hat den Ertragswert des Konzerns um mehr als 30 Milliarden Franken gesteigert, und eine ähnlich hohe Summe über Dividenden und Aktienrückkäufe ausgeschüttet. In beiden Punkten fällt Roche deutlich zurück. Dafür hat Roche in der reinen Aktienkursperformance Novartis ausgestochen. Und während der Markt für Novartis nun skeptisch ist, trauen die Anleger Roche weiteres Gewinnwachstum zu: Bei Roche liegt der «Hoffnungswert» FGV, der die Erwartung an künftige Value- Added-Steigerungen angibt, über 20 Milliarden im Plus, bei Novartis im gleichen Umfang im Minus. Alles in allem hat Novartis etwas mehr Wert geschaffen, sieht sich aber nun mehr Skepsis gegenüber. Beide Pillenkonzerne haben die Markterwartungen über den gemessenen Zeitraum hinweg klar verfehlt. Und in der Kapitaleffizienz schneiden beide schlechter ab als die internationale Vergleichsgruppe. Seltsam, dass die Investoren trotzdem den Schweizer Pharmakonzernen mehr Wachstum zutrauen als den Konkurrenten.

Zu Novartis und Konzernchef Daniel Vasella gehört untrennbar das Thema Chefgehälter. Vasella liess noch in der Roche-Generalversammlung 2003 den Konzernchef Franz Humer wegen dessen angeblich überhöhten Gehaltes angreifen. 2005 bezog Humer 15 Millionen Franken, Vasella laut Anlagestiftung Ethos das Doppelte. Vasella dürfte zudem unter allen Schweizer Topmanagern in Führung liegen bei der Anzahl der Titelseiten, auf denen sein Porträtfoto prangte. Vielleicht mit Ausnahme von Joe Ackermann.

Die Novartis-Fusion hat Vasella höchst erfolgreich gemanagt. In kürzester Zeit packte er Ciba und Sandoz zusammen. Nach einem guten Vierteljahr hatte Vasella bereits die grössten Teile des operativen Geschäfts zusammengelegt, die künftigen Manager ausgesucht und derart straffe Zügel angelegt, dass den Zwangsvereinigten keine Zeit blieb, sich in Grabenkämpfe zu verbeissen. Vasella widerstand auch der Versuchung, dem neuen Gebilde schlicht die Architektur der erfolgreicheren Sandoz, aus der er selbst stammte, aufzuzwingen. Er hielt es für entscheidend, dass man «eine grundlegend neue Identität definiert».

Franz Humer hatte es ein bisschen einfacher. Der joviale Österreicher, verbindlich im Ton, in der Sache knallhart, kann es gut mit den Familienaktionären. Er schwimmt auf einer Erfolgswelle, die mit seinem Vorgänger Fritz Gerber und dessen Kassenwart Henri B. Meier einsetzte: Roche lebt vor allem von den Krebsmedikamenten, welche die Tochter Genentech entwickelt. Diese Befruchtung durch die Biotech-Tochter wurde vor Humers Zeit eingestielt. Seit er eine Zürcher Goldschmiedin geheiratet hat und immer mehr Zeit an der Goldküste verbringt, hält sich bei Humer die berufliche Freude mit der privaten die Waage.

Die Performance von Humer und Vasella direkt zu vergleichen, wäre übrigens nicht ganz fair, da beide schon vor Beginn des Analysezeitraums im Amt waren. Die grösseren Wachstumserwartungen sprechen derzeit allerdings eher für Humers Roche denn für Vasellas Novartis.

Vielleicht ein Trost für Vasella – der Spin-off macht es noch viel schlechter. Ciba Spezialitätenchemie kommt nicht von der Stelle. Ein Turnaround rückt in immer weitere Ferne, und seit Jahresbeginn hat die Aktie zweistellig an Wert verloren. CEO Armin Meyer, ein Generalstabsoberst a.D., der angeblich gern in zackigen Imperativen kommuniziert (Tu es sofort!), hat Probleme bei den Margen, den Kosten und der Strategie. Die operative Marge liegt im Branchenvergleich tief, bei Ciba fällt sie ausserdem, während Konkurrent Clariant die Marge verbessern kann. Die Einkaufspreise für Rohstoffe sind bei Ciba stärker gestiegen, und schliesslich hat Clariant die bessere Strategie. CEO Jan Secher und Vorgänger Roland Lösser, kürzlich auf den Präsidentenstuhl gewechselt, setzen auf ganzheitliche Lösungen, auf Dienstleistungen beim Kunden, zudem sind sie technologisch innovativer. Ciba dagegen fährt gleich zwei Programme zur Restrukturierung und hat zahlreiche Produkte, die bereits den Charakter von Massenware haben – und das können asiatische Konkurrenten oft billiger.
Ciba hat dafür gerade von der Ratingagentur Moody’s eine Herabstufung erfahren. Dass Armin Meyer auf Auslandsreisen gern in kugelsicherer Limousine inklusive Bodyguards vorfährt und Business Jets den Linienflügen vorzieht, wie die Wochenzeitung «Cash» süffisant berichtete, wirkt sich ebenfalls nicht hilfreich auf seine Sympathiewerte aus. Dank einem denkbar schwachen Verwaltungsrat, dem Meyer als Präsident auch noch vorsteht, kann er sich im Amt halten.

Bei ABB räumt nun einer auf, den viel mit dem Vorzeige-CEO Peter Wuffli verbindet: Fred Kindle. Zum Beispiel die Beraterschule. «McKindle» nannten sie ihn bei Sulzer, wo er als Sanierer wirkte. Komplizierteste Dinge könne er «in kürzester Zeit aufs Wesentliche reduzieren», sagt ein früherer Weggefährte, er ist pragmatisch, stocknüchtern und gilt als «bis zum Beleidigenden direkt» in Sachäusserungen. Und als risikoscheu. «Ein Manager ist dazu angestellt, Sicherheit zu erzeugen», sagt Kindle. Ein genussfeindlicher Langweiler ist Kindle dennoch nicht: Sobald er sich in einem Gespräch wohl fühlt, kann er differenziert über die Vorzüge des Mercedes-Cabrio- und Harley-Fahrens parlieren.

Auch Kindle hat, wie Wuffli, einen mächtigen VR-Präsidenten über sich, dessen strategische Weichenstellungen im Wesentlichen Bestand haben und denen er folgen kann: Jürgen Dormann. Kindle informiert Dormann ausgiebig über den Stand der Dinge im Konzern. Auch wenn es heisst, Dormann habe völlig losgelassen und komme gern auch mal in Wanderkleidung ins Büro – die beiden reden mehrmals pro Woche miteinander und besprechen auch «aktuelle Themen». Erst Dormann hatte es geschafft, ABB wieder aufzurichten. Die beiden Schweden Göran Lindahl und Jörgen Centerman waren mit der Hinterlassenschaft ihres Vorgängers Percy Barnevik schlicht überfordert.

Dass Kindle im reinen CEO-Vergleich ganz vorne rangiert, verdankt er der Gnade des späten Amtsantritts und der kurzen Amtszeit: Er ist gerade mal eineinhalb Jahre im Amt und übernahm in einer Turnaround-Situation – von einer niedrigen Basis fällt das Schaffen von Wert leichter, als wenn scheibchenweise immer noch ein Quäntchen mehr Effizienz aus einer bereits gut laufenden Grossorganisation herausgepresst werden muss.

Das soll jedoch Kindles Leistung nicht kleinreden. Unter ihm macht ABB sichtbar Fortschritte. Die Aktie kommt wieder, die Rendite liegt deutlich über den Kapitalkosten, «der Turnaround ist ab 2004 in den Zahlen deutlich sichtbar», resümiert Stephan Hostettler. ABB zeigt, wie die UBS: Wenn ein versierter Präsident und ein starker CEO am gleichen Strang ziehen, lässt sich viel Gutes bewegen. Inzwischen allerdings sieht die Börse das Wachstumspotenzial als begrenzt an. Es ist unter den Schnitt der Vergleichsgruppe gefallen, zuvor lag es weit darüber.

Ähnliches zeigt Hostettlers Analysemodell für die beiden Grossbanken. Obwohl sich die UBS in glänzender Form befindet, Wuffli kontinuierlich die Effizienz gesteigert hat und mehr Wert schafft als die Konkurrenz – der Markt ist skeptisch für die Zukunft. «Man sieht geradezu einen Zerfall der Wachstumserwartungen», sagt Hostettler. Die Investoren erwarten einen leichten Rückgang der Gewinne der UBS, bei der Credit Suisse ist das Misstrauen noch ausgeprägter. Beiden schlägt mehr Pessimismus entgegen als den Branchenpeers – womöglich hat der sehr rasante Aufschwung der vergangenen Jahre, nach dem Börsencrash, Argwohn gesät, ob die beiden Schweizer Grossbanken dieses Mal nachhaltig wirtschaften.

Eine ähnliche Erfahrung macht Klaus Jacobs, der Adecco in kurzer Zeit wieder auf Kurs gebracht hat: Erfolgreiche Arbeit quittiert der Markt gern mit gebremsten Wachstumsfantasien. Und das, obwohl zwei Drittel der Analysten die Adecco-Aktie zum Kauf empfehlen und der Markt Platz hat: Die Konkurrenten Manpower, Randstad oder Vedior laufen ebenfalls gut.

Der ehemalige CEO Jérôme Caille hatte in seinen dreieinhalb Jahren an der Spitze von Adecco 5,6 Milliarden Franken an Wert vernichtet und war weit unterhalb den Erwartungen geblieben. Die Wachstumshoffnungen waren ohnehin zurückgegangen – ein untrügliches Zeichen für Misstrauen. Sei es gegen den Markt für die Branche, gegen die Qualität der Gewinne, gegen den Chef. Bei Adecco dürfte sich die Skepsis vor allem gegen Caille gerichtet haben. Der junge Franzose war Protégé und Patenkind des Adecco-Hauptaktionärs Philippe Foriel-Destezet, der 1996 Ecco in die Fusion mit Adia eingebracht hatte. Caille wurde mit 34 CEO, tauschte in kurzer Zeit die Führungsmannschaft aus und besetzte sie mit Getreuen – mit Rückendeckung von Foriel-Destezet. In der operativen Führung war Caille weniger erfolgreich als im Personalverschieben: Er leitet den Konzern wie zuvor die Ländergesellschaft Italien: fixiert auf Umsatzwachstum, unter Vernachlässigung der Gewinnmarge. Doch in der Stellenvermittlung füllt Masse schon lange nicht mehr die Kasse – das Geld kommt aus dem Spezialistengeschäft, aus Bereichen wie Outplacement und Headhunting. Bei Adia, die Jacobs mitbrachte, hatte man das lange erkannt. Der VR verabschiedete eine entsprechende Strategie, Caille setzte sie nicht um. Hinzu kamen Bilanzierungsprobleme: Adecco fehlte schlicht eine einheitliche Verbuchungspraxis für eingehende Zahlungen. Alles wurde gekrönt durch eine katastrophale Kommunikation – Dinge, für die ein CEO verantwortlich ist, Caille musste hinhalten. Und gerät zügig in Vergessenheit.

Diese Gefahr droht dem ehemaligen Firmenlenker der Swatch Group ganz sicher nicht. Nicolas G. Hayek, der «Retter der Schweizer Uhrenindustrie», hat die Führung 2002 an seinen Sohn Nick abgegeben. Der Patriarch, Zigarrenliebhaber und Erwecker der Plastik-Swatch hat den Konzern gross gemacht und solide geführt. Produktion, Marketing, Finanzen, Strategie, alles beherrschte der Patriarch. Zwar hat er einige Milliarden an Wert vernichtet, dieser Rückgang war allerdings «in line» mit den Branchenunternehmen. Damals wurde eine industriell bedingte Überbewertung korrigiert.

Unter Nick Hayek entstand zusätzlicher Unternehmenswert, und das Vertrauen in künftiges Wachstum hat stetig zugenommen. 2005 erzielte Swatch zudem mit 4,5 Milliarden Franken den höchsten Umsatz der Konzerngeschichte.

Nick gilt als fordernd, bisweilen ungeduldig und soll, wenn es ihm zu langsam geht, seine Kritik gern mit «Don’t be Swiss!» äussern. Der «junge» Hayek, im Oktober wird er 52, brach ein Wirtschaftsstudium in St. Gallen ab, führte bei einigen Filmen Regie, bewundert Scorsese und De Niro und verabscheut es, sich mit Zahlen zu beschäftigen. Er liebt grosse Events für Swatch-Anlässe und wirkt eher wie ein Künstler denn wie ein CEO. Er profitiert zudem, wie Kindle und Wuffli, von einem fähigen Präsidenten: seinem Vater.

Seinen Job beherrscht Nick Hayek gleichwohl. Die Marke Swatch poliert er mit eigenen Shops auf und strafft das Produktangebot – der Hersteller verzettelt sich nicht mehr in zu vielen Angeboten. Und Omega, die bereits einen Umsatz von 1,4 Milliarden Franken macht, fordert nun den Marktführer Rolex (Umsatz: zwei Milliarden) heraus. Hayek hat Omega entstaubt, die Marke optisch und mit eigenen Shops aufgewertet und darauf angesetzt, Rolex zu überholen. Wenn Omega das Wachstum durchhält, kommt es zu einem spannenden Zweikampf. Ganz so wie bei den Duellen der Schweizer Multis: der beiden Grossbanken und der Pharmakonzerne.

Fehlt noch einer der grossen fünf: Nestlé. Der Nahrungsmittelriese bildet eine Klasse für sich; auch weltweit gibt es keine in der Grösse vergleichbare Unternehmung. Das schlägt sich in den Erwartungen nieder: Nestlé werden seit zwei Jahren kaum Wachstumschancen eingeräumt. «Das hat allerdings die gesamte Branche getroffen», sagt Stephan Hostettler. Dennoch: Bei Nestlé ist der Markt skeptisch, ob ein solcher Supertanker zügig von der Stelle kommen kann. Peter Brabeck-Letmathe hat den Anteilseignern zwar einige schöne Dinge beschert, hat die Gewinne gesteigert und damit anständige Wertsteigerungen erzielt, mehr als 19 Milliarden Franken an Dividenden ausgeschüttet, und dennoch hat er die Erwartungen an eine angemessene Kapitalrendite nicht erfüllt, ausserdem schneidet er im Branchenvergleich kontinuierlich schlecht ab. Das dürfte der Grund für die wachsende Skepsis sein.

Hinzu kommt, dass Brabeck immer wieder Fehler macht. Er legt sich mit französischen Gewerkschaften an, wiegelt ab, als es europaweit Aufruhr über verunreinigte Babymilch in Italien gibt. Er lässt sich mit der Harley für eine Illustrierte ablichten, fabuliert in der «Weltwoche» über seine «Rückkehr zur Musik» und hält gleich mehrere hochrangige VR-Mandate – als ob sein Job ihm zu viel Zeit liesse. Nestlé, da stimmen viele Branchenexperten überein, könnte einiges mehr machen aus seiner geballten Marktmacht und dem Forschungsaufwand mit mehreren hundert Wissenschaftlern. Die Sparte Nutrition wächst langsam und hat noch immer einen geringen Anteil am Umsatz. Der Weg vom Kaffee- und Brühwürfelhersteller zum Gesundheitskonzern ist noch ziemlich weit.

Mit dem speziellsten Vorgesetzten aller CEO hatte es Jens Alder zu tun: Ihm stellte der Bundesrat ein Bein. Elektroingenieur Alder, als Sanierer bei Motor-Columbus und Alcatel geübt und später auf der MBA-Schule Insead auf Betriebstemperatur hochgeglüht, hatte immer die Fesseln des Grundversorgers bedauert, die der Swisscom angelegt waren. Er killte Kosten, steigerte die Produktivität, baute Arbeitsplätze ab. Was solls, typischerweise schrumpfen ehemalige Monopolisten nun einmal, was Umsatz und Arbeitsplätze angeht. «Das ist der politische Wille», kommentierte Alder die Entwicklung trocken.

In Alders Amtszeit, von Ende 1999 bis Anfang dieses Jahres, platzte die Tech-Bubble an der Börse, Kurse und Wachstumserwartungen fielen in den Keller. Insofern litt die Swisscom im Gleichschritt mit allen Telekoms. Alder schaffte es dennoch, die Rendite deutlich höher zu halten, als es die Konkurrenten konnten, kapital- und kostenmässig hatte das Management die Firma im Griff. Alder hat rund 31 Milliarden an Effizienzgewinnen herausgeholt, musste aber einen Einbruch von 44 Milliarden bei den Wachstumserwartungen hinnehmen. Ohnehin lag ihm das Strategische weit weniger. Visionen hatte er keine entwickelt, und Alders Auslandsengagements mit der Swisscom waren alle gescheitert. Ende 2005 schliesslich kam der Swisscom-Chef auf die Idee, 22 Milliarden Franken für die dänische TDC und die irische Eircom auszugeben. Der Bundesrat stoppte diesen Aktionismus und damit zugleich Alders Telefonie-Karriere. Aber die Swisscom steckt auch unter dem neuen CEO Carsten Schloter in einem Strategiedilemma: kleiner Heimatmarkt, kaum Wachstumschancen im Ausland. Als «Blocher-Malus» bespötteln das die Konkurrenten. Dennoch hält sich die Aktie seit Jahresbeginn wacker. Der Schweizer mag eben alles, was Swiss ist.

Dirk Ruschmann
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