Die Welt wird immer komplexer. Das politische Umfeld entwickelt sich rasant. Die Mauer fiel, der Eiserne Vorhang auch. Ganze Staatengruppen wechselten das Bündnis und entscheiden nun über den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg des bilateralen Weges der Schweiz. Der religiöse Fundamentalismus – schon lange vorhergesagt – ist heute tatsächlich ein zentrales weltpolitisches Thema. Demografische Entwicklungen erlangen eine überragende volkswirtschaftliche Bedeutung: Überalterung und fehlender Nachwuchs im einen Teil, junge, dynamische Bevölkerungen in anderen Teilen der Welt.

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Auch die Arbeitswelt verändert sich. Neue Lebensformen entstehen, traditionelle Bilder verschwinden, die Bedürfnisse der Menschen verändern sich von der Generation X zu Y zu Z. Lange galt im Westen die 35-Stunden-Woche als Ziel. In Asien ist man gerade dabei, den 35-Stunden-Tag zu erfinden.

Alles ist in Bewegung. Die Beschaffungsmärkte verändern sich radikal, die Produktionsmethoden und -standorte und ganz besonders die Kunden. Es entwickeln sich neue Marktmächte, neue Kosten- und Finanzstrukturen. Die Arbeitsteilung sowie die vertikale und die horizontale Integration werden neu definiert. Die Produkte gehen neue Wege, rund um die Welt. Sie werden laufend verbessert, können heute ein Vielfaches im Vergleich zu früher – nicht nur besser, sondern auch schneller und billiger. Innovation, die Pipeline, ist nicht nur im produzierenden Sektor, sondern auch im Dienstleistungssektor überlebenswichtig. Der Kunde ist König. Er hat die Wahl. Das Internet hat einen globalen Marktplatz geschaffen mit Chancen und Risiken.

Entwicklungsländer standen früher abseits der globalen Wirtschaft, heute profitieren einige von ihnen am stärksten von der Globalisierung. Offshoring dient nicht mehr bloss der billigen Produktion oder Beschaffung von Rohstoffen. Offshoring bedeutet heute zusehends Zugang zu Absatzmärkten. Schon sind Trends zu Homeshoring sichtbar, damit uns hier die Arbeit nicht ausgeht.

Parallel baut sich die Kraft der Kapitalmärkte erst richtig auf. Deren Bedeutung wurde so nicht vorausgesehen. Noch nie hielten so viele private Haushalte Aktien an Unternehmen. Noch nie war so viel Geld in Pensionskassen angelegt. Noch nie wartete so viel Geld auf eine gute Investitionsmöglichkeit. Und das Geld nimmt Einfluss. Das Geld ist öffentlich. Damit wird die Verwaltung des Geldes, im umfassenden Sinne, zur Res publica. In diesem Umfeld bewegen sich die Unternehmen.

Sich darin zu behaupten, ist anspruchsvoll. Einen Teil der Komplexität macht die fortwährende Veränderung aus. Nur mit Flexibilität, der Fähigkeit zur eigenen Veränderung, kann mit ihr konstruktiv umgegangen werden. Diese Fähigkeit differenziert. Differenzierung setzt allerdings eine klare Kommunikation voraus.

«All business is people business.» Das gilt innerhalb des Unternehmens ebenso wie nach aussen. Gegen innen geht es um den Umgang mit Menschen. Es geht um einen Führungsstil, der sich am Menschen orientiert. Es geht auch um effiziente Prozesse. Arbeitsmodelle werden heute vielfältiger. Diversifizierung der Arbeitnehmerschaft und Vielfalt der Arbeitsmodelle, Insourcing, Cosourcing und Outsourcing werden wahlweise eingesetzt, Ausgliederungen, Joint Ventures und auch Public Private Partnerships sind Optionen. All dies stellt enorme Anforderungen an die Vernetzung der verschiedenen Involvierten und wieder an die Kommunikation und an das Vertrauen ineinander.

Die einzige Konstante ist der Wandel. Eine gesonderte Change-Management-Organisation steht dem selbstverständlichen Umgang mit dem Wandel allerdings oft mehr im Wege, als sie nützt. Der Wandel droht damit als Problem, Ausnahme oder gar Krise statt als Normalfall und Chance angesehen zu werden.

Nach innen wie nach aussen braucht es als Kompass zur Orientierung eine glaubwürdige Strategie und Produkte, die der Markt kauft. Es braucht auch eine Verhaltensweise, die den Erwartungen der Stakeholder entspricht. Da diese Erwartungen sich laufend verändern, wird auch dieser Aspekt immer komplexer. Wie Erwartungen und Verhalten in Einklang gebracht werden, ist schliesslich die Grundlage zum Erfolg bei den Kunden.

Der Kapitalmarkt spielt im Wirken der Unternehmen nach aussen eine treibende Rolle und wird selbst immer komplexer. Denn auch die Kapitalbeschaffung geht immer neue Wege. Die Streuung des Aktienkapitals einerseits bei vielen Haushalten und andererseits bei einigen starken Interessenvertretern habe ich bereits angesprochen. Der Bankkredit hat schon fast ausgesorgt. Leasing, Securitisation, Hedging, Swap-Geschäfte, Private Placements, Kapitalmarkttransaktionen, einzeln oder in Kombination, all das wird richtigerweise eingesetzt. Daraus ergeben sich enorme Anforderungen an die Transparenz und die Kommunikation.

Und doch wird das Funktionieren des Kapitalmarktes als Selbstverständlichkeit hingenommen. Dabei basiert sein Funktionieren auf einem weit entwickelten, ja hochkomplexen Gebilde. Einem verletzlichen überdies, weil es auf Vertrauen basiert. Die Principal-Agent-Situation ist längst mehr als eine eindimensionale Verbindung vom direkten Aktionär zum Verwaltungsrat und zur Geschäftsleitung «seiner» Gesellschaft. Oft kennt heute auf Grund der Komplexität der Strukturen der Principal «seinen» Agent gar nicht mehr. Umso mehr müssen Kommunikation und Transparenz sichergestellt sein, damit der Principal Vertrauen in das System und die Agents hat.

Wann ist die Kommunikation eines Unternehmens vertrauensbildend? Wenn sie auf einem nachhaltigen Leistungsausweis basiert. Nachhaltig heisst, etwas über viele Jahre hinweg, immer wieder, durch Zyklen hindurch und mit der Aussicht auf Zukunft zu tun. Die zunehmende Komplexität provoziert den Ruf nach mehr Transparenz. Damit Zusammenhänge verstanden werden, müssen sie aufgezeigt, Werttreiber und die Differenzierung erläutert werden. Ein Value-Reporting, das über Finanzzahlen hinausgeht, wird unumgänglich.

Die Berichterstattung über ein Unternehmen ist nicht einer Person oder Abteilung vorbehalten. Es besteht eine ganze Corporate Reporting Supply Chain von der Geschäftsleitung über den Verwaltungsrat, die externe Revision, Medien, Finanzanalysten bis hin zum Aktionär. Bei privaten Gesellschaften fallen situativ einige Glieder weg. Der Kreis der Stakeholder ist nicht für jedes Unternehmen oder jede Gruppe von Unternehmen gleich gross. Entsprechend bedarf es der Differenzierung, je nach Bedürfnissen. «One size fits all» ist die falsche Devise.

Vertrauen ist das entscheidende Fundament eines derart komplexen Umfelds. Und das Vertrauen in Unternehmen hat auch mit Voraussehbarkeit, Verlässlichkeit, Messbarkeit, Objektivität und Nachvollziehbarkeit des Handelns der Unternehmen zu tun. Solche Kriterien lassen sich letztlich bloss durch die Definition und die Anwendung von Standards erfüllen, die bekannt und allgemein anerkannt sind und deren Einhaltung überprüft wird – und damit durch Regulierung.

Der Regulator, öffentlich oder privat, muss das Spielfeld und die Regeln bestimmen. In letzter Zeit haben verschiedene Regulatoren stark auf die Transparenz und die Kommunikation Einfluss genommen. Alle Unternehmen sind der beschriebenen, ständig wachsenden Komplexität ausgesetzt, deren Meisterung nicht alle schaffen. Und wo gehobelt wird, da fallen auch Späne. Die Regulatoren haben Regeln erlassen, mit denen sie mehr Stabilität ins System bringen, die Informationsbedürfnisse der verschiedenen Stakeholder befriedigen und letztlich das Vertrauen in die Wirtschaft stärken wollen.

Die USA sind vorausgegangen. Bekannt für ihr unzimperliches Vorgehen, haben die USA in sehr kurzer Zeit den Sarbanes-Oxley Act (SOX) aus dem Boden gestampft, ausgerichtet auf amerikanische börsenkotierte Firmen. Die Reaktion der Unternehmen auf den SOX war fast unisono eine Entwicklung in vier Phasen: von «Bei uns ist alles okay, wir brauchen das nicht» über «Solch ein Koloss an Administration!» zu interner Läuterung und zur Selbsterkenntnis, dass «wohl doch nicht alles okay ist», bis schliesslich zur Umsetzung «mit messbarem Nutzen».

Viele US-Unternehmen haben über ihre eigene interne Komplexität gestaunt. SOX hat sie ihnen selbst vor Augen geführt, dass die interne Komplexität eine einfache, überzeugende und transparente Kommunikation nach aussen kaum erlaubt. Noch wichtiger: Die Arbeiten im Rahmen von SOX haben immer wieder gezeigt, dass die interne Komplexität die Führung des Unternehmens erheblich erschwert. Dass dies keine gute Ausgangslage ist, um die Chancen auf dem Markt zu nutzen, ist offensichtlich.

Die Lösung liegt auf dem Tisch: interne Vereinfachung, radikal, als Antwort auf die externe Komplexität, Fokussierung, Prozessoptimierung, Standardisierung, Qualitätssteigerung, klare Verantwortlichkeiten im Innern.

Und die Regulierung? Braucht die ganze Schweizer Unternehmenswelt einen Sarbanes-Oxley Act? Nein. Wir brauchen eine differenzierte Regelung, für öffentliche und private, grosse und kleine Gesellschaften unterschiedlich, nach Komplexität und Organisationsgrad situativ differenziert angewendet, für KMU anders als für kotierte Unternehmen. Als Hilfe zur Vereinfachung und als Grundlage für eine transparente Kommunikation nach aussen.

Damit entsteht Vertrauen, die Basis erfolgreichen unternehmerischen Handelns.