Martin Hellweg, Swissmetal verhandelt mit den Gewerkschaften vorsorglich über eine Massenentlassung – das heisst, die Mitarbeitenden müssen sich auf das Schlimmste gefasst machen?

Martin Hellweg: Damit wir wirklich alle Optionen offen halten, müssen wir dieses Konsultationsverfahren einleiten, denn in gewissen Szenarien – und das sind keine unwahrscheinlichen – wird eine solche Massnahme, ob in dieser Dimension oder etwas vermindert, notwendig.

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Sie haben schon vor ein paar Jahren die Swissmetal wiederbelebt, jetzt die zweite Reanimation  – ist der Patient denn überhaupt noch zu retten?

Ich denke, dass der Patient mehrfach rückfällig geworden ist. Das hat auch zu tun mit den äusseren Umständen. Wenn einer eine Lungenentzündung hat und damit eine Weltwirtschaftskrise wie vor zwei Jahren erlebt, dann ist das so, wie wenn man den Patienten aus dem Krankenzimmer nimmt und auf dem kalten Balkon aussperrt – das ist natürlich schon sehr heftig. Jetzt kommt ein steigender Franken dazu – alles nicht gerade Umstände, die ein rekonvaleszentes Unternehmen gut gebrauchen kann.

Als ehemaliger CEO sind Sie ja aber auch nicht unschuldig an gewissen Fehlentscheidungen der Vergangenheit.

Ja, ich würde weder dem Nachfolger noch dem Vorgänger etwas anlasten. Da gibt es eine Branchenentwicklung, eine Weltwirtschaftsentwicklung und jetzt leider auch eine Schweizer Franken-Entwicklung. Diese ist so deutlich, dass es eigentlich nur darum geht, sich zu fragen, welcher Kern der Kupferhalbzeugproduktion  überleben kann. Kein Mensch – und da könnte man eine Mannschaft von Supermännern haben – könnte eine Swissmetal wie sie 2005 oder 2000 bestand durchfüttern.

Ihre Progose für’s Überleben?

Im Augenblick stellt sich die Frage vor dem Hintergrund einer akuten Liquiditätskrise – und da ist die Prognose schwierig, weil es ein digitales Thema ist: Sie erreichen entweder eine Vereinbarung, zentral mit den Banken, aber auch mit den Lieferanten und Kunden und gegebenenfalls den Mitarbeitern. Eine Vereinbarung, auf deren Basis ein Fortbestand – teilweise oder ganz –möglich ist,  oder sie erreichen sie eben nicht. Dann ist die Prognose Null. Das hängt davon ab, ob uns in den nächsten Tagen – und da geht es um Tage und nicht um Wochen und Monate – eine solche Lösung gelingt.

Sie haben den starken Franken angesprochen. Heisst das, dass sie Produktionsmittel, zum Beispiel Ihre moderne Hightech-Presse, von Dornach nach Deutschland bringen, um dort, im Euroraum, profitabler produzieren zu können?

Ich bin erst seit wenigen Tagen da, ich weiss nicht genau, was in den letzten zwei Jahren passiert ist, aber etwas davon scheint schon geschehen zu sein – ich sage das aber mit etwas Vorsicht. Bei den Kugelschreiberprodukten gibt es durchaus eine gute Nachfrage in Lüdenscheid. Das hat sicher auch damit zu tun, dass da die Produktionskosten in Euro und nicht in Schweizer Franken anfallen.  Die Extrusionspresse, die Sie ansprechen, lässt sich nicht an unseren Standort in Deutschland verlagern, das geht technisch nicht.

Nun will ja der britische Hedgefunds Laxey seinen Anteil von rund 30 Prozent verkaufen. Gibt es denn überhaupt noch Investoren, die das kaufen wollen?

Wir suchen nach diesen. Wenn jemand wirklich das Unternehmen in seiner heutigen Form finanzieren und erhalten möchte, trotz der Kritik am Sortiment insbesondere in Dornach, wo es sicherlich noch grosse Restrukturierungen braucht, dann glauben wir, wäre das natürlich ein Umstand, dem man sofort Rechnung tragen würde. Wir werden auch diese Option noch einmal prüfen, sofern ein Interesse besteht. Es gehört dazu, dass wir wirklich alle Optionen prüfen, geradezu aufrufen dazu, sich zu engagieren.

Wie optimistisch sind sie?

Ich habe nicht viel gesehen in den letzten Monaten, was hätte Optimismus verbreiten können. Da gab es zwei verschobene Generalversammlungen und gleichzeitig weiss man, dass der Grossaktionär verkaufen will – in dieser Kombination hätte man eigentlich erwarten dürfen, dass es zu Lösungen kommt. Wir haben uns immer begriffen als Backup-Lösung für den Fall, dass das alles nicht funktioniert. Ich will kein Geheimnis daraus machen: Ich war schon seit längerer Zeit skeptisch und meinte auch, dass es notwendig sei, einen Plan B in der Tasche zu haben, falls Plan A – die Refinanzierung des Unternehmens in seiner heutigen Form – nicht gelingt.

Und was ist Ihr Plan B?

Plan B ist ein eine Situation, in der man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht, das heisst, einen Teil der Substanz verwertet, um einen anderen Teil zumindest operativ zu erhalten. Diesen Plan B gilt es jetzt zu testen. Es ist nicht gesichert, dass so etwas funktioniert. Dann kommen sie irgendwann auf Variante C – das kann ich nicht mehr Plan nennen – wo sie keine andere Wahl mehr haben als die Insolvenz. Das wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. Wir müssen einen Plan B entwickeln und parallel nochmals schauen, ob es Investoren für den Plan A gibt.

Was ist die zeitliche Deadline, das heisst: Wie viele Tage haben Sie noch Zeit?

Eine Deadline gab es schon, nämlich den 30. Juni. Da hätte es wohl auch zu Ende gehen können. Ich will hier keine Erfolge feiern. Aber wir haben da vielleicht 2 Mosaiksteine schaffen können, die uns einer Lösung näher bringen. Das sind aber - bildlich gesprochen - 2 von vielleicht 20  – also fehlen immerhin noch 18. Wir konnten erreichen, dass Lösungsansätze diskutiert wurden und dass die Werke Reconvilier und Lüdenscheid Stand heute weiter produzieren können. Ich hoffe schwer, dass man uns die Zeit gibt, die erwähnten Szenarien ordentlich abzuprüfen.

Das heisst, Sie können kein Datum nennen, an dem Sie eine Lösung haben müssen, um die Insolvenz abzuwenden?

Wir haben schon Ziele diesbezüglich, aber da möchte ich mich jetzt hier nicht festlegen. Ausserdem sind wir angewiesen auf den Goodwill verschiedenster Parteien, der jederzeit verschwinden kann. Diesen Goodwill müssen wir weiter voraussetzen, sonst würde gar nichts möglich sein.

(laf)