Techno war jung. Die Spice Girls brachten Feminismus in die Hitparade. Das Internet war noch im Beta-Modus. So sah die Welt aus in den neunziger Jahren. Und dann war da noch ein gewaltiger Push im Getränkemarkt: Red Bull. Der Energydrink aus Österreich schuf eine gänzlich neue Konsumgüter-Kategorie, die ihren Platz auch im neuen Jahrhundert verteidigen konnte.

Von der Schmuggelware zum legalen Boomgetränk

Heute kann man kaum noch verstehen, wie gross die Aufregung war, als Discounter Denner im Jahr 1994 als erster Schweizer Händler Red Bull in seine Regale nahm. Zuvor galt der österreichische Energydrink hierzulande als illegal; die Dosen wurden bei Nacht- und -Nebel-Aktionen über die Grenze geschmuggelt.

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Mit Denners Einstieg begann der beispiellose amtlich bewilligte Energydrink-Boom, der bis heute anhält. An vorderster Front dabei war 1994 der niederländische Branding-Profi Hans Vriens, der damals als Gebietsmanager Schweiz für Red Bull wirkte.

Vom Wachmacher zum Schlafmacher

Jetzt taucht Vriens, der seit den wilden Red-Bull-Tagen unter anderem für Barry Callebaut aktiv war, wieder in der Trendgetränke-Szene auf. Diesmal allerdings will er den Konsumenten keine Flügel verleihen, sondern so ziemlich das Gegenteil davon: Schlaf.

Vriens steht hinter dem österreichischen Schlafgetränk Snoooze, das in Büchsenform daherkommt und mit Zutaten wie Baldrian, Zitronenmelisse und kalifornischem Mohn aufwartet. Slogan «Sleep yourself happy». Neben Snoooze wollen auch andere neue Sleep-Verleiher wie Sleep.ink, Smartsleep oder Daizu die Schlafprobleme der Gesellschaft lösen. 

«Passt zum Trend der Selbstoptimierung»

Gibt es einen Platz für teure Schlaf-Drinks wie Snoooze? Immerhin kommt das österreichische Kräutergetränk zu Literpreisen von 25 Franken daher. 

Philipp Zutt, Chef der Zürcher Neuromarketing-Unternehmensberatung Zutt & Partner glaubt an die Marktchancen für Schlafgetränke à la Snoooze: «Dass die Gesellschaft ein Schlafproblem hat, ist medial erkannt. Da können solche Produkte – speziell auch für eine jüngere Generation – funktionieren. Sie sind attraktiv aufgemacht, versprechen emotionalen Mehrwert und holen die Kunden bei ihrem Bedürfnis zur Selbstoptimierung ab.»  

Zutt sieht einen massgeblichen Unterschied zur bisher üblichen Darreichungsform von Schlaftees in Beutel- oder Kräuterform: «Ein Büchsengetränk in den Versionen Regular und Strong hat für die junge Kundschaft wohl mehr Sex-Appeal als das Baldrian-Teeli aus der Drogerie

Büchsentee zum Insta-Upload

Schlafgetränke aus der Büchse könnten zusätzlich helfen, ein Image-Problem des Tee zu lösen, sagt Zutt: «Ein gewisser Teil der Bevölkerung trank bis anhin konventionellen Tee nur dann, wenn sie sich krank fühlte.»

Ein Schlaf-Drink dagegen komme ohne Krankheits-Stigma daher, lasse sich einfach konsumieren und problemlos in den Alltag integrieren: «Für die Kids etwa dann, wenn sie kurz vor dem Schlafen noch die letzten Instagram-Bilder hochladen.»

Schweizer Händler sind wachsam

Bisher sind grosse Schweizer Händler noch nicht auf den Schlafdrink-Boom aufgesprungen. Wachsam aber sind sie. «Wir prüfen laufend innovative Produkte und Neuheiten auf ihr Potenzial», heisst es beim Kiosk-Konzern Valora. «Valora wird deshalb auch diese Getränke auf ihr Potenzial prüfen.»

Beim damaligen Schweizer Red-Bull-Pionier Denner heisst es:« „Snooze“ ist derzeit kein Thema für uns. Wir beobachten die Entwicklung in Bereich Schlaf-Drinks aufmerksam, konzentrieren uns als Discounter mit eingeschränktem Platzangebot in den Filialen aber auf jene Artikel, die am stärksten nachgefragt werden.» Zu vermuten ist: Wenn die Nachfrage erwacht, werden auch Schweizer Händler mitziehen. 

Andreas Güntert
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