Viel zu unerfahren! Keine Wirtschaftskompetenz! Mitten im CVP-Filz! Und dann diese Frisur! Stefan Meierhans bot viel Angriffsfläche, als er 2008 von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard zum neuen Preisüberwacher ernannt wurde. Er sehe aus, als sei ihm gerade der Föhn in der Hand explodiert, schrieb eine Zeitung. Eine andere fand, die Haarpracht passe eher zu einem DJ als zu einem Chefbeamten. Keiner hätte zu wetten gewagt, dass der Rheintaler den Amtshalter-Rekord von Werner Marti knacken würde. Heute sagt Meierhans: «Langsam, aber sicher erreiche ich einen Punkt, den ich angepeilt habe. Einen Punkt, an dem ich wirklich Druck machen kann.»

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So beliebt wie nie

Bevor sein Vorgänger, der SP-Intellektuelle Rudolf Strahm, in Pension ging, gab er Meierhans einen Rat mit auf den Weg. Er müsse «die psychologische und vertrauensbildende Funktion des Preisüberwachers als Anlaufstelle des einfachen Bürgers erkennen». Das hat der frühere Microsoft-Lobbyist zweifellos getan.

Heute ist er so beliebt wie nie. Die Leute sprechen ihn auf der Strasse an und bedanken sich für seinen Einsatz gegen den Tariferhöhungswahn in der Bundesverwaltung. «Ich stelle fest, dass ich mir einen gewissen Ruf erarbeitet habe», resümiert er selber. Der Gegenwind habe nachgelassen. Die Tagespresse nimmt seine Analysen mit Handkuss entgegen. Die sind meist in anklagendem Ton verfasst und an prominente Stellen adressiert: SBB, Post, Cablecom, Spitäler oder Big Pharma.

Amt voller Missverständnisse

Überall, wo die Preisgestaltung nicht wettbewerbsgesteuert ist, darf Meierhans mit seiner rund 20 Mann starken Truppe intervenieren. Das gilt vor allem für verwaltungsnahe Akteure. Wenn er beim Lötschberg-Autoverlad der BLS oder beim Thurgauer Strassenverkehrsamt zweifelhafte Tariferhöhungen feststellt, müssen sie sich mit ihm einigen. Das Gleiche gilt für die Preise des öffentlichen Verkehrs und der Post. In Ausnahmefällen kann er auch private Firmen zur Verantwortung ziehen. Bis vor einem Jahr zum Beispiel die UPC Cablecom, weil der senderreiche TV-Konsum vielerorts an die Buchse des Kabelnetzbetreibers gebunden war. Das Highspeed-Internet hat dem regionalen Monopol letztes Jahr ein Ende gesetzt.

Die nicht ganz eindeutige Definition seines Wirkens führt regelmässig zu Missverständnissen. Erboste Konsumenten beschweren sich permanent bei Meierhans wegen ungerechtfertigter Schweiz-Zuschläge auf ihren Lieblingsmarkenprodukten. Doch da spielt fast überall der Wettbewerb. Bei den überhöhten Preisen für ausländische Zeitschriften hat Meierhans trotzdem einzuschreiten versucht, musste aber kapitulieren. «Das ärgert mich wirklich sehr», klagt er. Um die Preisdifferenzen von bis zu 70 Prozent herunterzufahren, braucht es eine Verschärfung des Kartellgesetzes. Aber die Politik zeigt sich hier träge.

Coca-Cola ein Monopol?

Der Kampf gegen die Hochpreisinsel ist verlockend, mediale Resonanz garantiert. Nun hat sich Meierhans Coca-Cola vorgenommen. Er ist überzeugt, dass der Schweizer Ableger von Coca-Cola der hiesigen Gastronomie zu hohe Preise aufdrückt. Deren Versuche, die Brause parallel zu importieren, vereitelt der Konzern regelmässig. Im Zentrum steht die Frage, ob Coca-Cola ein Monopol darstellt oder die Wirte nicht einfach eine der vielen Kopien auftischen können.

Die Leute wollen das Original, glaubt Meierhans und möchte den Riesen zu einem Kompromiss zwingen: «Das Ziel ist, eine rasche und einvernehmliche Lösung zu finden.» Fraglich, ob das klappt. Schon die Wettbewerbskommission hat bei Coca-Cola wegen Behinderung von Parallelimporten angeklopft – und die Untersuchung wieder abgebrochen. Das letzte Wort wird wohl ein Gericht haben.

Mehr als genug Feinde

Bislang musste Meierhans erst zweimal vor den Kadi. 2013 versuchte die Post, seine Entscheidungsgewalt einzuschränken. Ein andermal verweigerte ein Pflegeheim die Auskunft über die Preisgestaltung. Beide Fälle gewann er. Feinde hat er mehr als genug. Er hat sie von Anfang an «gepflegt». Von Post und SBB erwarte er «angesichts der wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen grosse Zurückhaltung bei der Preisgestaltung», verkündete er bei seinem ersten Auftritt im Amt. Gleiches gelte bei Spitaltaxen, Medikamentenpreisen, Laboranalysen oder Kinderkrippentarifen.

Seither versuchten die SBB zweimal, den Preisüberwacher zu kastrieren. Meierhans sollte bei der öV-Tarifgestaltung nicht mehr intervenieren dürfen. Doch genau das schreibt ihm das Preisüberwachungsgesetz vor: Kündigen Post oder SBB Tariferhöhungen an, muss er sie innert 30 Tagen als bedenklich oder unbedenklich erklären. Dass er sich meistens für Ersteres entscheidet, bringt SBB-Chef Andreas Meyer an den Rand der Verzweiflung: «Wir haben heute die unglückliche Situation, dass sich die verschiedenen Bundesstellen widersprechen», sagt er. «Der Eigner schreibt uns vor, wir sollen Gewinne schreiben, und wenn es dafür Tariferhöhungen braucht, dann kommt der Preisüberwacher und will sie uns verbieten.»

Härter schallt es von der Pharma-Lobby. «Seine Interventionen werden von einem gewissen Populismus begleitet», findet Thomas de Courten, SVP-Nationalrat und Präsident von Intergenerika. Meierhans solle sich doch lieber darauf fokussieren, «den Wettbewerb zu fördern und gegen die Hochpreisinsel Schweiz vorzugehen».

Sprungbrett in den Bundesrat

Gerade im Kampf gegen die steigenden Gesundheitskosten sieht Meierhans seine grössten Erfolge. Er spricht hier von «systemischen Fragen». Dazu zählt auch die Einführung eines Festbetragssystems für Generika – eine Medikamenten-Neuordnung, die das Preisniveau senken soll. Der Bundesrat will seinen Vorschlag umsetzen. «Die systemischen Fragen brauchen Zeit und Schnauf. Das ist es, was mich antreibt.» Er will darum im Amt bleiben, bis die Umsetzung Realität ist.

Das dürfte um das Jahr 2020 der Fall sein. Ob er dann abtritt, lässt er offen. Die Bekanntheit seines Amts würde ihm einige Türen öffnen. Zwei seiner Vorgänger wurden Bundesräte, ein dritter, Werner Marti, unterlag nur knapp Moritz Leuenberger.

Und was seine Frisur betrifft: Die wird bleiben. Schliesslich hat er sie die letzten acht Jahre kaum angerührt. Und seine Coiffeuse hat er nie gewechselt.