Laserblitze zucken durch die riesige Halle in Culver City nahe Los Angeles, wo sonst Hollywoodfilme produziert werden. Nun hängt Trockeneisnebel über dem Boden, aus den gewaltigen Lautsprechern hämmert Clubmusik, übergrosse Flachbildschirme flackern rhythmisch. Unter den Ovationen der rund 2000 geladenen Gäste steigt Sony-Manager Ken Kutaragi auf die Bühne und hält ein silbernes Kästchen in die Höhe. «Die neue Playstation 3 ist technologisch für die nächste Dekade uneinholbar!», ruft er. Das Publikum jubelt frenetisch.

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Zwei Stunden später, im Shrine Auditorium in Downtown Los Angeles, nur ein paar Meilen entfernt: gleiches Bild, gleicher Lärm, gleiche Message. Aber von einer anderen Firma. «Kein Konkurrent kann auch nur davon träumen, die Xbox 360 zu schlagen!», dröhnt Robbie Bach, Chef der Unterhaltungssparte von Microsoft, und hält ein silbernes Kästchen in die Höhe. Das Publikum jubelt frenetisch.

Der rhetorische Schlagabtausch am Rande der weltweit grössten Games-Messe, der «Electronic Entertainment Expo» (E3), diesen Sommer war nur ein Vorgeschmack auf die Marketingschlacht, die in den kommenden Wochen und Monaten bevorsteht. Sony und Microsoft unternehmen gewaltige Anstrengungen, die neuste Generation ihrer Spielkonsolen einzuführen. Denn es geht um viel Geld: 24 Milliarden Dollar ist der weltweite Games-Markt inzwischen schwer, das ist mehr Geld, als Hollywood mit seinen Blockbustern umsetzt. Der Löwenanteil entfällt dabei auf Spielkonsolen à la Xbox und Playstation: In 35 Prozent der Schweizer Haushalte steht bereits ein solches Gerät – in den USA sind es schon 70 Prozent. Hinzu kommen durchschnittlich sieben Spiele. Und in den nächsten drei Jahren soll sich der Markt noch einmal verdoppeln.

Kein Wunder, ist dieser Markt heiss umkämpft. «Es wird ein Duell auf Biegen und Brechen geben», sagt Rob Fahey vom Branchendienst Gamesindustry.biz. Auf der einen Seite der Newcomer aus Seattle, quirlig, aggressiv und mit gewaltigen finanziellen Möglichkeiten. «Die Xbox 360 ist eines der ambitioniertesten Projekte, die das Unternehmen jemals geplant hat», verkündet Microsoft-Chef Bill Gates. Auf der anderen Seite der altehrwürde japanische Konzern, solide, technologieverliebt und schon lange im Unterhaltungsgeschäft. «Als ich 1975 bei Sony anfing, gab es Microsoft noch gar nicht», gibt sich Kutaragi traditionsbewusst.

Microsoft stürmt voran und bringt ihre neue Xbox 360 dieser Tage in die Regale. Alleine bis Weihnachten erwartet man, stolze 1,5 Millionen Einheiten zu verkaufen zu Preisen zwischen 399 und 499 Dollar (in der Schweiz 479 beziehungsweise 599 Franken). Und das Unternehmen kann

Erfolgsmeldungen dringend gebrauchen: Die Verkaufszahlen ihrer Cash-Cows Office und Windows stagnieren, der Aktienkurs kommt nicht mehr vom Fleck, Google & Co. liefern heftige Konkurrenz, die Stimmung der Mitarbeiter sinkt, kurz: Die heuer dreissigjährige Firma durchläuft ihre Midlife-Crisis. Noch deutlich schlimmer die Lage bei Sony: Die einstige Ikone geht durch die wohl tiefste Krise ihrer 60-jährigen Geschichte. Im Stammgeschäft Unterhaltungselektronik verliert Sony stetig Marktanteile, technologische Entwicklungen wie den LCD-Fernseher hat man verschlafen, der iPod von Apple hat Sonys Walkman als Lifestyle-Ikone längst abgelöst. Da wären neue Impulse dringend nötig.

Bisher sind die Japaner im Spiel mit den Spielen klarer Marktführer: 90 Millionen Stück der aktuellen Playstation 2 haben sie in den letzten Jahren verkauft, dazu 101 Millionen des Vorgängers. Kutaragi war so erfolgreich, dass seine Sparte jahrelang mit weniger als zehn Prozent des Konzernumsatzes rund die Hälfte des Unternehmensgewinns lieferte. Microsoft auf Platz zwei hat hingegen für ihre bislang ausgelieferten 22 Millionen Xbox-Konsolen geschätzte vier Milliarden Dollar draufgezahlt. Nintendo liegt mit 15 Prozent Marktanteil auf Platz drei.

Microsoft ist nicht bekannt dafür, Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Der Grund für die finanzielle Grosszügigkeit ist strategisch: Im Büro kann der Quasimonopolist nicht mehr wachsen. Deshalb versucht Microsoft mit der Xbox den Vorstoss ins Wohnzimmer – koste es, was es wolle. Dort aber thront schon Sony mit ihrer traditionellen Unterhaltungselektronik. «Die Xbox ist die erste Salve in einer möglicherweise jahrzehntelangen Schlacht um den Unterhaltungsmarkt», heisst es beim Marktforschungsinstitut DFC Intelligence.

Denn noch mehr als ihr Vorgänger soll die Xbox 360 als Multimediamaschine dienen: Sie zeigt Urlaubsfotos und DVD, unterstützt das neue Fernsehformat HDTV, spielt CD ab und verwaltet die eigene MP3-Sammlung. Sie lässt den Benutzer im Internet surfen, E-Mails verschicken und sich per Videochat mit Gleichgesinnten irgendwo auf der Welt unterhalten. Die Xbox, ein trojanisches Pferd, das sich, getarnt als Spielmaschine, ins Haus geschlichen hat und dort den DVD-Player, die Stereoanlange und langfristig sogar das Telefon zu ersetzen droht. «Die Xbox ist der nächste Schritt innerhalb einer 20 Jahre umspannenden Vision. Die Unterhaltungsindustrie wird zu einer Softwareindustrie, und wir sind führend in Software», sagt J Allard, der 36 Jahre junge Chefentwickler der Xbox ist (siehe Nebenartikel «Interview mit Xbox-Chefentwickler J Allard: Die Latte hoch legen»).

Im Klartext: Microsoft möchte das ganze Haus dominieren. Um den Content einfacher über diese verschiedenen Plattformen (PC, Organizer, Xbox) transportieren zu können, hat Microsoft bereits letztes Jahr unter dem Namen XNA spezielle Entwicklungstools lanciert. Und mit dem Windows Media Center, einer auf Unterhaltung getrimmten Windows-Version, versucht der Konzern bereits von einer anderen Seite den Sturm aufs Wohnzimmer – bisher freilich mit mässigem Erfolg.

Denkt man Allards Vision zu Ende, stellt sich die Frage: Wird Bill Gates eines Tages in der Stube die gleiche Monopolstellung innehaben wie im Büro? Und wird diese dann die gleichen Monopolrenten abwerfen wie Windows – wenn etwa die Filmproduzenten (wie Sony) und die Music-Labels (wie Sony BMG) dafür bezahlen müssen, damit ihre Inhalte auf einem Microsoft-Gerät abgespielt werden können?

Nicht auszuschliessen. Doch Sony hält dagegen und positioniert ihre PS3, wie die neue Playstation kurz genannt wird, ebenfalls als Multimediamaschine. (Einzig Nintendo macht den Kampf ums Wohnzimmer nicht mit, sondern konzentriert sich mit ihrer für Sommer 2006 erwarteten neuen Konsole namens Revolution auf die Zielgruppe der spielenden Kids.) Sony kann dabei auf die Technologien der hauseigenen Unterhaltungselektroniksparte zurückgreifen. So wird das neue Gerät ein Laufwerk für Blueray Discs bieten, den Nachfolgestandard der DVD mit klar erhöhter Speicherkapazität für HDTV-Inhalte. Und der so genannte Cell-Prozessor, den Sony für die PS3 für rund 1,7 Milliarden Dollar entwickeln liess, soll eines Tages in den verschiedensten Geräten des japanischen Konzerns eingesetzt werden. So gross ist die Rechenpower des Cell-Chips in der PS3, dass die Spielkonsole zu den 500 leistungsfähigsten Computern der Welt gehören wird. Da kann die Xbox 360, obwohl auch sie jeden PC um Längen schlägt, zumindest auf dem Papier nicht mithalten.

Entscheidend für den Erfolg einer Konsole ist jedoch die Auswahl an Games. Hier hat Sony bis jetzt gewaltige Vorteile: 3000 Spiele gibt es für die Playstation, während die Xbox nur auf rund 450 kommt. In Japan etwa bekam Microsoft keinen Fuss auf den Boden, weil man es versäumt hatte, japanische Spieleanbieter mit lokalem Content unter Vertrag zu nehmen – ein Fehler, den man nun korrigiert hat. «Das Gute ist: Bei der neuen Konsolen-Generation steht es wieder 0:0», so Allard. Das stimmt so freilich nicht: Auf der PS3 laufen auch alle Games der Vorgänger, auf der Xbox 360 ist das nur eingeschränkt möglich.

Dafür hat Microsoft einen anderen, möglicherweise matchentscheidenden Vorteil: Das Unternehmen kommt mit der neuen Xbox rechtzeitig fürs Weihnachtsgeschäft auf den Markt, in dem 70 Prozent des Jahresumsatzes anfallen. Bei der PS3 wird es erst im Frühjahr so weit sein, gerüchteweise sogar noch später. Und Sony kann erst nach Microsoft von Skaleneffekten profitieren, die durch die Massenproduktion anfallen. Wenn die PS3 für geschätzte rund 500 Dollar auf den Markt kommt, könnte Microsoft bereits die erste substanzielle Preissenkung auf – wiederum geschätzte – 249 Dollar bekannt geben. Die Auswirkungen auf die Käufergunst wären dramatisch.
Zumal das Geschäft mit den Videospielen nach der alten Rasierklingenmethode funktioniert: Den Rasierer beziehungsweise die Konsole gibt man unter Preis ab – bei der Xbox legte Microsoft zeitweise rund 100 Dollar pro Konsole drauf –, das Geld holt man sich zurück über die Klingen beziehungsweise die Spiele, pro Game etwa sieben Dollar. Microsoft mit flüssigen Mitteln von 40 Milliarden Dollar kann sich die Subventionierung leisten. Sony-Chef Howard Stringer hingegen hat für seinen angeschlagenen Konzern ehrgeizige Sparziele angekündigt. Zu teuer ausgestattet ist die Playstation, als dass sich Sony auf einen Preiskrieg einlassen könnte.

Microsoft winken weitere Einnahmequellen: Die Online-Plattform Xbox Live erlaubt es nicht nur, vom heimischen Wohnzimmer aus gegen Gamer überall auf dem Globus anzutreten. Sie dient neu auch als Handelsplattform, auf der man gegen Geld neue Levels herunterladen oder Ausrüstung für die Spiele kaufen kann. Bisher wird Xbox Live nur von zehn Prozent der Xbox-Käufer genutzt. «Unser Ziel ist es, die Hälfte der Nutzer ins Internet zu bringen», sagt Robbie Bach. 50 Dollar pro Jahr und Kunde spült das Online-Abo in die Kassen von Microsoft. Sony verzichtet auf eine solche Plattform. Stattdessen ist es den Spielherstellern selber überlassen, wie sie den Internetzugang der Playstation nutzen wollen. «Das Internet sollte für jeden offen sein», sagt Kutaragi. Bei der Xbox kann der Benutzer zudem für rund 30 Franken die silberne Frontplatte gegen ein Design seiner Wahl austauschen – bei Handys ist dieser Gag eine Goldgrube. «Der Bereich Unterhaltungselektronik wird 2007 profitabel sein», verspricht Bach.

«Unser Ziel ist es, weltweit Marktführer bei Konsolen der neuen Generation zu werden», gibt Robbie Bach von Microsoft den Tarif durch. Sony-Mann Ken Kutaragi hält dagegen: «Die nächsten Jahre wird uns niemand überholen.» Die Analysten von Piper Jaffray sehen das anders: Bis ins Jahr 2008, sagen sie voraus, werde Microsoft 19,6 Millionen Konsolen verkaufen, Sony nur 15,5 Millionen. Nintendo müsse sich mit 5 Millionen begnügen. Klar ist: Das Wohnzimmer wird noch einige Zeit hart umkämpft bleiben.

Eine langfristige Prognose wagt niemand. Das wäre zu riskant – selbst für Spielernaturen.