«Das Rennen der E-Autobauer hat erst begonnen», sagte Börsenexperte Stefan Frischknecht zur Handelszeitung. Neben Tesla macht zurzeit vor allem ein Elektroautohersteller von sich reden: Nio aus China.

Am Mittwoch hat das Unternehmen mit seinem IPO an der New Yorker Börse sein Debüt hingelegt und mit der Platzierung rund eine Milliarde Dollar eingenommen. Die Aktie wurde zu einem Preis von 6,26 Dollar pro Stück gehandelt. 

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Mittlerweile hat Nio einen Wert von rund 6,4 Milliarden Dollar. Obwohl der amerikanische Konkurrent Tesla fast achtmal höher bewertet wird, positioniert sich Nio als Konkurrenz zu der Autofirma von Elon Musk.

Beim Börsengang von Tesla im Jahre 2010 wurde das Unternehmen auf rund zwei Milliarden Dollar bewertet. Trotz Turbulenzen und Negativschlagzeilen ist Tesla heute rund 45 Milliarden Dollar wert. 

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Das schnellste Elektroauto der Welt kommt von Nio.

Quelle: Getty Images

Die Schweiz ist ein Elektroauto-Paradies

Auch in der Schweiz ist das Elektroauto beliebt, die Dichte an Elektrautos ist hierzulande hoch – vor allem bei den Fahrzeugen von Tesla. Weltweit steht sie auf dem 11. Platz bei verkauften E-Autos. 

Die hohe Affinität der Schweizer zu Elektroautos spürt auch der chinesische Autobauer Nio. «Die meisten Anfragen nach unseren Autos kommen in Europa aus der Schweiz», sagt Nio-Sprecher Philipp Erdmannsdorffer.

Trotz der bereits jetzt starken Nachfrage nach dem chinesischen Elektroauto muss Nio die künftigen Käufer aber vertrösten: «Der Markteintritt in Europa ist in zwei Jahren geplant», sagt der Sprecher. Und dann wohl zuerst in den skandinavischen Ländern, da die Bedingungen für E-Autos dort am besten sind. In China gebe es Wartelisten für die Nio-Autos, sagt Erdmannsdorfer. 

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Futuristisch: Roboter montieren in der Nio-Fabrik im chinesischen Hefei die Autos.

Quelle: Getty Images

Flagship Store in Zürich?

Gerüchte, dass es gar einen Flagshipstore in der E-Auto-affinen Schweiz beziehungsweise in Zürich geben soll, kommentiert Erdmannsdorfer folgendermassen: «Wir planen nichts Konkretes in Europa». Der Fokus liege klar auf dem chinesischen Markt: «Nio muss zuerst in China fliegen», betont Erdmannsdorfer.

Er sitzt in der Autostadt München, wo das chinesische Unternehmen sein Design-Hauptquartier hat. Dort hat Nio-Chefdesigner Kris Tomasson seine Team um sich geschart, da er vorher bei BMW gearbeitet hat. Er ist auch der Meinung, in der bayrischen Hauptstadt «die besten Talente» zu finden. 

Für die Schweiz findet Erdmannsdorfer nur lobende Worte: «Dieser Markt ist sehr interessant für uns, weil die Kunden Early-Adopters und sehr Technologie-affin sind». Zudem sei man auch bereit, ausländische Fahrzeugmarken zu kaufen. In den umliegenden Ländern würde die heimische Autoindustrie bevorzugt, so Erdmannsdorfer.

Der Eindruck über das «Elektroauto»-Land Schweiz habe sich auch bei einem Treffen von Bundesrat Johann Schneider-Ammann bestätigt. Bei seiner China-Reise ist der Wirtschaftsminister auf Vertreter von Nio getroffen: «Der Minister betonte, dass in der Schweiz ein grosses Interesse an Elektroautos vorhanden sei», sagt Erdmannsdorfer. 

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Wie aus einem Science-Fiction Film à la «Minority Report»: Der «Eve» von Nio ist die Vision eines selbstfahrenden Autos.

Quelle: Getty Images

Doch bevor Expansionspläne umgesetzt werden, möchte Nio das frische Kapital für ein eigenes Werk in Shanghai einsetzen. Dafür fehlt aber noch die Lizenz von den chinesischen Behörden. So ergeht es auch anderen chinesischen E-Auto-Herstellern wie Byton oder Xpeng. Nio produziert zurzeit bei der Anhui Jianghuai Automobile Group in der Stadt Hefei. Dort rollt Nio auch sein erstes kommerzielles Fahrzeug, den ES8-SUV aus. Nio-Gründer William Li hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende des Jahres 10'000 Fahrzeuge an Kunden auszuliefern. In dem Prospekt schreibt Nio, dass es in zwei bis drei Jahren mit einer Fertigungslizenz rechne.

Hinter den Investoren von Nio stecken der chinesische Onlinegigant Tencent und der asiatische VC Hillhouse Capital, der auch bei Uber investiert. Darüber hinaus halten auch die Chefin von Niu, die aus Indien stammende Padmasree Warrior sowie Gründer William Li Anteile. 

Padmasree Warrior, CEO von Nio.

Restrisiko ist da

Trotz der Aufmerksamkeit für Nio an der Wall Street sei der Elektroautohersteller auch mit Vorsicht zu geniessen, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive Research in Duisburg. Das Unternehmen sei spannend, aber nicht ohne Risiko. «Die Pläne sind gross, aber es wurden bisher mehr als 1,6 Milliarden Dollar `verbrannt`», sagt der Automobilexperte.

Nio habe noch kein eigenes Werk und bisher auch erst 1000 Fahrzeuge des ES8-Suv verkauft, so Dudenhöffer. Mit dem Modell EP9, das eigentlich nur für den Rennsport tauge, habe man zusätzliches Geld ausgegeben, sagt Dudenhöffer. Nio ist mit Fahrer Luca Filippi in der Formula E-Rennserie vertreten. Dudenhöffer erwähnt dabei auch die Folgen des Handelskriegs zwischen China und den USA. «Dadurch bleibt der amerikanische Markt für den Autobauer verschlossen». 

Zugleich verweist der Experte auf die deutsche Automobilindustrie: Audi und Mercedes würden zeitgleich neue E-Autos vorstellen. Obwohl China ein Riesenmarkt sei, würden sich die reichen Chinesen gerne auch mit «Markenlabels aus dem Westen» schmücken. «Ob Nio so etwas wie das neue Alibaba wird, kann man heute noch nicht sagen».  

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Der chinesische Elektroautohersteller Nio unterhält ein eigenes Formula E-Team mit Luca Filippi.

Quelle: Getty Images

Mit Nio gehen die Investoren eine grosse Wette auf die Zukunft ein: Bis in rund 20 Jahren werden wohl über die Hälfte der Neuwagen in China E-Fahrzeuge sein, weltweit rechnet man mit rund einem Drittel. Zudem haben die Chinesen 68 Prozent mehr Autos gekauft als die Amerikaner. China ist der grösste Markt für Elektroautos weltweit

«Die Notierung von Nio, das nicht mal eine eigene Produktionslizenz verfügt, ist ein starkes Zeichen für die Risikobereitschaft der Investoren», schreibt Steve Ma, Analyst bei Bloomberg in Hongkong in einem Artikel. Dazu würde das Wachstum des E-Auto-Markts durch die chinesische Politik und Industrie unterstützt werden, so der Analyst. 

Der europäische Markt

Laut Dudenhöffer kann aber auch eine andere Entwicklung den E-Autos Aufwind geben. Die Europäer kehren dem Diesel den Rücken. Der Verkauf ist europaweit rund 8,4 Prozent eingebrochen. In der Schweiz ging der Verkauf um 6,9 Prozent zurück. «Die Enttäuschung der Kunden durch Dieselgate und Wertverluste der Dieselfahrzeuge sowie die Fahrverbote kratzen an der Reputation», sagt Dudenhöffer.

Dazu wären in europäischen Ländern wie Frankreich Überlegungen im Gange, die Steuervorteile für Dieselkraftstoff abzuschaffen. Dieser Trend kann den Verkauf von Elektroautos wie von Nio beflügeln – zumal die Fahrzeuge des chinesischen Autobauers deutlich günstiger als jene des amerikanischen Konkurrenten Tesla.