Nach den NZZ-Korrespondenten warnen auch die NZZ-Redaktoren in einem Brief an den Verwaltungsrat vor der Ernennung eines Chefredaktors mit nationalkonservativer Gesinnung. 163 Mitglieder der NZZ-Redaktion haben die Stellungnahme unterzeichnet, die praktisch identisch ist mit jener von 63 Korrespondenten vom Montag.

Nach Ansicht der Redaktion würde ein nationalkonservativer Chefredaktor «das Ende der Kultur einer liberalen und weltoffenen NZZ bedeuten», wie es in dem am Dienstag veröffentlichten Brief heisst. Mit grösster Besorgnis habe die Redaktion zur Kenntnis genommen, dass der Verwaltungsrat der NZZ-Mediengruppe mit Markus Somm Gespräche über die Nachfolge von Markus Spillmann geführt habe.

Auch interessant
 
 
 
 
 
 

Nachfolge immer noch unklar

Somm hatte am Montag mitgeteilt, er habe mit der Führung der NZZ-Mediengruppe Gespräche geführt, aber «nach reiflicher Überlegung» beschlossen, seine Tätigkeit als Chefredaktor und Verleger der «Basler Zeitung» weiterzuführen.

Auch nach der Absagte von Markus Somm sei die NZZ-Redaktion tief besorgt um die Zukunft der NZZ. «Sollte sich die politische Richtung, in der offenbar nach einem neuen Chefredaktor gesucht worden ist, bestätigen, so protestieren wir gegen diese Pläne in aller Schärfe», heisst es in der Stellungnahme.

Offene Fragen

Die 163 unterzeichnenden Redaktoren fordern vom Verwaltugnsrat die Klärung von drei Fragen: «Plant der Verwaltungsrat weiterhin die Ernennung eines Chefredaktors nationalkonservativer Prägung? Ist sich der Verwaltungsrat der kommerziellen Risiken bewusst, die eine Abkehr vom liberalen Kurs der NZZ heraufbeschwören würde? Sagt der Verwaltungsrat zu, interne Kandidaturen für die Nachfolge von Markus Spillmann sorgfältig zu prüfen?»

 

Das ist der Brief in voller Länge:

Sehr geehrter Herr Jornod, sehr geehrte Damen und Herren

Wir, 163 Mitglieder der NZZ-Redaktion, nehmen mit grösster Besorgnis zur Kenntnis, dass der Verwaltungsrat der NZZ- Mediengruppe mit Markus Somm Gespräche über die Nachfolge von Markus Spillmann geführt hat.

Die Ernennung eines Exponenten nationalkonservativer Gesinnung würde in unseren Augen das Ende der Kultur einer liberalen und weltoffenen NZZ bedeuten, die wir mittragen und für die wir uns Tag für Tag publizistisch einsetzen. Sie dürfte darüber hinaus auch ein kommerzielles Desaster einleiten.

Auch nach der Absage von Markus Somm sind wir tief besorgt um die Zukunft der NZZ. Sollte sich die politische Richtung, in der offenbar nach einem neuen Chefredaktor gesucht worden ist, bestätigen, so protestieren wir gegen diese Pläne in aller Schärfe.

Sie werden verstehen, dass Ihr Vorgehen uns verunsichert hat. Wir erwarten, dass der Verwaltungsrat umgehend Antworten auf folgende Fragen gibt: Plant der Verwaltungsrat weiterhin die Ernennung eines Chefredaktors nationalkonservativer Prägung? Ist sich der Verwaltungsrat der kommerziellen Risiken bewusst, die eine Abkehr vom liberalen Kurs der NZZ heraufbeschwören würde? Sagt der Verwaltungsrat zu, interne Kandidaturen für die Nachfolge von Markus Spillmann sorgfältig zu prüfen?

Wir weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Redaktionsstatut der NZZ ein Anhörungsrecht der Redaktion vor der Bestellung eines neuen Chefredaktors oder einer neuen Chefredaktorin vorsieht, und wir erinnern an Ihr Versprechen, sich an das Statut zu halten. Über die bisherige Kommunikationspolitik sind wir nach der Bestätigung der Gerüchte über Markus Somm enttäuscht.

Mit der Wahl eines Chefredaktors mit nationalkonservativer Gesinnung würden die liberale Publizistik und Kultur der NZZ unter die Räder geraten. Dagegen wehren wir uns mit allem Nachdruck.

Mit freundlichen Grüssen
Redaktorinnen und Redaktoren der Neuen Zürcher Zeitung

(sda/lur/ama)