Was wird er als Erstes tun, heute am 16. September, dem ersten Arbeitstag nach dem Ende seiner siebenjährigen Amtszeit als Präsident der Bankiervereinigung? Was wird sein Handeln bestimmen, wenn er sich wieder vollständig auf seine ursprüngliche Aufgabe konzentrieren kann, jene des Senior Partners der edlen Genfer Privatbank Lombard Odier? Patrick Odier überlegt lange und gibt dann eine Antwort, die man vom Chef einer 220 Jahre alten Bank eigentlich hätte erwarten können: «Es wird Kontinuität sein.»

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Ausbau in der Deutschschweiz

Dabei ist doch bei der Bank einiges im Fluss. Das lässt sich gut am Beispiel der Zürcher Dependance aufzeigen. Hier, in einem um- und ausgebauten Schloss, einem historischen Gebäude direkt am Utoquai mit prächtigem Blick auf den See, hat Odier zum Gespräch geladen. Der Ausbau in der Deutschschweiz ist einer der Kernpunkte der neuen Wachstumsstrategie der Bank.

Hugo Bänziger, einer der sechs geschäftsführenden Partner, hat die Offensive letzten Herbst verkündet: «Die Dynamisierung des Wirtschaftsstandorts Zürich ist beeindruckend. Wir sind überzeugt, dass sich hier für uns ausgezeichnete Möglichkeiten bieten», liess er die Konkurrenz herausfordernd wissen.

Nach einem kräftigen Ausbau des Kundenberaterteams – vor allem mittels Abwerbung von Topleuten bei anderen Banken – arbeiten heute in Zürich an zwei Standorten über hundert Mitarbeiter für die Banque privée – und es sollen noch mehr werden. Also doch nicht nur Kontinuität? «Kontinuität mit anderen Prioritäten», ergänzt Odier schmunzelnd.

Traumgewinne der Vergangenheit sind vorbei

Das Geschäft ist auch für die Traditionsbank schwieriger geworden. Zwar ist man operativ recht flott unterwegs – der ausgewiesene Reingewinn stieg im letzten Geschäftsjahr um 20 Prozent auf 144 Millionen Franken –, doch das war vor allem wegen Sondereffekten. Ohne diese blieb der Gewinn etwa konstant. Selbst wenn das pro Partner umgerechnet immer noch über 20 Millionen ausmacht, sind die Traumgewinne der Vergangenheit doch vorbei, als das Business mit dem Schwarzgeld boomte und die Margen durch die Decke stiessen.

Zahlen veröffentlicht Lombard Odier erst, seit die Bank 2014 vom Modell der unbeschränkt haftenden Teilhaberschaft der Partner zu einer Kommandit-Aktiengesellschaft umfirmierte, doch um die Gewinne der Vergangenheit ranken sich Legenden.

Viel will Odier über die goldenen Jahre nicht verraten. «Es war vor zehn Jahren sicher mehr», räumt er ein, «vor allem proportional – wir waren damals ja viel kleiner.» Arbeiteten Ende 2005 rund 1700 Personen für die Bank, so sind es heute 2200. Die Assets sind allein in den letzten fünf Jahren um über 40 Prozent gestiegen. Heute weist die Bank mit ihren drei Bereichen Privatkunden, Asset Management sowie Banking Services Kundenvermögen von 224 Milliarden Franken aus.

Widrige Umstände

Die einst kleine, feine Privatbank ist längst zu einem Grossunternehmen geworden – und muss sich im Kampf um den Markt wie alle anderen Banken mit widrigen Umständen wie Margenzerfall, Kostenexplosion und Negativzinsen herumschlagen.

Die Führung der Bank ist gefordert. «Der Spielraum ist eng – Platz für Fehler gibt es nicht», sagt Odier. Den Weg in die Zukunft müsse Lombard Odier daher mit den besten Leuten angehen, und dies auf allen Ebenen, wie er betont: «Bei den Mitarbeitern, dem Kader und auch den Partnern selber.»

Affront mit Folgen

Was das konkret bedeutet, musste der altehrwürdige Lombard-Zweig bei der Genfer Privatbank jüngst schmerzlich erfahren. Als Alexis Lombard, Sohn von Thierry Lombard, der per Ende 2014 aus Altersgründen aus der Partnerschaft ausgetreten war, seine Karriere planen und ausloten wollte, wie seine Chancen für eine Partnerschaft stünden, wollten ihm die verbliebenen sechs Teilhaber diese nicht versprechen. Ein Affront, der nicht ohne Folgen bleiben sollte.

Denn nun dockten Thierry und Alexis Lombard bei einer anderen Privatbank an – Landolt & Cie in Lausanne. Sie haben sich minderheitlich beteiligt, Ziel ist eine Beteiligung in gleicher Höhe wie die Familie Landolt. Der Schritt kam in der feinen Privatbanquier-Szene nicht eben gut an. «Unerhört» sei die Reaktion von Thierry Lombard, urteilt der Vertreter einer anderen Genfer Bankierfamilie mit klingendem Namen.

Kein direkter Konkurrent

Patrick Odier spielt die Sache herunter. Er sehe das nicht als feindliche Aktion. Landolt sei von der Grösse und der Produktestrategie her kein direkter Konkurrent von Lombard Odier. Thierry Lombard und er seien zudem immer noch Freunde: «Wenn Thierry ein Projekt verfolgen will, bei dem er unternehmerisch etwas tun kann – warum nicht?»

Es sei auch keine grundsätzliche Ablehnung von Alexis Lombard gewesen. Dieser habe frühzeitig eine klare Karrierelinie aufgezeigt bekommen wollen, doch diesen Wunsch habe man in dem Moment nicht erfüllen können.

Eine grosse Verantwortung

Das Thema ist Patrick Odier allerdings sichtlich unangenehm. Auf die Frage, ob es nicht schädlich für die Bank sei, den Namen Lombard Odier zu tragen, aber keinen Lombard mehr im Partnergremium zu haben, schweigt er eine Weile und sagt dann: «Der Grundsatz, dass die Gründerfamilien in der Bank repräsentiert sein sollen, gilt weiterhin. Aber wissen Sie: Eine Bank zu führen, ist eine grosse Verantwortung. Wir sind verantwortlich dafür, dass 2200 Familien eine Zukunft haben, wir sind verantwortlich dafür, dass unsere Kundschaft bestmöglich bedient wird. Da gibt es Situationen, wo man die Interessen der Kunden und der Belegschaft über jene einer einzelnen Person stellen muss.»

In der Tat: Der Kampf auf dem Bankenplatz wird immer härter, und viele Konkurrenten rüsten auf. Die Partner der Bank sind alle mit Frontaufgaben versehen, jeder hat eine direkte Verantwortung über einen bestimmten Geschäftsbereich, reine Repräsentationsrollen gibt es nicht – das engt den Spielraum ein.

Unruheherde in der Führung

Doch mit der Nichtberücksichtigung von Alexis Lombard ist die Zahl der Partner mit nur sechs Personen im historischen Vergleich auf einem tiefen Stand. Nicht nur Thierry Lombard wurde nicht ersetzt, auch für den Anfang 2015 überraschend verstorbenen langjährigen Partner Bernard Droux ist noch kein Ersatz gefunden. Odier gibt zwar an, man wolle die Zahl der Partner erhöhen, sieht aber keine Dringlichkeit: «Eine geheime Zahl gibt es nicht. Zwischen sechs und acht Partner sind ideal.»

Doch das Geplänkel im obersten Partnergremium ist nur einer der Unruheherde in der Führung. Auch auf der zweiten Ebene, jener der kapitalbeteiligten Kaderleute, ist es zuletzt zu gewichtigen Abgängen gekommen, wie das Branchenportal Finews berichtete. Selbst in Zürich blieb der Aufbruch nicht ohne Rückschläge, hat doch der erst im März geholte und mit grossem Getöse als Head of Sales am Standort Zürich präsentierte Ex-ZKB-Topmann Thomas Breitenmoser das Haus bereits wieder verlassen.

Blutauffrischung vonnöten

In der Bank ist die Hoffnung gross, dass mit der Rückkehr von Odier zu seinen alten Pflichten mehr Ruhe einkehrt. Er ist als Integrationsfigur und Repräsentant der langen Besitzertradition enorm wichtig, sind viele der anderen Partner doch Abkömmlinge aus der schnellen Welt der Grossbanken, wie Hugo Bänziger oder Hubert Keller, die von der Deutschen Bank kamen, oder Frédéric Rochat, der lange in Diensten der US-Investmentbank Goldman Sachs stand.

Weil bald weitere Abgänge anstehen – die Grande Dame des Gremiums, Anne-Marie de Weck, dürfte über kurz oder lang ebenfalls abtreten –, wird Lombard Odier um eine Blutauffrischung nicht herumkommen.

In Genf kursierten Gerüchte, Bank-Bär-CEO Boris Collardi, der Westschweizer Wurzeln hat, sei als Teilhaber im Gespräch, doch Insider winken ab: Konkrete Gespräche habe es nie gegeben. Offiziell liess die Pressestelle von Lombard Odier dazu nur ausrichten, man nehme zu Personengerüchten grundsätzlich keine Stellung.

Zeitpunkt des Abgangs kommt nicht ungelegen

Eine schnelle Aufstockung des Partnergremiums ist nicht zu erwarten, die Arbeit bleibt wohl noch eine Weile auf die Schultern der wenigen bestehenden Partner verteilt. So gesehen kommt Odiers Abgang bei der Bankiervereinigung für die Bank zum jetzigen Zeitpunkt nicht ungelegen. Der Job – offiziell ein 25-Prozent-Pensum – beanspruchte den Präsidenten in Krisenzeiten meist vollumfänglich. Und Krisen gab es in den Tagen der Regentschaft Odiers einige, das Bankgeheimnis kam in den letzten Jahren vom Ausland her fast täglich stärker unter Druck.

Er selbst hat in der Boulevardpresse einmal gewitzelt, wenn er 2009 gewusst hätte, was auf ihn zukomme, hätte er nicht unterschrieben. Doch bei nüchterner Betrachtung zieht er über diese Zeit eine positive Bilanz. Der Finanzplatz habe die Krise insgesamt gut überstanden und den Übergang in eine Zeit nach dem Schwarzgeld gut verkraftet.

Im Angreifmodus

Das gelte auch für seine Bank, mit der er nun in der erneuerten Landschaft eine noch wichtigere Rolle spielen will. Nicht nur in der Schweiz, auch in Europa und in den aufstrebenden Märkten des Ostens sind Wachstumsinitiativen aufgegleist. Zulegen will die Bank dabei vor allem organisch und setzt darauf, mit ihrem guten Namen weiter Talente anzuziehen.

Vor neuen Krisen fürchtet Odier sich nicht. Seit der Zeit Napoleons, als seine Bank gegründet wurde, habe es Dutzende Wirtschaftskrisen gegeben: «Krisen sind die Norm, nicht die Ausnahme», so sein Fazit. Man werde daher einfach weiter auf jene Grundlage setzen, die schon in den letzten zweihundert Jahren für eine gute Resistenz gegen Krisen gesorgt habe: vorsichtige Investment-Strategien, um die Risiken der Kunden zu minimieren. Kontinuität eben.

Sehen Sie in der Bildergalerie unten, welche Gäste am Schweizerischen Bankiertag 2016 teilnahmen:

 

Erik Nolmans
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