Es war eine der speditivsten Beförderungen der letzten Monate. Am 11. Januar 2010 bewirtschaftete Peter Hasler ein paar VR-Mandate (Reka, Spitalrat Unispital Zürich, Elips Life). Neun Tage später trat er eines der prestigeträchtigsten Ämter der Schweiz an: Präsident des Milliardenkonzerns Post, des zweitgrössten Arbeitgebers im Land. So schnell war noch kaum ein Berufungsverfahren abgewickelt worden. Ohne Headhunter, ohne Assessment, ohne Verwaltungsrat.

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Hasler-Vorgänger Claude Béglé musste nach BILANZ-Enthüllungen über zweifelhafte Indien-Geschäfte abtreten, worauf der damalige Bundesrat Moritz Leuenberger seinen alten Kommilitonen Hasler aus der juristischen Fakultät der Universität Zürich aus dem Hut zauberte. Heute, über ein Jahr später, fragt man sich bis in die oberen Postchargen, wohin die Fahrt des gelben Riesen unter Peter Hasler geht. Die Funkstille von oben bedeutet den totalen Bruch mit dem Informationsstil des Vorgängers: Béglé hatte Publikum und Personal im Stundentakt mit Strategieskizzen bedient («Die Post muss wie Nestlé werden»).

Hasler (64) gibt den Anti-Béglé. Er redet kaum, Strategisches ist wenig zu vernehmen. Um Mikrofone macht er einen grossen Bogen, ihm genügt, wenn CEO Jürg Bucher spricht. So nimmt man  ihn gegen aussen fast nicht wahr.

Gegen innen: Dass Hasler Ruhe in Verwaltungsrat und Management brachte, wird ihm intern hoch angerechnet. Auch dass er die Arbeit der Pöstler kürzlich mit einem Einmalbonus von 500 Franken honorierte, kam sehr gut an. Die Rede ist aber auch von Führungsvakuum, von fehlender Kenntnis über die Post, von mangelndem Verständnis für die Prozesse im Grosskonzern, von strategischer Leere. Dritte wiederum, die Fraktion der Dynamiker, wünschen sich Wirbelwind Béglé zurück – diesmal allerdings sediert mit fünf Valium-Tabletten.

Derweil gibt sich sein Amtsnachfolger, der während seiner gesamten Karriere Verbandsfunktionär war, als Liebhaber von Vorschriften und Reglementen zu erkennen. Voller Inbrunst nahm er sich des Allerweltsthemas Corporate Governance an und installierte eine seit längerem diskutierte Whistleblower-Anlaufstelle. Mit der Leidenschaft des Bürokraten pocht er beim obersten Personalchef auf eine Neuregelung der internen Sabbaticals und auf die saubere Einhaltung der Spesenordnung. An einem Kadermeeting in Lausanne, organisiert zusammen mit dem IMD – Dauer: 3 Tage, in englischer Sprache abgehalten –, plauderte der Post-Vordenker eine Stunde lang über Führung. In seiner «Predigt» (Hasler) brüstete er sich damit, er habe in seiner Karriere schon mal einen Mitarbeiter entlassen, weil der einer Arbeitskollegin einen Blumenstrauss auf Spesen verschickt habe. Tulpen und Rosen in Ehren, doch das Topkader wartete auf Handfestes zur künftigen Auslandstrategie, zu Wachstumschancen, zur Konzernorganisation.

Viel lieber rechnet Hasler vor, dass er die Kosten des Verwaltungsrates – Béglé hatte die Ausgaben für sein Chairman’s Office auf 5,7 Millionen hochgefahren – bis Ende 2012 auf 2 Millionen senkt, und betont, dass er den riesigen Glastisch seines Vorgängers refüsiert habe. Während unter Claude Béglé Grandezza Regie führte, ist unter Peter Hasler Chefbuchhalter Nötzli am Ruder. Dabei gilt es vieles beherzt anzupacken:

Baustelle 1: Ausland

Noch 2008 verkündete der Staatsbetrieb: «Ein zentrales Ziel der Schweizerischen Post ist es, im Ausland weiterhin profitabel zu wachsen.» Strategieberater Roland Berger schätzte das Potenzial allein für den Geschäftszweig Swiss Post Solutions (SPS) per 2020 auf stolze 2,7 Milliarden. Zwar ist man im Ausland jetzt profitabel unterwegs, doch an ein ernsthaftes Wachstum ist kaum zu denken. Der Umsatzanteil sank 2010, auch währungsbedingt, auf 14 Prozent. Nun ist man in der Führungsetage stolz, wenn man jährlich ein Prozent zulegen kann. Eine Vorwärtsstrategie sieht anders aus. Ein vielsagender Umbau ist geplant: Swiss Post International (SPI), Kernstück des Auslandgeschäfts, soll aufgelöst und aufgeteilt werden. Der Leiter der Einheit, Jean-Pierre Streich, wird bald pensoniert.

Baustelle 2: Organisation

Die mögliche SPI-Aufteilung ist nur eine Baustelle im Konzern. Im Kader wird über die Blaupause des Gesamtkonzerns debattiert. Ex-Postchef Michel Kunz postulierte den integrierten Konzern, in dem die Autonomie der sieben Divisionen verkleinert und die Stellung des Konzernchefs gestärkt wird. Ein Plan, der ihm im Machtkampf gegen VR-Präsident Béglé Sympathien und Support in der Geschäftsleitung kostete. Denn nicht alle, schon gar nicht Jürg Bucher, damals Chef von PostFinance, verspürten Lust, sich von Dritten in ihr hochrentables Revier dreinreden zu lassen.

So hält es Bucher auch heute. Er setzt als Konzernchef und Kunz-Nachfolger auf die Autonomie der Geschäftseinheiten. Er verstand sich ohnehin immer als Banker und nicht als Pöstler. Detailkenntnisse aus der Welt der Verarbeitungsprozesse waren nie sein Ding. Seine Leidenschaft gilt PostFinance und deren Umbau zur Finma-regulierten Aktiengesellschaft per Anfang 2012.

Für die PostFinance muss Hasler einen VR zusammenstellen. Ein offenes Geheimnis ist intern, dass Bucher auf den wohldotierten und prestigeträchtigen Posten des VR-Präsidenten spekuliert. Seine Zeit als operativer Postchef liefe ohnehin im August 2012 ab. Schafft Bucher per Anfang 2012 den Exit und damit den Sprung auf den PostFinance-Thron, würde er in der Liga von UBS-Präsident Kaspar Villiger spielen. Allerdings ist ihm ein interner Widersacher erwachsen: Marco Durrer. Der gelernte Banker sitzt im Postverwaltungsrat und präsidiert daselbst den PostFinance-Ausschuss.

Baustelle 3: Straffung der Zustellung

Das heikle Eisen heisst Distrinova und beinhaltet die Optimierung der Postzustellung. Bucher hat Projekte wie die Spätzustellung nach Negativmeldungen vorzeitig gestoppt. Politischen Kollateralschaden oder Ärger mit den Kunden kann weder Bucher noch Hasler gebrauchen.
Ein zweites Thema von Distrinova ist die automatische Briefsortierung. Hier wittert die Postgewerkschaft einen Personalabbau, der Hunderte von Pöstlern den Job kosten könnte. Im Sommer wird der Post-VR über das Sparpotenzial Distrinova entscheiden.

Baustelle 4: Konflikt mit RPost: Schwer abzuschätzen ist der Rechtsstreit mit der US-Firma RPost, die in Kalifornien und in Zürich Klagen wegen Patentverletzung eingereicht hat. Es ist nicht das erste Mal, dass man mit den Amerikanern zankt. Bereits vor einem Jahr einigten sich die beiden aussergerichtlich. Es ist Lärm zum falschen Zeitpunkt: Die Schweizerische Post will den verschlüsselten E-Mail-Dienst vermarkten, doch die Streiterei verunsichert die sensitive Kundschaft aus Gemeinden und Gerichten. Die Postchefs behaupten, derzeit ungeachtet von der RPost-Klage Vertragsabschlüsse zu realisieren.

Baustelle 5: Nachfolge Jürg Bucher

Haslers heikelste Aufgabe ist die Ernennung des künftigen Postkonzernchefs – es ist nach Ulrich Gygi, Michel Kunz und Jürg Bucher der vierte Chef innert vier Jahren. Aus der Konzernleitung drängt sich auf den ersten Blick keiner auf. Die einen sind zu jung, die anderen zu alt, die Dritten ohne Rückhalt oder nicht interessiert (siehe Bilder oben). Während beim Rennen um den PostFinance-CEO ein Interner das Rennen macht, wird beim Gesamtkonzern wohl ein externer Logistiker reüssieren. Peter Hasler hat für die Suche Headhunter Boyden beauftragt.