Einfach wird es Zurich in den Verhandlungen mit Stephen Hester nicht haben. Britische Medien bezeichnen den Chef des Versicherers RSA als «harten Hund» oder sogar «einen der härtesten Typen Londons». Und genau mit diesem harten Hund müssen sich das Management und der Verwaltungsrat des Schweizer Konzerns nun an einen Tisch setzen und einen Kompromiss finden. Sie wollen RSA kaufen.

Der RSA-Verwaltungsrat wolle den Aktionären die Annahme des Angebots empfehlen, heisst es von Zurich. Dennoch ist der Deal noch nicht besiegelt. Es müsse «eine zufriedenstellende Einigung über die weiteren Konditionen» geben, so RSA. Zurich will 550 Pence pro Aktie zahlen, die Briten wollen 600 Pence oder 9 Prozent mehr. Die Verhandlungen dürften hart werden. «Ich hasse es, nicht zu gewinnen», sagte Hester einmal in einem Interview. «Ich hasse es!»

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Harter Bankensanierer

Die Äusserung stammt noch aus Hesters Zeit als Konzernchef der Royal Bank of Scotland (RBS). Dort übernahm der 54-Jährige 2008 das Ruder. Sein Handwerk gelernt hatte er zuvor 19 Jahre lang bei der Credit Suisse. Seine Aufgabe bei der Royal Bank of Scotland: Das drittgrösste Finanzinstitut Europas nach der Staatsrettung aus der Krise zu führen. Mit 45 Milliarden Pfund hatte die britische Regierung die Bank stützen müssen.

Mit Hester kamen harte Einschnitte. Die Bank baute etwa 35’000 Stellen ab. Das führte zum Erfolg. 2014 machte die RBS bereits wieder einen Betriebsgewinn von 3,4 Milliarden Pfund.

Kein Sympathieträger

Zum Sympathieträger schaffte es Hester aber nicht. Schon anlässlich seines Antritts bei der RBS stürzten sich die britischen Medien auf den Oberschichtenbürger. Sie fragten: Kann so ein Mann die Exzesskultur bei der Bank wirklich beenden?

Die Skepsis war nicht unbegründet: Hester und seiner damaligen Frau gehörten diverse Anwesen im Wert von mehreren Millionen Pfund – in London und auf dem Land. Im Schweizer Luxus-Skiort Verbier besitzt Hester ein Chalet, dessen Wert auf rund 9 Millionen Franken geschätzt wird. Ein Hobby, das er und seine Ex-Frau teilten: Die Fuchsjagd – ein umstrittener Zeitvertreib der britischen Aristokratie.

Königliches Gehalt

Die Bilder vom untersetzten Stephen Hester in Reitkluft geisterten auch ein paar Jahre nach seinem Antritt wieder durch die Presse. Der Grund: Hester kassierte bei der RBS ein königliches Gehalt, dabei war die Bank ja quasi ein Staatsbetrieb. Die Boni der Investmentbanker beliefen sich auf über 1 Milliarde Pfund – ein Kulturwechsel, so befand die Öffentlichkeit, sah anders aus.

Ganz uneinsichtig war Hester nicht: «Wenn Sie meine Eltern fragen würden, ob meine Bezahlung angemessen ist, würden sie wohl sagen, sie sei zu hoch», sagte er der britischen Zeitung «The Guardian». Seine Rechtfertigung: Er habe die Rolle übernommen und eine ähnliche Vergütung wie sein Vorgänger verlangt. Und der sei bei einem privaten Unternehmen angestellt gewesen. Dennoch gab Hester dem öffentlichen Druck nach und verzichtete schliesslich auf seinen Bonus – entschlossen hatte er sich dazu während seiner Skiferien in Verbier.

Vor der Privatisierung weg

Er habe darüber nachgedacht, im Zuge der Bonusaffäre zurückzutreten, erinnerte er sich später. Doch er tat es nicht. Weil er eben nicht gern verliert. 2013 verliess er die RBS dann doch – freiwillig, so hiess es. Doch inoffiziell war man sich einig: Es war zum Eklat zwischen Hester und dem britischen Schatzkanzler George Osborne gekommen, der andere Pläne für die Zukunft der Bank hatte.

Das Sanieren konnte Hester nicht lassen. Im Februar 2014 wurde er zum Chef von RSA ernannt. Sein Vorgänger musste nach vier Gewinnwarnungen in Folge und einem Bilanzskandal den Hut nehmen. Das Eigenkapital war zusammengeschmolzen, die Verluste stiegen. Hester war in seinem Element. Auch bei RSA – der ehemaligen Royal & Sun Alliance – lancierte er ein Sparprogramm. Auch bei RSA hatte er damit Erfolg. Und auch bei RSA gab es wieder einen Skandal um die Bezahlung. In der Generalversammlung in diesem Mai stimmte ein Drittel aller Aktionäre gegen das Gehalt, das RSA dem Chef zahlen wollte. Das Bonuspaket, das ihm Auszahlungen von fast 6 Millionen Pfund gewähren sollte, sei überhöht angesetzt, so die Kritik. Die Restrukturierung sei noch nicht abgeschlossen.

Abgang bei Zurich-Deal

Genau deshalb dürfte Hester nicht so einfach nachgeben, wenn es um den Verkauf von RSA geht. Er hat das Unternehmen zwar aus dem Sumpf gezogen – doch komplett ist der Erfolg nicht, wenn es keinen guten Kaufpreis gibt.

An Bord bleiben, so ist der Konsens in der Branche, würde Hester nicht, falls Zurich tatsächlich ans Ziel kommt. Doch es dürfte nicht lange dauern, bis er den nächsten Finanzkonzern zum Sanieren gefunden hat – in der Branche nennt man Hester nicht umsonst den «Serien-Sanierer».