Für einen Beamten stehen Sie in letzter Zeit oft im Rampenlicht. Behagt Ihnen diese Rolle?
Peter Füglistaler: Es ist eine Rolle, die ich nicht suche. Dass ich aber öffentlich auftrete, gehört zu meiner Funktion.

Sie scheinen damit aber kein Problem zu haben.
Die Auftritte haben sich zuletzt etwas gehäuft. Natürlich ist es schöner, wenn man gute Botschaften verkünden kann. Aber es gibt leider auch andere Themen. Gerade mit Postauto war es eine Zeit lang sehr intensiv.

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Mit der Aufdeckung des Postauto-Skandals hat das BAV ein regelrechtes Erdbeben ausgelöst. Sind Sie stolz darauf oder ärgern Sie sich, die Trickserei nicht früher erkannt zu haben?
Auf eine solche Situation kann man nicht stolz sein, zumal sich die Falschbuchungen über Jahre hingezogen haben. Dank unserer Revision wurden sie dann aber entdeckt. Uns alle hat das sehr belastet und betroffen gemacht. Wir mussten hartnäckig sein. Am Schluss konnten wir dazu beitragen, dass die Situation auf den Tisch gekommen ist und nun bereinigt wird.

Was wird das BAV tun, damit so was nicht mehr geschieht?
Wir haben unsere Lehren gezogen. Verschiedene Massnahmen liegen im Entwurf vor, etwa welche Rolle dem BAV bei der subventionsrechtlichen Prüfung zukommen soll. Weiter erarbeiten wir Vorschläge zur Verwendung von Gewinn und Reserven.

Welche?
Die Vorschläge sind noch nicht spruchreif. Sie sind Bestandteil einer laufenden Reform des Bestell- und Finanzierungssystems im Regionalverkehr, da werden wir voraussichtlich bis Ende Jahr eine Vernehmlassungsvorlage präsentieren.

Was soll sich im Regionalverkehr konkret ändern?
Wir sind zusammen mit den Kantonen daran, das System zu überprüfen. Es werden zwei Vorschläge ausgearbeitet: Erstens eine Verbesserung des Bestellprozesses mit mehr unternehmerischen Anreizen. Zweitens wird geprüft, die gesamte Bestellung im Busbereich in die alleinige Kompetenz der Kantone zu übertragen. Heute ist das eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen.

Was ist dann besser?
Heute wird alles gemeinsam gemacht und am Schluss resultieren zwei identische Verträge. Mit dieser Variante würden Aufgaben entflechtet. Die Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten wären klarer zugeordnet.

Sie standen nicht nur wegen des Postauto-Skandals in der Öffentlichkeit. Sondern auch, weil Sie das Monopol der SBB aufbrechen, indem Sie der Konkurrentin BLS zwei Strecken im Fernverkehr zusprechen.
Die SBB sind heute einfach die einzigen Bahnen, die eine Konzession für den Fernverkehr haben. Gesetzlich war es aber schon immer möglich, dass mehrere Bahnen Fernverkehr betreiben. Und bis 2004 waren es mit der BLS und den SBB ja auch zwei Bahnen im Fernverkehr.

Angestossen haben das Ganze aber Sie.
Wir haben grundsätzlich eine offene Haltung zum Wettbewerb. Wir haben in der Schweiz ja viele Bahnen. Gerade im Regionalverkehr lebt das System davon, dass wir viele Transportunternehmen haben, die sich zwar nicht unmittelbar konkurrenzieren, aber doch immer wieder neue Ideen entwickeln, die jeweils die ganze Branche beflügeln. Daher ist es naheliegend, dass wir diese Vorteile, die wir aus dem Ideenwettbewerb im Regionalverkehr ziehen, auch im Fernverkehr nutzen wollen, wie es mit der von uns vorgeschlagenen Vergabe der Konzessionen geplant ist. Jetzt läuft die Anhörung dazu.

Oberster Bähnler

Name: Peter Füglistaler

Funktion: Direktor der Bundesamts für Verkehr

Alter: 58

Familie: verheiratet, zwei erwachsene Töchter

Ausbildung: Studium der Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen, Promotion

Karriere:

1999 bis 2001: Generalsekretär bei den SBB, Führung des Generalsekretariats mit 140 Mitarbeitenden

2001 bis 2010: Finanzchef Infrastruktur bei den SBB, Führung der Finanzabteilung mit 250 Mitarbeitenden

Seit 2010: BAV-Direktor

Ehrenamt: Präsident des Michaels Chor in Wabern BE

Peter Füglistaler: «Längerfristig dürfte sich das GA verteuern. Ichwürde es aber nicht abschaffen.»

Das ist doch nur ein Scheinwettbewerb. Beide Bahnen gehören letztlich der öffentlichen Hand. Es besteht die Gefahr, dass es am Schluss teurer wird.
Mit unserem Vorschlag soll der öffentliche Verkehr für den Steuerzahler billiger werden. Es braucht weniger Subventionen, weil gewisse Linien im Fernverkehr statt im Regionalverkehr und damit neu ohne Abgeltungen gefahren werden. Mit dem neuen Deckungsbeitrag im Fernverkehr wollen wir zudem einen Anreiz setzen, entweder die Billettpreise zu senken oder mehr Geld via Trassengebühren in die Infrastruktur fliessen zu lassen. Das entlastet den Steuerzahler ebenfalls.

So richtig zufrieden sind nun weder die SBB noch die BLS. Haben Sie zu viel Unruhe verursacht?
Nein, überhaupt nicht. Beide haben mit ihren Gesuchen für den Fernverkehr Maximalforderungen eingegeben: Die SBB für das gesamte Netz, die BLS hat ein relativ anspruchsvolles Konzept für mehrere Linien eingereicht. Es können nicht beide das Maximum bekommen. Deshalb haben beide reagiert, es läuft jetzt ja auch noch die Anhörung. Aber das ist halt auch Wettbewerb: Man kämpft um Leistungen und muss mit dem zufrieden sein, was man gewinnt.

Eine Bahn darf künftig nur noch 8 Prozent Umsatzrendite erzeugen. Macht sie mehr, muss sie die Tickets billiger geben. Mit einer Deckelung lähmen Sie doch die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens?
Das BAV vergibt die Fernverkehrskonzession. Da müssen wir eine Lösung finden, die für mehrere Parteien mit zum Teil unterschiedlichen Interessen passt: Da ist einerseits die Bahn, die eigenwirtschaftlich ihr Angebot betreiben soll. Anderseits will der Kunde eine möglichst gute Leistung zu günstigen Preisen. Und weiter gilt es auch die Interessen des Steuerzahlers zu berücksichtigen, der für das subventionierte System nicht zu viel ausgeben will. Dass die Bahnen möglichst viel Gewinn machen wollen, ist aus ihrer Perspektive gerechtfertigt. Wir aber müssen einen breiter abgestützten Entscheid fällen und ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessen finden. Und 8 Prozent Umsatzrendite ist eine faire Zahl. Diese erreicht man im Transportgewerbe kaum. Wir sind da also durchaus grosszügig.

Anders gesagt: Haben die SBB zuvor zu viele Subventionen eingestrichen und die Tickets zu teuer verkauft? Hätten Sie das nicht früher bremsen müssen?
Im Fernverkehr kann man gute Gewinne machen. Das ist auch das Ziel und die Aufgabe des Unternehmens. Aber als Konzessionsbehörde haben wir nicht die Maximierung des Gewinns im Auge, sondern die Aufgabe, für einen Ausgleich unter den verschiedenen Interessen zu sorgen. Und deshalb braucht es ein Gleichgewicht zwischen Gewinn, Kunde und Steuerzahler. Es ist unsere Aufgabe, einen Vorschlag dazu zu machen.

Trotzdem heisst das doch, dass die SBB vorher zu viel Gewinn gemacht haben.
Der Gewinn im Fernverkehr liegt im Bereich von 170 Millionen Franken pro Jahr. Das erlaubt den SBB, den Fernverkehr nachhaltig zu betreiben. Das haben wir bisher auch nicht kritisiert. Für die zukünftige Entwicklung sind wir der Ansicht, dass eine solche Gewinnhöhe ausreichend ist und sie deshalb nicht zu steigen braucht.

Was sagen Sie zum Vorwurf, dass Sie mit Ihrem Bestreben, den Fernverkehr zu öffnen, zu viel Politik betreiben würden?
Nach dem heutigen Gesetz ist es möglich, dass jede Bahn ein Konzessionsgesuch einreichen kann. Wir werden auch alle Entscheide gemäss geltendem Gesetz treffen, ansonsten wären wir angreifbar. Jeder Entscheid vom BAV kann vom Bundesverwaltungsgericht überprüft werden.

Das Schweizer ÖV-System ist penibel austariert und funktioniert präzise wie ein Uhrwerk. Das geht nur, weil alle Beteiligten eng zusammenarbeiten. Wird das nicht gefährdet durch mehr Konkurrenz, wie das die SBB sagen? Oder ist das bloss Angstmacherei?
Sie können an jeden grösseren Schweizer Bahnhof gehen und sehen dort Züge von mehreren Bahnunternehmen. Das funktioniert hervorragend dank der engen Zusammenarbeit in der Branche. So werden etwa die Tarife gemeinsam festgelegt im sogenannten direkten Verkehr. Der Ausbau der Bahnen wird ebenfalls gemeinsam geplant. Zudem sind die Bahnen gesetzlich dazu verpflichtet, sich bei Störungen gegenseitig zu unterstützen. Diese Zusammenarbeit ist bei den Eisenbahnern tief verankert. Das Schweizer System lebt also von der Zusammenarbeit – diese wird im touristischen sowie regionalen Verkehr heute schon gelebt und wird auch problemlos im Fernverkehr funktionieren.

Eine Öffnung streben Sie ja nicht nur im Fernverkehr an. Wieso braucht es die gesamte Liberalisierung mit Fernbussen und ausländischen Zugunternehmen, die in die Schweiz fahren dürfen?
Diese angebliche Liberalisierungswelle muss ich stark relativieren: Wir bezahlen pro Jahr 6,5 Milliarden Franken an Subventionen. Der ÖV ist überwiegend ein bestellter Verkehr. Auch eine Konzession ist ein Linien- und Gebietsmonopol für eine Schweizer Bahn. Das Schweizer Bus- und Bahnwesen ist alles andere als geöffnet.

Aber Sie öffnen es nach und nach.
Um die Effizienz weiter zu verbessern, können einzelne Wettbewerbselemente helfen. Fernbusse, die pro Tag wenige hundert Personen transportieren, sind ein kleines Nischenangebot in der Schweiz und nicht die grosse Liberalisierungswelle. Es ist auch keine Liberalisierungswelle, wenn wir die bisherigen Bahnen in einem Ideenwettbewerb anreizen, besser zu werden.

Wie sollen sie konkret effizienter werden?
Wenn zwei Bahnen um Linien konkurrenzieren müssen, werden die Kosten ein Faktor. Und der Fernbus stellt seinerseits eine Alternative für Kunden zur Verfügung, die zwar mehr Zeit, aber wenig Geld haben. Das erzeugt einen gewissen Druck, damit das ÖV-System nicht immer teurer wird. Bahnen reagieren zum Beispiel mit Sparbilletten darauf und bieten dem Kunden bessere Lösungen an.

Was ist mit ausländischen Bahnunternehmen? Laut den SBB bestehe die Gefahr, dass sie in die Schweiz kommen und die lukrativen Strecken herauspicken. Realistisch?
Wir erteilen diesen Sommer die neuen Fernverkehrskonzessionen. Danach sind diese für zehn Jahre vergeben. Daneben prüfen wir, ob für den internationalen Verkehr, der heute jeweils in Kooperation zwischen den Staatsbahnen geführt wird, eine Bahn auch im Alleingang ein internationales Angebot fahren kann. Dies gilt jedoch nur für ein grenzüberschreitendes Angebot – der Hauptzweck muss internationaler Verkehr bleiben. Es betrifft also nur einige wenige Verbindungen.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Vor drei Jahren stellten die SBB und die SNCF die Verbindung BernParis ein. Wenn das nun für jemanden lukrativ ist, wären ausserhalb des Taktverkehrs eine oder zwei Verbindungen nach Paris denkbar. Neu wäre bei entsprechenden Änderungen allenfalls gesetzlich möglich, dass eine ausländische oder auch eine Schweizer Bahn diese Verbindung im Alleingang anbieten könnte. Basis dafür sind die Gegenrechte mit der EU. Diese kleine Öffnung würde dazu beitragen, dass sich die bisherigen Bahnen im internationalen Verkehr optimal positionieren müssen.

Gibt es schon Anfragen?
Bisher nicht.

Haben wir in ein paar Jahren ein flächendeckendes Fernbusnetz?
Das zu sagen wäre spekulativ. Wir machen nun Erfahrungen mit ersten Linien. Wir sind auch gespannt, ob das überhaupt wirtschaftlich tragfähig ist. Die Fernbusse bekommen ja keine Subventionen.

Das BAV

Peter Füglistaler leitet das in Ittigen BE beheimatete Bundesamt für Verkehr (BAV) seit 2010. Dem Amt mit 320 Mitarbeitenden stehen jährlich 5,6 Milliarden Franken bereit. Damit sorgt es dafür, dass der öffentliche Verkehr reibungslos funktioniert und sich laufend den Veränderungen anpasst. Laut eigenen Aussagen steht das BAV im Zentrum des besten öffentlichen Verkehrsnetzes.

Das BAV ist zuständig für die Sicherheit, Finanzierung, Infrastruktur und die rechtlichen sowie politischen Rahmenbedingungen von Eisenbahn, Bus, Tram, Seilbahnen und Schifffahrt sowie für wesentliche Bereiche des Güterverkehrs. Unterstellt ist das BAV dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek).

In den Metropolen stösst das ÖV-Netz an seine Grenzen. Was gibt es für Lösungen?
Im Herbst wird der Bundesrat den Ausbauschritt 2035 verabschieden. Bestehende Netze werden ausgebaut und die Kapazitäten erhöht. Anders können wir das Passagierwachstum nicht bewältigen.

Der Ausbau von Infrastruktur löst das Problem nur zum Teil. Denn das System ist nur zu bestimmten Zeiten überlastet, während sonst viele Plätze leer sind. Braucht es dynamische Preise, also ein sogenanntes Mobility Pricing?
Da sind wir noch in der Konzeptphase und testen, wie man so ein System konkret umsetzen könnte. Mit Mobility Pricing liesse sich der Preismechanismus besser einsetzen, sodass jene Leute, die nicht zu Stosszeiten fahren, einen preislichen Vorteil haben. Damit könnte man den Verkehr im Tagesverlauf etwas glätten.

Man würde Sparbillette ausweiten?
Es ist politisch sicher einfacher umsetzbar, wenn der Kunde dank finanziellen Anreizen sparen kann. Letztlich liegt die Kompetenz zur Festlegung der Tarife aber bei den Transportunternehmen.

Pendler, die nicht einfach auf Randzeiten ausweichen können, würden bei einer Verteuerung der Preise zu Spitzenzeiten bestraft!
Inwiefern ein Pendler seinen Wohn- und Arbeitsort wählt, ist sein persönlicher Entscheid. Es gibt viele Leute, die nahe am Arbeitsplatz wohnen und die der Allgemeinheit nicht so viele Kosten verursachen. Ist es richtig, dass alle anderen diejenigen subventionieren, die dort arbeiten, wo sie viel verdienen, und dort wohnen, wo sie nicht viel bezahlen müssen? Dies ist der Entscheid des Einzelnen.

Käme Mobility Pricing, wäre das Generalabonnement (GA) wohl am Ende.
In fast allen Märkten gibt es für Vielnutzer meistens einen Deckel, eine Flatrate. Denken Sie etwa an Handy- oder TV-Abos. Im öffentlichen Verkehr ist dieser Deckel heute ziemlich tief festgelegt. Es gibt auch immer weniger Streckenabos, da die Passagiere schnell auf ein GA wechseln. Die Branche könnte das Sortiment erweitern und den Kunden mehr anbieten. Längerfristig dürfte sich das GA tendenziell verteuern. Ich sehe aber keinen Grund, es abzuschaffen.

In welchem Zeitraum ist eine solche Änderung denkbar?
Das liegt in der Kompetenz der Transportunternehmen. Einen Einfluss hat auch, wie schnell die Branche Angebote entwickelt, die eine neue Preislogik ermöglichen. Etwa wie mit der App Lezzgo oder Fairtiq, die erst am Ende einer Fahrt mit Bahn und Bus abrechnen und den besten Preis ermöglichen. Dank solchen Angeboten werden in den nächsten Jahren schrittweise neue Tarifsysteme entstehen.

In den nächsten Jahren wird der öffentliche Verkehr also teurer?
Da sind wir wieder bei der Effizienz der Unternehmen. Es stellt sich die Frage, wie gut es die Unternehmen machen. Wenn sie ihren Anspruch nach Tarifsenkungen umsetzen wollen, müssen sie effizienter produzieren.

Welche neuen Mobilitätsträger kommen auf uns zu?
Eine durchgängige Verkehrsnutzung ist die Zukunft. Das heisst: Man bezahlt mit seinem Ticket nicht nur die Bahn, sondern kann auch ein Abo kaufen, in dem zum Beispiel Taxi-Stunden integriert sind. Die Kunden werden sich von der Fixierung auf bestimmte Mobilitätsträger lösen und sich allgemein Mobilität einkaufen – und das wird dann die jeweils bestmögliche Mobilität sein, die den Kunden zum gewünschten Ziel bringt.

In zwei Jahren sind Sie zehn Jahre beim BAV. Werden Sie da auch pensioniert?
Wenn ich aufs Pensionsalter schaue, dürfte ich noch etwas bleiben. Ich werde so lange bleiben, wie ich Ideen habe für den ÖV. Wenn ich keine Ideen mehr habe, dann gehe ich.