Für das Konkursamt Luzern West ist die Folag AG eine der grössten Herausforderungen: Nach über 45 Jahren musste der Verpackungsspezialist aus Sempach kürzlich Insolvenz anmelden. 67 Mitarbeitende am Standort verloren ihre Stelle. Dutzende weitere bringt der Verpackungsspezialist nun in einer Auffanggesellschaft unter. «Folag war einer der grössten Arbeitgeber der Region – und damit entsprechend wichtig», sagt der ehemalige Geschäftsleiter Erich Steiner.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das Traditionsunternehmen steht nicht allein, sondern stellvertretend für Hunderte Schweizer Firmen, die in diesem Herbst dem Währungsschock erliegen. Besonders hart trifft es Unternehmen in jenen Branchen,  die ohnehin schon unter gewaltigem Anpassungsdruck stehen. Dazu gehören neben der Verpackungsindustrie die Papierbranche, ebenso Teile des verarbeitenden Gewerbes.

4400 Unternehmen müssen 2015 dichtmachen

Weil der starke Franken den Einkaufstourismus florieren lässt, leidet zunehmend auch die Textilbranche: Ebenfalls erst in diesem Herbst meldeten die Bekleidungsketten Bernie’s und Companys Konkurs an.

Aktuell spitzt sich die Lage zu: Laut Wirtschaftsdienst Bisnode legte die Zahl der Insolvenzen im Oktober um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu, bei 10 Prozent weniger Neugründungen. Der Kreditversicherer Euler Hermes kommt zu dem Schluss, dass 2015 der Schweiz 4 Prozent mehr Firmeninsolvenzen bringt als das Vorjahr. 4400 Unternehmen rutschen in die Pleite, analysieren die Experten in einer neuen Studie, die der «Handelszeitung» vorab vorliegt. Damit gibt es nach einer kurzen Erholung sogar erstmals wieder mehr Insolvenzen als vor der Finanzkrise 2007/08.

Lektion gelernt: Euro-Zone steht besser da

«Die Schweiz schwimmt gegen den Strom, in den meisten Ländern Europas sinkt die Zahl der Insolvenzen in diesem Jahr deutlich», sagt Stefan Ruf, Geschäftsleiter von Euler Hermes Schweiz. So dürfte es in der Euro-Zone rund ein Zehntel weniger Firmenkonkurse geben. Fast überall macht sich die wirtschaftliche Erholung spürbar bemerkbar – selbst in den Problemländern Italien und Spanien.

Als Musterschüler gelten Deutschland und Grossbritannien. Der lange Überlebenskampf seit der Finanzkrise trägt offenbar Früchte:  Die meisten Länder Europas hätten es geschafft, ihre Kostenstrukturen anzupassen, Schulden zu tilgen und die Margen zu erhöhen, analysiert der Kreditversicherer Coface.

2016 könnte die Baubranche in den Fokus rücken

Während Europa also wieder auf die Beine kommt, kämpft so mancher Schweizer Unternehmenslenker um die Existenz. Zumal für 2016 ein weiterer leichter Anstieg der Firmenkonkurse erwartet werden muss, so Euler-Hermes-Chef Ruf. «Es gilt, die Bauindustrie aufmerksam zu verfolgen – da könnte eine Produktionsabschwächung mehr Insolvenzen nach sich ziehen.»

Die Schweizer Herausforderungen erschöpfen sich jedoch nicht in der Bewältigung einer um 10 Prozent aufgewerteten Währung. Vielmehr muss auf die weltwirtschaftlichen Umwälzungen reagiert werden. Galten die sogenannten Bric-Staaten einst als grosses Versprechen für viele Schweizer Exporteure, ist die Lage dort heute teils desaströs: Brasilien steckt in der Rezession, Russlands Wirtschaftsleistung dürfte in diesem Jahr um fast 4 Prozent einbrechen. In Indien ist die Euphorie um die Regierung Narendra Modis verflogen – und China wartet seit Monaten mit immer neuen Hiobsbotschaften auf.

Geografische Diversifizierung anstreben

So nennt denn auch der Euler-Hermes-Chef die wirtschaftliche Malaise in den grossen Schwellenländern als grösstes Risiko für die Exportwirtschaft. «Für Schweizer Firmen wird es immer schwerer, ihre Umsätze in den einstmals aufstrebenden Ländern zu steigern.» Versuchen sollten sie es dennoch: Laut Ruf führt an einer weiteren geografischen Diversifizierung – etwa in die arabischen Staaten – kein Weg vorbei.

Auch die Folag aus Sempach ging den Weg nach Südostasien und baute eine Produktionsstätte in Vietnam auf. Genützt hat es am Ende nichts.