Die Nachricht liess am Montagmorgen aufhorchen: Die Schweiz soll im kommenden Jahr einen neuen Billiglieger bekommen, meldete die «Financial Times». Ein Ryanair-Pilot will demnach mit drei Branchenkennern 100 Millionen Dollar auftreiben, um mit der neuen Marke (Arbeitstitel «Swiss Skies») Nordamerika, aber auch die Karibik und Asien zu bedienen –  mit Direktflügen.

Eine neue Billig-Airline für die Schweiz, startklar schon im nächsten Sommer: Kann das funktionieren? Und hätte ein solches Projekt Aussicht auf Erfolg?

Grundsätzlich gilt: Die Eintrittshürden im Aviatikmarkt für neue Anbieter sind eher niedrig, Flieger mieten oder kaufen und sie mit Personal und Passagieren in die Luft zu schicken, braucht in erster Linie nur viel Geld – und die nötigen Bewilligungen der Aufsichtsbehörden natürlich. Dennoch ist ein solches Projekt mehr als gewagt: Es gibt kaum eine Branche, in der sich so einfach und schnell so viel Kapital vernichten lässt, wie in der Luftfahrt. Trotzdem gibt es immer wieder vermögende Menschen, die es sich nicht nehmen lassen wollen, eine Airline zu finanzieren.

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Nur drei bis vier Slots wären nötig

Auch «Swiss Skies» ist auf Investorensuche – immerhin hat die Veröffentlichung in der FT als einer der weltweit führenden Finanz-Zeitungen dafür gesorgt, dass das Projekt weit über die Grenzen der Schweiz hinaus grosse Bekanntheit erfährt.

Doch was spricht für Basel als Standort? Der Flughafen ist interessant für Kunden aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland. Billigflieger Easyjet ist dort Marktführer, Swiss ist dort gar nicht mehr vertreten. Könnte «Swiss Skies» tatsächlich zum Zuge kommen? Aviatik-Experte Thomas Jaeger von der Beratungsfirma ch-aviation sagt: «Die Start- und Landerechte für die geplanten Direktflüge könnte die neue Airline sicherlich einfach bekommen, es bräuchte auch nur drei bis vier Slots am Tag.» Hinzu kommt, dass nicht nur mit Menschen, die in die Ferien reisen, sondern auch mit Grosskonzernen wie Roche und Novartis der Bedarf an Flügen ab und Richtung Basel gegeben sein sollte.

Viel Erfahrung

Interessant ist das Thema Billigflug auf der Langstrecke vor allem deshalb geworden, weil es mittlerweile neue und kleinere Flugzeuge wie vom Typ Airbus A321neo Long Range gibt, die trotz ihrer eher kleineren Grösse nonstop ohne zu tanken über den Atlantik fliegen können und wirtschaftlicher als bisher zu betreiben sind. Damit ergeben sich nun Strecken-Optionen, die Airlines bisher gescheut haben.

Zudem stehen hinter dem «Swiss-Skies»-Projekt Macher, die viel Erfahrung in der Branche haben. Dazu zählt Armin Bovensiepen, der zuvor bei Air Berlin und Austrian Airlines tätig war. «Wir haben ein komplettes Netzwerk geplant», sagt Bovensiepen der FT. Mehr will er allerdings nicht verraten.

Easyjet baut sein «Worldwide»-Angebot aus

Trotzdem sind Fachleute wie Thomas Jaeger skeptisch, was das Projekt angeht: «Es hat schon viele solcher neuer Langstrecken-Ideen gegeben, die meisten haben allerdings nicht funktioniert.» Zwar gebe es erfolgreiche Anbieter wie Jetstar in Australien, doch Jetstar habe schlagkräftige Partner, die helfen, für ausreichend Passagier-Nachschub zu sorgen.

Hinzu kommt, dass in Basel Easyjet nicht nur sein Angebot in Europa in den vergangenen Monaten erheblich ausgebaut hat. Ebenso ausgebaut wird das «Worldwide»-Angebot von Easyjet – dabei kooperiert das Unternehmen mit anderen Airlines auf der Langstrecke.

Auch andere Fluggesellschaften wie Norwegian haben zuletzt das Thema Langstrecke forciert und versucht, mit Günstigflügen über den Atlantik den etablierten Anbietern Marktanteile abzunehmen. Doch Norwegian steckt in grossen finanziellen Schwierigkeiten; statt eines starken Expansionswillens herrscht Ernüchterung. «Fakt ist, dass die drei grossen Airline-Verbünde die Rennstrecken zwischen Europa und Nordamerika beherrschen», sagt Jaeger von ch-aviation. Trotzdem gibt es weitere Anbieter, die ihr Glück probieren. So startet Primera Air mit Langstreckenflügen Richtung Nordamerika von Frankfurt und Berlin.

Üppiges Angebot für Schweizer Kunden

Ein Grund, weshalb erfolgreiche Billigflieger wie Easyjet und Ryanair bisher keine Langstreckenflüge anbieten, hat damit zu tun, dass es viel effizienter und kostengünstiger ist, ein Flugzeug lediglich auf der Kurz- und Mittelstrecke einzusetzen. Motto: Lieber die Flieger ständig auf kurzen Strecken fliegen lassen, als sie stundenlang quer über den Atlantik zu schicken – inklusive langen Standzeiten an Start- und Zielort. Ohnehin hätte es laut Jaeger «Swiss Skies» schwer, «die Kosten der Etablierten um bis zu 30 Prozent zu unterbieten».

Müssen Easyjet in Basel und Swiss, Edelweiss und Co. in Zürich wegen «Swiss Skies» nun zittern? Danach sieht es eher nicht aus. Zumal es ja nicht so ist, dass es an Angeboten für Schweizer Kunden mangeln würde: Gemessen an der Grösse der Schweiz haben sie nicht nur in Basel, sondern auch in Zürich mit Swiss und Edelweiss ein üppiges Angebot. Daher hat der neue Billigflieger viel Gegenwind. Und er hat ja gerade erst verkündet, das nötige Geld einzusammeln.

Auch was den Arbeitstitel ihres Projekts angeht, sollten die Macher nochmal überlegen. Der Blick ins Handelsregister zeigt: Es gab bereits eine Firma in der Schweiz, die sich unter dem Namen «Swiss Skies» mit wohl eher geringem Erfolg im Aviatikgeschäft probierte. Das Handelsregister offenbart, dass diese Firma nicht nur im Jahr 2005 in Liquidation war, sondern 2008 gelöscht wurde.

Tim Höfinghoff
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