Das Reich des Lächelns ist unwiderstehlich. Das Interieur vom Feinsten, die Imagebroschüren von kühler Eleganz, die Markenpflege perfekt, die Liste der abgeholten Preise (Unternehmerinnen des Jahres 2008, Private Dentistry Award 2008) beeindruckend und der Charme der beiden Mehrheitsaktionärinnen, Haleh und Golnar Abivardi, schier grenzenlos. Der Slogan, den sie ihrer Swiss-Smile-Gruppe verpassten, ist ihr persönliches Programm: «Ein Lächeln kann die Welt verändern.» Ob ein Dauerlächeln auch die betriebswirtschaftliche Realität der Dentalgruppe verändert?

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Diese sieht so aus: Bankschulden, Verluste, angespannte Liquidität. Nun macht sich auch noch Hektik beim eigenen Klinikpersonal breit. In diesem Jahr hat mindestens ein Drittel der Zahnärzte in den beiden Zürcher Praxen (Shopville, Bahnhofstrasse) gekündigt. Oder es ist ihnen gekündigt worden, zum Teil sogar fristlos. Gegangen sind die langjährigen Leiter der Kliniken in Zürich und London. Von den elf Partnern sind deren sieben weg. Nicht nur bei den Zahnärzten, auch beim übrigen Personal herrscht ein Kommen und Gehen, wie die «Staff-Meeting-Protokolle» zeigen.

Was ist los bei Swiss Smile, der Zahnarztkette, dem selbst ernannten «Pionier der Branche», der gemäss den Abivardis die internationale Dentalpflege revolutionierte und in der Schweiz derzeit vier Kliniken (Shopville, Bahnhofstrasse, St. Moritz, Baden) betreibt?

Die Abivardi-Schwestern haben mit 100 000 Franken Eigenkapital innert acht Jahren eine kleine Firmengruppe mit rund 19 Millionen Franken Umsatz aufgebaut. In der Schweiz ist das operative Geschäft rentabel, der Nettojahresgewinn 2010 beträgt 749 588 Franken (2009: 6711 Franken). Eine beeindruckende Leistung zweifellos. Ihr forsches Expansionstempo und ihre glamourösen Auftritte brachten die weiss gewandete Konkurrenz auf dem 150-Millionen-Markt Zürich ins Zittern: Das Zahnarztgeschäft in der Metropole ist hart umkämpft, man buhlt um jeden Patienten. Die Abivardis, aus Iran stammend, schafften es, sich im gesättigten Markt festzukrallen.

Globaler Brand. «Swiss Smile ist der einzige globale Brand in der Dentalmedizin», lautet seit dem Start das Mantra von VR-Präsidentin Haleh Abivardi, der älteren der Schwestern. Der Vision folgten alsbald Taten. Ab 2008 setzte Swiss Smile zur Auslandexpansion an. Mal war von den Vereinigten Arabischen Emiraten die Rede, dann von Spanien, von Deutschland, Italien und Indien. Im Businessplan von Swiss Smile vom Herbst 2009 zeigte jede Kurve himmelwärts: Umsatz, Ebitda, Reingewinn, Zahl der Filialen. Deren 50 sollten es im Ausland sein.

Die Swiss-Smile-Filiale in London öffnete Ende 2007, jene in Bangalore – als Joint Venture gestartet – 2009. Der Plan: Mit Auslandfantasien sollte die Firma für ein IPO hochgetrimmt werden. Die Investoren, Haleh und Golnar Abivardi, und die Bank am Bellevue, die mit ihrem BB Biotech Ventures Fund einstieg, witterten den grossen Deal.

Schiffbruch erlitt die eigenfinanzierte Auslandstrategie bereits beim ersten Zielobjekt – London. Am teuersten Eck, an der Brook Street, wurde die Flaggschiff-Klinik Swiss Smile aufgebaut, zwei weitere sollten in der City folgen. Die Miete der zwei Stockwerke an der Brook Street: 500 000 Franken im Jahr, abgeschlossen wurde der Mietvertrag für 
15 Jahre. Beim Umbau war man grosszügig. Den Generalunternehmer flog man aus Luzern ein, den Kronleuchter für 75 000 Franken aus Murano bei Venedig. Gemäss Firmenpräsentation («Investment Proposal») aus dem Jahr 2009 sollte der Londoner Umsatz 2010 bei 8,3 Millionen Franken liegen. Tatsächlich ist es 
die Hälfte.

Wertberichtigung. In den Revisionsberichten von PricewaterhouseCoopers hat die Auslandexpansion in den letzten beiden Jahren tiefe Spuren hinterlassen. Da ist die Rede von «Wertberichtigung», von einem Abschreiber von 2 Millionen und einem Nettoverlust von 2,8 Millionen Franken. Moniert wird auch, dass die interne Finanzkontrolle angesichts der Grösse der Firma, der Komplexität und des Risikos verbessert werden muss.

Im Jahresbericht 2010 schreiben die beiden Mehrheitsaktionärinnen – die Abivardi-Schwestern halten 64 Prozent an Swiss Smile: «Auch das Geschäftsjahr 2010 stand ganz im Zeichen der Konsolididerung.» Und weiter: «Die angespannte Liquiditätssituation strapaziert unsere Managementkapazitäten sehr stark.» Der Verwaltungsrat habe aber zahlreiche Massnahmen eingeleitet, um die Situation zu stabilisieren. Auf die Frage nach der Finanzlage der Gruppe schreiben die Abivardi-Schwestern der BILANZ: «Die Liquidität der Swiss Smile Holding ist nicht angespannt.» Im Übrigen sei die 
finanzielle Lage «stabil».

2009 stand die stark wachsende Klinik-Gruppe faktisch am Abgrund. Der Aufbau der Klinik Swiss Smile in London lief aus dem Ruder. 2008 fiel dort ein Nettoverlust von 2,5 Millionen Franken an, 2009 soll es gar das Doppelte gewesen sein. Trotz den roten Zahlen liest man im Company Report vom Herbst 2009: «Das Geschäftsmodell hat sich in London durchgesetzt.»

Unter dem Strich dürfte das London-Abenteuer die Schweizer Zahnklinik-Gruppe zehn Millionen Franken gekostet haben. Sie hat der in der Schweiz florierenden Firma fast das Genick gebrochen. Die Aufbaukosten in London, meint Abivardi, seien notwendig gewesen, «um die Marke weltweit bekannt zu machen».

Für etwas Entspannung in den Finanzen sorgte der Zürcher Banker Thomas Matter. Er schoss Anfang 2010 frisches Kapital ein und zog als neuer Aktionär in den Swiss-Smile-Verwaltungsrat ein. Mit dabei war auch Daniel Hefti, ein langjähriger Matter-Mann, der dessen Neue Helvetische Bank leitet.

Im neu formierten Verwaltungsrat kam es im April 2010 zur strategischen Wende: Verkauf von Swiss Smile Grossbritannien mit der Klinik in London, Reduktion der Beteiligung an Swiss Smile India von 50 auf 10 Prozent. Fortan setzte man auf ein erprobtes Franchise-Modell: Swiss Smile liefert Know-how sowie Branding und kassiert im Gegenzug Umsatzprozente. Ein skalierbares Modell, das zwar keinen Glamour, dafür aber einen steten Einnahmenfluss generiert.

Weiter ist man daran, einen Vier-Millionen-Kredit, den die UBS zur Auslandexpansion gewährte, abzutragen. Noch stehen zwei Millionen in den Büchern, in ein bis zwei Jahren sollte die Firma schuldenfrei sein. 2011 dürfte die Gruppe, falls man die Personalabgänge unbeschadet übersteht, vielleicht sogar mit einer schwarzen Null abschliessen. Zweifellos ein Zwischenerfolg für die Abivardis.

Der Traum geht weiter. Trotz der teuren Erfahrung auf fremden Märkten ist der Traum von der «globalen Expansion» offenbar noch nicht endgültig vom Tisch: Im Frühling 2010, als der Rückzug aus England und Indien im Verwaltungsrat längst beschlossene Sache war, meinte Haleh Abivardi in der Presse: «Für uns ist Indien der erste Schritt nach Asien.» In den nächsten drei Jahren wolle man in Indien zehn Kliniken eröffnen. Die Swiss-Smile-Präsidentin, Mutter von vier Kindern, ist in ihrer Dynamik auch heute kaum zu bremsen: In einer Mail an BILANZ schreibt sie: «Wir haben die Option, unsere Beteiligungen in UK und Indien auf 51 Prozent zu erhöhen.»

Erhöhen? Jene in London ist doch eben auf null, jene in Indien auf zehn Prozent abgebaut worden. Haleh Abivardis Anwort: «Im Vertrag haben wir eine entsprechende Option.»

Der Besitzer von Swiss Smile India und Swiss Smile United Kingdom heisst längst nicht mehr Abivardi oder Swiss Smile Holding, sondern Satish Chandra. Der indische Investor stammt aus einem Industriellenclan und ist in der Bau- und Softwarebranche engagiert. Chandra ist Partner bei der Zürcher Investmentfirma Emerald Asset Advisory, wo auch Swiss-Smile-COO Clifford zur Nieden als Partner fungiert. Zu vermuten ist, dass zur Nieden den finanzkräftigen Inder ins Boot holte. Gerüchteweise soll der Mann aus Bangalore gar an einer Übernahme der gesamten Swiss-Smile-Gruppe interessiert sein. Er selber mag sich zu seinem Dental-Investment nicht äussern. Haleh Abivardis Kommentar zu möglichen Verkaufsplänen: «Im Vordergrund steht für Swiss Smile ein stabiles und nachhaltiges Wachstum.»

Nun also werden – vermutlich – kleinere Brötchen gebacken. Nach Baden soll demnächst eine Zahnarztpraxis über dem Zürcher Bahnhof Stadelhofen in die Gruppe integriert werden.