Die Erholung der Weltwirtschaft, der Aufschwung an den US-Börsen und der erstarkte Dollar schlagen sich bei einer Klientel sichtbar nieder, die es ohnehin schon dicke hat: den nach US-Dollar bemessenen Milliardären. Ihre Vermögen und ihre Zahl haben sich in nur einem Jahr sprunghaft erhöht. 1867 Milliardäre konnte der in Shanghai lebende Brite Rupert Hoogewerf zum Stichtag 17. Januar für seine neue globale «Hurun-Reichenliste 2014« aufspüren. «Das sind 414 mehr als die 1453 Milliardäre auf meiner Vorjahresliste», sagte Hoogewerf bei der Vorstellung seines Reports in Peking.
Er gewinnt daraus eine neue Erkenntnis: Die Industrieländer produzieren wieder schneller Milliardäre als die aufstrebendenSchwellenländer und BRICS-Staaten. Die Milliardenvermögen hätten sich im Jahr 2013 vor allem über die Börsen (in den USA plus 33 Prozent), Technologie und den IT-Boom und nicht mehr wie zuvor vor allem über Immobilien- oder Bodenspekulation vermehrt, womit vor allem Asiaten und Chinesen märchenhafte Reichtümer ansammelten. So zählen die USA mit 481 Milliardären 72 mehr als im Vorjahr und haben die Nase wieder weit vorn. China wächst langsamer. Es behauptet aber seinen zweiten Platz mit 358 Milliardären. Das sind 41 mehr als im Vorjahr.
Das Comeback von Bill Gates
In den USA trieben TMT (Technologie, Medien und Telekommunikation) die rasche Vermehrung der Vermögen an. Das macht sich bemerkbar: Paradebeispiel ist das Comeback von Bill Gates, dessen Vermögen um 14 Milliarden auf 68 Milliarden US-Dollar wuchs und so 26 Prozent Zugewinn einstreichen konnte. Er behauptet wieder Platz eins und entthronte den einstigen Spitzenplatzhalter und Mexikaner Carlos Slim, Südamerikas Telekomgiganten. Der sich abwertende Peso liess ihn auf Platz vier fallen.
Auf Microsoft-Gründer Gates folgt der legendäre 84-jährige Warren Buffett (Berkshire Hathaway), der sein Vermögen um zehn Prozent auf 64 Milliarden Dollar steigern konnte. Platz drei besetzt ein Europäer, Zara-Gründer Amancio Ortega. Insgesamt sieben unter den zehn Reichsten der Welt kommen jedoch auch in diesem Jahr wieder aus den USA.
84 Milliardäre leben in New York
Auch New York wird so wieder zur Metropole, in der mit 84 Milliardären heute die meisten Krösusse leben, 14 mehr als im Vorjahr. Überraschend war im Vorjahr Moskau auf Platz eins geklettert. Mit 77 Milliardären rutscht es nun einen Rang tiefer. Dritte Milliardärsmetropole ist Peking, in der 16 Milliardäre mehr leben und die nun auf 57 kommt.
Die Aufholjagd der Schwellenländer sei zwar erstmals seit Jahren gebrochen, sagte Hoogewerf der «Welt». Er warnt aber davor, zu schnell von einer Trendwende zu sprechen. Denn Asien und besonders China sitzen weiter in den Startlöchern. Sechs der 20 Städte mit der höchsten Zahl an Milliardären sind heute chinesisch, Hongkong eingeschlossen. Die meisten der fast 500 neu hinzugekommenen Milliardäre auf der Liste 2014 (rund 60 fielen raus) stammten aus Asien, darunter mehr als 100 Superreiche chinesischer Abstammung.
Mehr als die Hälfte US-Amerikaner und Chinesen
Zusammen machen US-Amerikaner und Chinesen heute «mehr als die Hälfte aller Milliardäre auf meiner Liste aus«, sagte Hoogewerf. Er gesteht, dass die Dunkelziffer hoch ist. «Für jeden Milliardär, den wir aufspürten, haben wir mindestens zwei übersehen. Ich schätze, dass es heute 4500 Dollar-Milliardäre auf der Welt gibt.«
Unter denen, die er fand, haben mehr als die Hälfte ihr Vermögen erheblich vermehren können – darunter 152, bei denen es jeweils mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr waren. Die Reichsten der Reichen, die im Durchschnitt 64 Jahre alt sind, bringen es auf einen Gesamtwert ihres aktuellen Aktien- und Immobilienbesitzes sowie ihrer Unternehmen und Beteiligungen von 6,9 Billionen Dollar. Das sei mehr als die gesamte Wirtschaftsleistung Japans wert.
Seit 1999 macht Hoogewerf für seine Reichenlisten von Shanghai aus Jagd auf die Vermögenseliten der Volksrepublik. Ein Netzwerk von inzwischen 120 Mitarbeitern unterstützt ihn und seine immer spezialisierteren Einzeluntersuchungen zum Kunstmarkt, Luxuskonsum oder zur Philanthropie. Hauptkonkurrent sind die international bekannteren und global aufgestellten Veröffentlichungen des US-Wirtschaftsmagazins «Forbes«, besonders seine Reichenlisten. Auch Bloomberg mischt mit seinem Reichenindex mit. Da sich alle methodisch auf Börsennotierungen sowie Angaben der Reichen und ihrer Familien stützen – wobei «Forbes« eine spätere Deadline als Hurun zur Grundlage nimmt –, kommen sie auch zu ähnlichen Ergebnissen.
126 Multimilliardäre weltweit
Die grosse Unbekannte aber bleiben die versteckten Vermögen und Beteiligungen der Superreichen, ihre nicht börsennotierten Unternehmen, ihre Anlagen in Schattenbanken oder unter karibischen Briefkastenadressen. Im Jahr 2011 weitete Hoogewerf seine Reichenanalysen global aus. Er erstellte als Premiere die erste Liste der Mitglieder im exklusiven «Weltklub der zehn Nullen«, die mindestens zehn Milliarden US-Dollar Vermögen besitzen. Der damals 42-Jährige stiess mit seinem Team auf 83 solcher «Multimilliardäre«. Inzwischen sollen es 126 sein.
In der neuen Liste 2014 kommt Deutschland auf Platz sechs mit 66 Milliardären. Hoogewerf geht von 76 aus, wobei er zehn weitere «deutsche« Milliardäre einrechnet, die in anderen Ländern leben. Reichster Deutscher bleibt wie im Vorjahr Aldi-Süd Chef Karl Albrecht mit 29 Milliarden US-Dollar Vermögen. Hamburg sei die Stadt, in der die meisten Milliardäre leben, nämlich neun. Die Recherchen seien gerade in Deutschland mühsam gewesen. Nirgendwo anders strengten sich die Milliardäre so an, «low key», also unauffällig, zu bleiben.
Vier Milliardäre im Facebook-Team
Die Reichsten in anderen Staaten hätten dazu mehr Grund. Beispiel ist das sozialistische China. 90 seiner 358 Dollar-Milliardäre gehen neben dem Geldverdienen noch einer politischen Berufung nach, sieben mehr als im Vorjahr. Sie gehören Chinas Volksvertretungen an, die Anfang März in Peking zu ihrer Jahrestagung zusammenkommen. 56 Milliardäre sind Mitglieder des Beraterparlaments, 31 sitzen im Volkskongress. Drei waren Delegierte beim letzten KP-Parteitag.
In die traditionell geldscheffelnde Männerwelt brechen mehr Frauen ein. «Jeder neunte Milliardär ist inzwischen eine Frau«, sagte Hoogewerf. Die L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt bleibt mit ihrem um vier Milliarden auf 34 Milliarden Dollar gestiegenen Vermögen die reichste Frau auf dem Planeten und kommt damit in der Weltrangliste auf Platz elf.
Die 26 jüngsten Milliardäre sind unter 40 Jahren. Sie kommen fast alle aus dem IT-Bereich. Darunter sind erstmals die SnapChat-Gründer Evan Spiegel (23 Jahre) und Bobbz Murphy (25). Viermal sind Mitglieder aus dem Facebook-Team dabei, allesamt Milliardäre, angeführt von Mark Zuckerberg (30). Mit 8,5 Milliarden Dollar ist auchJan Koum (37) von WhatsApp gut mit dabei. Social Media ist zur Gelddruckmaschine geworden.
Rockefeller-Enkel ist der älteste
Geldadel hält aber nicht dauerhaft, stellt Hoogewerf fest. Die meisten Milliardäre, die ihren Reichtum erbten, schaffen es nicht lange, ihn auch zu vermehren. Aus vierter Generation sind nur 47 Milliardäre auf der Liste. Dafür steht der Name des ältesten Milliardärs darauf – seit Generationen Synonym für grenzenlosen Reichtum.
Der am 12. Juni 1915 in New York geborene David Rockefeller, einziger noch lebender Enkel des legendären, vermögenden Öl-Barons John D. Rockefeller, hält heute Rang 596. Dafür reichen seine 2,9 Milliarden US-Dollar.
Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.