Die Zahlen sind atemberaubend. 300 Stunden Videomaterial laden Nutzer auf Youtube hoch. In der Minute. Das ist drei Mal so viel wie noch vor gut einem Jahr. Wer könnte das überbieten?
Facebook kann. Das grösste soziale Netzwerk der Welt mobilisiert gegenüber Youtube, und zwar mit Kraftaufwand. Facebook hat es für Nutzer einfacher gemacht hat, Videos direkt in das Netzwerk einzubinden und als Blickfang den Harry-Potter-Effekt eingebaut.
70 Prozent der Videos direkt auf Facebook
Das heisst, die Videos beginnen, sich ohne Ton zu bewegen, schon bevor der Nutzer klickt. Das Ergebnis: Vor gut einem Jahr wurden erst 25 Prozent der Videos direkt auf Facebook hochgeladen, im Februar diesen Jahres waren es schon 70 Prozent.
Damit nicht genug, Facebook gräbt auch direkt am Geschäftsmodell von Youtube. Das Videoportal ist für viele Comedians, selbsternannte Fashiongurus und Videospiel-Kommentatoren nicht nur wegen der weltweiten Reichweite so attraktiv.
Sondern auch, weil der Erfolg sich finanziell rechnet. Denn Youtube beteiligt seine Künstler an den Werbeeinnahmen. Die Summen, die dabei zusammenkommen können, sind beachtlich. Der Youtuber mit der grössten Gefolgschaft weltweit, der schwedische Spielekommentator PewDiePie, hat 2013 seinen Werbeumsatz öffentlich gemacht: vier Millionen US-Dollar. Mittlerweile ist seine Gefolgschaft noch beträchtlich gewachsen, auf über 37 Millionen Abonnenten. Seine Einnahmen im letzten Jahr wurden auf sechs bis zehn Millionen Dollar geschätzt.
Beteiligung mit 55 Prozent
In diese Kerbe schlägt nun auch Facebook. Testweise beteiligt das Netzwerk die Autoren einiger Videos mit 55 Prozent an den Werbeerlösen, wie die «Financial Times» berichtet. Damit bietet Facebook die gleiche Quote wie Youtube. Zunächst gilt das Angebot für Videos, die Nutzern aufgrund zuvor gesehener Filme angeboten werden.
Es ist ein Kampf der Giganten: Facebook hat 1,4 Milliarden Nutzer, Youtube bringt es ebenfalls auf über eine Milliarde. Bei beiden Netzwerken werden täglich vier Milliarden Videos geschaut. Und der Vorstoss in den Markt von Seiten Facebooks ist verständlich: Digitale Werbung ist der am schnellsten wachsende Bereich im Werbemarkt. Und Video-Werbung wächst noch einmal doppelt so schnell wie der Rest der Sparte, haben die Investmentanalysten von Jeffries ausgerechnet.
Videowerbung boomt
Sie rechnen für das Jahr 2017 mit Einnahmen von 17 Milliarden Dollar nur für Videowerbung in den USA. Soweit ist es in der Schweiz noch nicht: Hier rechnen die Experten von Zenith Optimedia damit, dass bei den Werbeeinnahmen das Internet 2017 den zweiten Platz hinter dem Fernsehen einnehmen wird.
Youtube nimmt die Attacken von Facebook allerdings nicht tatenlos hin: Das Netzwerk investiert umfassend in die Professionalisierung seiner Inhalte und die Verbesserung der technischen Qualität. Gestern kündigte die Google-Tochter an, nach der Lancierung von 360-Grad-Videos nun auch 3D-Videos möglich machen zu wollen. Dazu steigert Youtube die Bildqualität, vor knapp einem Monat lief das erste hochauflösende 8k-Video.
Das erste 360-Grad-8K-Video: 24 Stunden am Flughafen in Dubai
Das mögen technische Spielereien sein, mit denen ohnehin wenige Nutzer etwas anfangen können, da nur ausgewählte die entsprechenden Empfangsgeräte besitzen. Wichtig ist dagegen, dass Spiele-Live-Streams mittlerweile mit 60 Bildern pro Sekunde abgespielt werden können. Der Videogame-Bereich auf Youtube ist riesig, die grössten Youtube-Stars fallen in diese Sparte. Youtube lanciert darum ein eigenes Portal für den Bereich, auf dem 25'000 Games und viele Kommentaren einzeln verfolgt werden können.
Genauso viel Kraft steckt Youtube in die Ausbildung seiner Künstler. Neben Videotutorials und Workshops gründet Youtube bald auch eine eigene Community für die aktiven Produzenten, um den Austausch und die Zusammenarbeit zu erleichtern. Wichtig sind auch die Creator Spaces, von denen Youtube zuletzt einen in Berlin eingerichtet hat. Dort können Videoproduzenten ab einer Gefolgschaft von 1000 Abonnenten kostenlos und mit professionellem Equipment drehen.
Kritikpunkt Nähe zum Fernsehen
Die Schaffung eines Spartenkanals – nicht des einzigen übrigens, Mitte Juni ging auch Youtube Newswire an den Start, eine Arte Google News für Videos – ist aber auch zugleich ein Kritikpunkt, den Branchenexperten gegenüber dem Videoportal haben.
«Youtube ist ein Kind des Fernsehens», schreibt Videoproduzent Michael Rosenblum in der Huffington Post. Das Portal sei die digitale Umsetzung des TVs – allein auf Kanäle und Bewegtbild konzentriert. Facebook dagegen sei die digitale Umsetzung der Zeitung: Schrift und Bild in Kombination. Er ist darum überzeugt: Facebook wird Youtube überholen.