BILANZ: Warum ist Joggen bei Managern so beliebt?
Thomas Frankenbach: Regelmässiges Joggen wirkt – bei nicht zu hoher Intensität – antidepressiv. Die monotonen Bewegungen des Laufens bewirken, dass man sich ganz auf sich zentriert. Man kennt das aus den Religionen: Durch Pilgern oder Mantrensingen können Menschen ähnliche Zustände erreichen.
Viele brüsten sich damit, bereits morgens um 4.30 Uhr ihre Runden zu drehen. Ist das gesund?
Wenn es dem Biorhythmus der einzelnen Person entspricht – warum nicht? Frühes Aufstehen ist aber auch ein Signal für Disziplin. Die Stille am Morgen hat zudem etwas Heiliges.
Sport als Religion?
Tatsächlich hat der Sport an Bedeutung gewonnen, so wie umgekehrt die Bedeutung der Religion abgenommen hat. Insofern ist er eine Ersatzreligion. Denken Sie nur an Begriffe wie «Laufpapst» oder «Fitnessjünger».
Was charakterisiert einen Jogger?
Er übt sich im Nicht-Aufgeben und in Ausdauer. Viele suchen im Laufen aber auch das Konträre zum wechselhaften Geschäftsalltag. Immer die gleichen Runden am gleichen Ort zu drehen – und das tun die meisten –, das schafft Vertrautheit und Geborgenheit.
Wie viel Sport ist gut?
Sport ist wie Zähneputzen. Er ist wichtig, aber wenn man es übertreibt, wird er schädlich. Zwei Stunden pro Woche sind gut. Was darüber hinausgeht, hängt von der individuellen Konstellation ab.
Nur wenige Manager entscheiden sich für meditative Bewegungsformen wie Yoga. Warum?
Männer haben gerne Sportarten, die messbar sind: in Form von Zeit, Kilometern oder Schlägen. Yoga ist ihnen nicht kompetitiv genug.
«Hast du noch Sex, oder spielst du schon Golf?» – ein geflügeltes Wort. Wird Golf das Altherrenimage denn niemals los?
Das Golfspiel bedingt, dass man auch in schlechten Situationen das beste Spiel spielt. Erfahrenere Menschen können das besser. Zudem symbolisieren Schläger Macht. Es geht um eine Potenzierung der Körperstärke durch den Schläger, aber auch ums Einlochen. Insofern hat Golf eine versteckte sexuelle Komponente.
Zum Sport gehört eine korrekte Ernährung. Müssen wir uns wirklich kasteien, um gesund zu leben?
Heute herrscht ein regelrechter Gesundheitswahn, der wiederum Stress verursacht. Dabei geht vergessen, dass alles vom Individuum abhängig ist. Es gibt Menschen, die komplett ohne Sport auskommen und trotzdem gesund sind.