Bestseller Capri-Sun: Umsatz wächst trotz Pandemie

Röhrli abreissen. Schwabbelbeutel fixieren, oben punktieren – losschlürfen. So geht das Tag für Tag auf dieser Welt. Sechs Milliarden Mal im Jahr. Den Tütentrunk Capri-Sun, so ist zu vermuten, kennt auf diesem Planeten fast jedes Kind. Was weniger bekannt ist: In Capri-Sun steckt richtig viel Schweiz. Die Produktionszentrale liegt zwar in Eppelheim bei Heidelberg, doch Firmengründer und Inhaber Hans-Peter Wild, 79, lebt seit über dreissig Jahren in Zug. Gesteuert wird der Milliarden-Saftladen in Baar, wo sich in der globalen Firmenzentrale achtzig Angestellte um Finanzen, Marketing, Recht und Personal kümmern. Dazu kommt ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Sisseln AG. Roland Weening, seit 2016 Chef der Capri Sun Group, lebt am Zürichsee. «Ein Lachen auf sechs Milliarden Gesichter» In 110 Ländern ist der Kultsaft offiziell verfügbar, der Aussenumsatz der Gruppe liegt zwischen 1,5 und 1,7 Milliarden Dollar. Weening mag eine andere Zahl lieber: «Wir zaubern ein Lächeln auf sechs Milliarden Gesichter. Nicht nur auf Kindergesichter.» Ein reines Kindergetränk ist Capri-Sun tatsächlich nicht. Zwar bildet der Nachwuchs zwischen sechs und zwölf Jahren die Kernzielgruppe, doch das Beutelschema zielt auch auf all jene ab, die in der Kindheit mit Capri-Sun auf Schulreise gingen und auch Jahrzehnte später noch gerne dann und wann am Röhrli volle Saugkraft entwickeln. Der Nostalgiefaktor bei Erwachsenen spiele eine wichtige Rolle, sagt Weening: Rund 40 Prozent des Umsatzes stamme von Konsumentinnen und Konsumenten im Alter von über zwölf Jahren. Innerhalb der Kernzielgruppe müsse man aufpassen, den Trend nicht zu verpassen, sagt der Obersäftler aus Baar: «Die Jugend ändert sich alle fünf Jahre.» Umsatzwachstum trotz Pandemie Also rührt man die Werbetrommel – auch in den sozialen Medien, zuletzt vermehrt auf Tiktok. Und man segmentiert die Kernzielgruppe über den Gebinde-Gusto. Bei den 6- bis 12-Jährigen sei der Beutel mit Strohhalm am wichtigsten, verdeutlicht Weening, bei den 12- bis 14-Jährigen seien eher der verschliessbare Beutel und die Capri-Sun-Dose mit Kohlensäure angesagt. Was für alle Märkte gelte: Das Bestsellerprodukt ist nicht etwa die Geschmacksrichtung Orange, sondern seit circa vier Jahren die Multivitamin-Version. In den nächsten fünf Jahren will Weening den Capri-Sun-Absatz auf acht Milliarden Trinkpacks jährlich hochwuchten. Selbst eine Pandemie kann den Sog nicht stoppen: «Das hat uns nicht hart getroffen, essen und trinken müssen die Leute immer – auch wenn sie mehr zu Hause sind.» In der Schweiz ist Capri-Sun 2020 gar ein Umsatzwachstum um 31 Prozent gelungen. Das Getränk ist hier unter anderem gut im Saft, weil es seit kurzem in der Migros gelistet wird. Viel Raum für Wachstum «Gesättigte Märkte gibt es nicht», sagt Weening. «In den Ländern, wo wir schon sind, ist noch viel mehr möglich.» Aktuell realisiere man das prozentual grösste Wachstum in Polen, in der Türkei und in Kamerun. Dann und wann eile die Safttüte der aus Baar gesteuerten Distribution voraus, sagt der Capri-Sun-Chef: «Manchmal schicken mir Leute Ferienbilder von Capri-Sun-Beuteln, die auf irgendwelchen Inseln im Umlauf sind, auf denen wir gar keine offizielle Präsenz haben.» In Weenings Reich, so darf man mit Fug und Recht sagen, geht die Sonne nie unter. Oder die Sun? Der Unterschied ist nicht banal. Er sorgte 2017 für einen Sturm in der Safttüte. Damals wurde entschieden, den Markennamen weltweit zu vereinheitlichen. Bis zu jenem Jahr hiess der Beuteltrunk in hiesigen Breitengraden noch Capri-Sonne, seither gilt auch hier: Capri-Sun. Wer für den Namenswechsel verantwortlich war, kann Roland Weening klar benamsen: «Das war ich.» Für viele deutsche Trinktütenjünger ging mit dem Namenswechsel die Sonne unter, sie tobten online, tagelang. Globale Marke, lokale Rezepturen Weening, ganz konzilianter Manager: «Es löste einen kleinen Shitstorm aus, was uns aber auch gezeigt hat: Die Leute sind interessiert an unserem Produkt. Jede Reaktion bedeutet Engagement und Verbindung zur Marke.» Der ganze Wirbel habe damals einen PR-Millionenwert generiert. Der Wechsel, sagt Weening, musste sein: «Es braucht eine global starke Marke. Es braucht aber auch lokale Rezepturen.» Grob gesagt arbeitet Capri-Sun weltweit mit zwölf verschiedenen Bauplänen für Zutaten und Dosierungen. Noch gröber gesagt: «Je asiatischer und südlicher die Märkte, desto süsser.» Als nächstes kommt der Papierstrohhalm Nachdem die Sonne untergegangen ist, herrscht heute Gegenwind an der Umweltfront. Capri-Sun muss nachbessern. Etwa beim inkriminierten Wegwerftrinkröhrli: «Der Plastikstrohhalm wird auf Papier umgestellt», gelobt Weening, «zunächst in Europa, dann weltweit.» Ferner soll der Zuckergehalt reduziert und der Beutel rezyklierbar gemacht werden. Damit nicht genug: «Möglich ist, dass wir unser Produkt dereinst auch in einer Bulk-Lösung anbieten.» Damit meint Weening, dass sich Konsumenten und Konsumentinnen Capri-Sun im Laden ins mitgebrachte Behältnis abfüllen könnten. Aber es gibt auch etwas, das im Reich der nie untergehenden Sun unmöglich sei, schränkt der Safttütenobmann ein: «Dass wir uns je ans Thema Alkohol wagen.»

Bestseller Capri-Sun: Umsatz wächst trotz Pandemie

Tütentrunk Capri-Sun: Kult auch in der Pandemie