Twint verspätet sich – erneut. Die Bezahlapp von UBS, Credit Suisse, Raiffeisen, Postfinance und Dutzenden weiteren Schweizer Banken soll Ende März oder Anfang April für UBS- und ZKB-Kunden lanciert werden. Im Mai oder Juni 2017 folgen die Kunden von anderen bekannten Banken wie Postfinance, Raiffeisen, Credit Suisse und BCV. Für weitere Institute und Händler ist noch kein Startdatum bekannt. Das verkündete das Twint-Team im Rahmen eines Mediengesprächs in Bern, an dem die neue App vorgeführt wurde.

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Aktuelle Twint- und Paymit-Kunden müssen nach dem Zusammenschluss der zwei Bezahllösungen keine neue App runterladen: Beide bisherigen Apps sollten sich beim Update auf die neue Version unter dem gemeinsamen Namen Twint aktualisieren. Diese Bezahlapp funktioniert weiterhin über QR-Codes oder Beacons, also Bezahlstationen, über die via Bluetooth kontaktlos bezahlt werden kann. Im Interview spricht Twint-CEO Thierry Kneissler über die nächsten Schritte und die harte Konkurrenz aus dem Ausland.

Herr Kneissler, wieso ist die Lancierung erneut verspätet?
Thierry Kneissler*: Das hat mit dem Ansturm auf unsere Lösung zu tun: Wir hätten nie damit gerechnet, dass mittlerweile 39 Banken mit an Bord kommen würden. Da wir verschiedene Lösungen für Banken bauen, inklusive eigenen Twint-Versionen mit dem individuellen Bank-Logo, dauert dies etwas länger.

Der Kunde hat sich gerade an die grünen Terminals gewöhnt. Wieso haben Sie das Design geändert?
Die neuen Farben stehen für den Relaunch, eine nationale Lösung. Das Twint-Design ist dank der Beacons an Kassen sehr bekannt, darum hat sich dieses nicht geändert. Auf der App sehen Kunden das Logo ihrer Bank - das sieht auf einem schwarzen Hintergrund besser aus als auf grün. 

Die Farben sind jene des Paymit-Logos, hinter der prominent die UBS stand – hat die Bank einen speziellen Stellenwert?
Wir haben die drei Grundfarben aller Banken genommen - dies symbolisiert alle beteiligten Banken.

Wie hebt sich die neue Twint-App von der ersten Version ab?
Twint bucht Zahlungen künftig direkt vom Konto ab. Es funktioniert damit wie eine Debitkarte. Weiterhin kann auch eine Kreditkarte hinterlegt werden. Ausserdem soll künftig überall mit Twint bezahlt werden können: Neben der Kasse im Supermarkt kommen Zahlungen zwischen Privatpersonen, Bezahlungen im E-Commerce-Bereich, an Selecta- oder Kaffeeautomaten und sogar an kleinen Marktständen. Ab der zweiten Hälfte 2017 soll man ausserdem Rechnungen per Twint bezahlen können – über das Einscannen eines QR-Codes auf der Rechnung. Abgebucht wird auch hier direkt vom Konto.

Sie nutzen nach wie vor keinen NFC-Code. Wieso nicht?
Apple sperrt die NFC-Schnittstelle für alternative Bezahllösungen zu Applepay. Da die Schweiz ein iPhone-Land ist, könnte rund die Hälfte der Kunden diese Funktion nicht nutzen. So käme es zu Verwirrungen in der Kundschaft und dem Verkaufspersonal in Läden. Eine Gruppe Kunden könnte via Twint direkt an kontaktlosen Terminals von Six bezahlen, eine andere müsste die App öffnen und an einem anderen Terminal zahlen oder einen QR-Code einscannen.

Es gibt bei Twint weiterhin die Option, über Beacons, also Bluetooth-Bezahlterminals, zu zahlen. Könnte man nicht alle über QR-Codes zahlen lassen?
Beacons eignen sich, wenn ein Laden keine Internetverbindung hat. Teilweise ist das in Supermärkten derzeit noch der Fall. Ausserdem können Beacons Informationen über Rabatte aus der App an die Kasse senden. Kleinere Händler können zudem von den Terminals profitieren, weil sie ein Beacon über USB in ihren Laptop, Tablet oder Telefon einstecken können, welches dann als Kasse funktioniert.

Die Postfinance erlaubt das Bezahlen via NFC neu über ihre App. Kam es wegen des Alleingangs zu Unstimmigkeiten?
Nein, wir haben das zur Kenntnis genommen. Wenn wir das Angebot als riesige Konkurrenz gesehen hätten, dann hätten wir wohl intensiv miteinander gesprochen. Es ist aber kein Game Changer für uns. Postfinance steht voll hinter Twint.

Neben Schweizer kontaktlosen Alternativen drängen mit Applepay ein amerikanischer und mit Alipay ein chinesischer Player auf den Schweizer Markt. Wieso nehmen Sie überhaupt den Aufwand auf sich, eine eigene Lösung durchzuboxen?
Wir haben eine grosse Chance, uns durchzusetzen. Denn es geht nicht ums Bezahlen, sondern um den Zusatznutzen für den Kunden. Die Schweiz ist ein Konto-Land: Kunden lassen Zahlungen gerne direkt über ihr Bankkonto abbuchen. Das unterschätzen ausländische Lösungen. Ausserdem müssen Kunden für Applepay und Alipay eine Kreditkarte hinterlegen. Dies verursacht höhere Gebühren für den Händler. Twint ist die günstigste Lösung für alle im Bereich des Mobile Payment. Für Alipay muss man ausserdem ein chinesisches Konto haben – die App ist also keine Konkurrenz für Twint. Twint unterscheidet sich zudem in der Fertigungstiefe: Durch die Zusammenarbeit mit den drei grossen Acquirern erreichen wir 95 Prozent der Händler, vom Marktstand über Coop und Migros bis zum Kaffeeautomaten. Wir können so einen viel grösseren Teil der Geschäftskunden erreichen als andere Anbieter. Schweizer Kunden schätzen ausserdem die Sicherheitsstandards hiesiger Systeme: Wenn sie ein Problem haben, wird ihnen in der Schweiz geholfen – sie müssen sich nicht in ein Call-System in China einwählen.

Sind andere Bezahllösungen durch die NFC-Schnittstelle nicht schneller an der Kasse?
Es geht nicht nur um die Geschwindigkeit, es geht um den Mehrwert für den Kunden. Twint bietet den Kunden ein vollständiges Bezahl-Ökosystem: Seine Coupons, Mitglieds- und Bonuskarten sollen nach und nach alle in die App eingespiesen werden.

Amazon hat in den USA einen ersten Supermarkt ohne Kassen eröffnet. Die Abrechnung geschieht übers Handy. Könnte ihnen Amazon mit einer Lancierung in der Schweiz ihr Business-Model überflüssig machen?
Nein, denn genau für solche Lösungen ist Twint da: Die App verfügt über die technischen Möglichkeiten für einen solchen Supermarkt. Es liegt an den Händlern, eine solche Lösung zu lancieren. Ein solches Modell ist explorativ auch schon diskutiert worden - mit einem konkreten Händler stehen wir aber noch nicht in Kontakt.

Mehr als die Hälfte der Schweizer zahlen immer noch mit Bargeld. Nur circa 13 Prozent nutzen kontaktlose Bezahllösungen – viele davon die Kreditkarte. Wie wollen die die Kunden dazu überzeugen, gerade Twint zu nutzen?
Das ist vor allem die Aufgabe der Banken. Sie können ihren Kunden Twint nahelegen. Auch Händler können ihre Kunden animieren, Twint zu nutzen. Denn sie profitieren am Ende am meisten von den niedrigeren Gebühren im Vergleich zu kontaktlosen Lösungen mit Kreditkarten. Wir erwarten ausserdem, dass Twint über die Funktion für Zahlungen zwischen Privatpersonen stark genutzt wird. So haben sich Bezahlapps in Skandinavien durchgesetzt.

Schweizer kaufen gerne im naheliegenden Ausland ein. Twint funktioniert aber nicht für Einkaufstouristen. Soll sich das ändern?
Das grenznahe Ausland wäre auf jeden Fall der erste natürliche Schritt ins Ausland. Bis im Frühjahr haben wir aber primär die Erweiterung in der Schweiz im Kopf. Vielleicht werden wir uns dem Thema in gut einem Jahr annehmen. Technisch gesehen ist eine Expansion möglich, es braucht aber Zeit für Gespräche mit möglichen Kooperationspartnern. Man könnte sogar über Kooperationen mit Alipay oder ähnlichen Anbietern nachdenken, da Alipay etwa ebenso auf QR-Codes setzt.

Steht der Entscheid gegen NFC ihnen nicht im Weg, ins Ausland zu expandieren?
QR-Codes sind auch im Ausland im Kommen. Das macht Sinn, denn in vielen Ländern sind NFC-fähige Payment-Terminals gar nicht so verbreitet und die NFC-Nutzung damit nicht besonders hoch. In den USA und China etwa gibt es oft auch noch keine kontaktlosen Terminals. Da sind wir in der Schweiz sehr viel weiter. Und der Schwerpunkt liegt derzeit klar auf dem Schweizer Markt.

*Thierry Kneissler ist Mitbegründer und CEO der Twint AG. Zuvor war er als Leiter Corporate Center Mitglied der Geschäftsleitung der Postfinance.

Redaktorin Caroline Freigang
Caroline Freigangschreibt seit 2019 für den Beobachter – am liebsten über Nachhaltigkeit, Greenwashing und Konsumthemen.Mehr erfahren