Greenwich, Connecticut – das ist nicht nur der Millionärswohnort nördlich von New York, sondern auch das Hedge-Fund-Zentrum der USA. Angezogen von günstigen Steuern und der guten Zugverbindung nach Manhattan, haben sich in den letzten Jahren Dutzende von Finanzgesellschaften in Greenwich niedergelassen. Oft auch darum, weil die Finanzstars privat ohnehin hier residieren.

In Greenwich wohnt auch John Costas, ehemaliger Investment-Banking-Chef der UBS und bis vor kurzem Chef des bankeigenen Hedge Fund Dillon Read Capital Management (DRCM). Vor zwei Jahren machte er sich auf, einer wie sie zu werden, sich einzureihen in die Gruppe jener Hedge-Fund-Milliardäre, welche die noble Nachbarschaft prägen. «Der ausgeprägt unternehmerische Anreiz und die Möglichkeit, für die Bank Werte zu schaffen», sagt Costas im Gespräch mit der BILANZ, hätten ihn dazu bewogen, auf DRCM zu setzen. Die UBS gab ihm über drei Milliarden Dollar in Obhut mit dem Ziel, dieses Geld mit dem eigens gegründeten Hedge Fund DRCM tüchtig zu vermehren. Heute steht nicht nur er selbst, sondern auch die Bank vor einem Debakel, das die UBS in nächster Zeit Hunderte von Millionen Franken kosten wird, zählt man die jüngsten Verluste und die Kosten für die Auflösung des Fonds zusammen.

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Costas’ Karriere hat mit dem DRCM-Debakel einen starken Dämpfer erhalten. Für den einstigen Vorzeigebanker, der die UBS in seiner Zeit als Investment-Banking-Chef von 2002 bis 2005 unter die Top Five der Welt brachte, ist dies eine neue Erfahrung.

Das Ende des Abenteuers kam überraschend: Am Mittwoch, 2. Mai 2007, zog UBS-CEO Peter Wuffli dem Hedge Fund den Stecker raus. Wufflis Abgesandter, Investment-Banking-Chef Huw Jenkins, hatte die Belegschaft von DRCM in ein Hotel in Manhattan gebeten, um die Botschaft zu verkünden: Der Hedge Fund werde dichtgemacht, die Aktiven wieder in die UBS integriert, das Geld externer Investoren zurückbezahlt. John Costas müsse das Zepter bei DRCM per sofort an Suneel Kamlani, den Stabschef der UBS Investment Bank, weiterreichen. Grund für die Sofortmassnahme war ein Verlust von 150 Millionen Franken, den Dillon Read Capital Management im ersten Quartal 2007 eingefahren hatte. Doch das war nur der unmittelbare Anlass: Costas und sein Team hatten DRCM auch zwei Jahre nach der Gründung nicht richtig zum Laufen gebracht – trotz den 3,5 Milliarden, welche die UBS dem Fonds vom ersten Tag an als Kapital zur Verfügung gestellt hatte. 250 Mitarbeiter beschäftigte DRCM und produzierte damit allein an Personalkosten mindestens 150 Millionen Dollar im Jahr. Nun kostet die Auflösung von DRCM die UBS nochmals 300 Millionen Dollar, rund 200 Millionen davon als Salär- und Vertragszahlungen für die gescheiterten Starhändler von DRCM. «Eine Überprüfung ergab, dass die Entwicklung von DRCM hinter unseren Erwartungen blieb», so Wuffli. «Für den Verlust im ersten Quartal 2007 übernehme ich die Verantwortung», sagt Costas, «doch bleibe ich stolz auf die sechs Quartale zuvor, in denen wir profitabel arbeiteten.»

Die Kommentare in der Presse nach dem Aus für DRCM waren vernichtend: «Ein Fiasko», urteilt der Nachrichtendienst Reuters; «eine grosse Peinlichkeit für die UBS», so die Londoner «Times»; «ein weiterer Rückschlag für die UBS in den USA», das «Wall Street Journal». Für die «Financial Times» war die DRCM-Pleite gar «ein hochgradiges Scheitern».

Umso mehr erstaunt die Reaktion vieler Mitarbeiter der Bank. Denn die Schliessung von DRCM bewirkte bei manchem UBS-Angestellten vor allem eines: Schadenfreude. Denn Dillon Read Capital Management – das war stets mehr als nur der firmeneigene Hedge Fund der UBS. Das war das Sammelbecken der Besten. Das Team von rund 120 internen Tradern, das John Costas bei der Gründung von DRCM um sich scharte, hielt sich für auserwählt – und liess dies jene Kollegen, die nicht zum Handkuss gekommen waren, mitunter auch deutlich spüren. Und nun sind es just diese Elite-Trader, die der Bank einen Millionenverlust bescheren – in einem boomenden Finanzmarkt notabene, in dem es derzeit schon fast ein Kunststück ist, kein Geld zu verdienen. Nun müssen die Elitekollegen, die einst mit wehenden Fahnen ausgezogen waren, wieder an ihre alten Pulte zurückkehren. Die Sticheleien dürften diesmal in umgekehrter Richtung ablaufen – die Reintegration des DRCM-Teams in die UBS wird wohl kaum ohne Friktionen ablaufen. Costas selber begleitet die Reintegration als externer Berater: «Ich werde nicht ruhen, bis die letzte Sekretärin aus meinem Team wieder gut untergekommen ist», verspricht er. Die Bank selber macht sich weniger um die Sekretärinnen als um die Trader Sorgen: Es wird damit gerechnet, dass nur 70 Prozent der DRCM-Leute wieder zur UBS zurückkehren wollen. Es ist offensichtlich, dass DRCM in der UBS wie ein Spaltpilz gewirkt hat.

Doch wie konnte sich die als besonders risikoscheu bekannte UBS auf ein solches Abenteuer überhaupt einlassen? Und wie kam der als besonders vorsichtig bekannte UBS-Chef Peter Wuffli überhaupt dazu, die Gründung von DRCM zu verantworten und damit die UBS zur einzigen Investmentbank der Welt zu machen, die Eigenhandelsbestände in Milliardenhöhe durch Dritte verwalten lässt?

Anfang 2005 sah sich Wuffli mit einem Problem konfrontiert: Eine Gruppe von Schlüsselleuten aus dem Investment Banking trug sich mit dem Gedanken, die Bank zu verlassen und selber unternehmerisch tätig zu werden. Es lockte die Welt der Hedge Funds, jener neuen Anlagegesellschaften, bei denen sich so leicht Geld verdienen liess (siehe «Teuer und gut» unten). Die Bank hatte schon wiederholt mitansehen müssen, dass gute Mitarbeiter zu Hedge Funds wechselten. Nun drohte gar der Abgang einiger Rainmaker der Bank, wie man die erfolgreichen Einzelfiguren nennt, die Millionen in die Bankkassen spülen. So liebäugelten etwa Costas’ wichtigste Teamleute, die Startrader Mike Hutchins und Kenneth Karl, mit der Welt der Hedge Funds.

Costas zauberte eine Lösung aus dem Hut, bei der man einerseits den Gründerplänen der Stars entgegenkommen und sie doch unter dem Dach der UBS behalten konnte: Die Bank sollte einen eigenen Hedge Fund gründen. Auch von der Kundenseite her liess sich das rechtfertigen. Hatten nicht institutionelle Kunden signalisiert, sie würden gerne mit der UBS zusammen in Eigenhandelsstrategien investieren?

Eine solche Gesellschaft wäre aber ein Fremdkörper in der Bank. Dass der Vorschlag bei Wuffli, der sonst so strikt an integrierte Organisationsstrukturen glaubt, auf offene Ohren stiess, hatte einen spezifischen Grund: Er hatte so etwas schon einmal gemacht, und zwar sehr erfolgreich. Ende der neunziger Jahre war Peter Wuffli vom damaligen Konzernchef Marcel Ospel nach Chicago geschickt worden, um den Bereich Asset Management der Bank zu leiten. In jener Zeit kam bei den Kunden vermehrt das Bedürfnis nach alternativen Anlagevehikeln wie etwa Hedge Funds auf. So beschloss Wuffli, in Chicago eine Plattform zu bauen für das rasch wachsende alternative Business der Bank. Die UBS bildete einen Bereich namens Alternative and Quantitative Investments und stellte dem Team in Chicago 400 Millionen Dollar als Anfangskapital zur Verfügung. Es sollte eine der erfolgreichsten Wertschöpfungsinitiativen der UBS werden. Unter dem agilen Leiter des Teams, Joe Scoby, entstand ein bankeigenes Hedge-Fund-Business, das heute rund 50 Milliarden an Anlagegeldern verwaltet.

Angesichts dieser Erfahrung zeigte sich Wuffli auch für Costas’ Pläne offen – zu offen. Denn die Business-Idee von Costas unterschied sich doch erheblich von den internen Hedge-Fund-Aktivitäten der UBS unter Joe Scoby. Während Scoby von der UBS nur das Gründungskapital bekam und der Rest der Milliarden im Korb von den vielen Kunden stammte, liefen beim Costas-Fonds parallel Investments von auswärtigen Anlegern und Eigenhandelsaktivitäten der UBS.

Auch sonst gab es so manchen Unterschied. Bei DRCM hatte die UBS von Anfang an mit 3,5 Milliarden Franken deutlich mehr Kapital drin als bei Scoby, der zudem schon bald zwei Drittel des Gründungskapitals der UBS zurückgeben konnte. Ungewöhnlich war auch die pekuniäre Grosszügigkeit der Bank: Um die Startrader um Costas bei Laune zu halten, soll die Bank gleich zu Beginn Bonusgarantien in Höhe von einer Milliarde Franken gesprochen haben. Grossverdiener waren die Kernfiguren ohnehin schon: In der Branche geht man davon aus, dass Hutchins und Karl je rund 40 Millionen Dollar im Jahr verdienten. Vorgesehen war, dass dieser Reibach nicht bald einbrechen sollte: Das DRCM-Modell sah vor, dass 40 Prozent der Performance des Fonds beim Management bleiben sollten – das ist selbst für Hedge Funds eine enorme Marge, denn üblich sind 20 Prozent. «Ein teures Spielzeug für Costas und seine Manager», urteilte das Londoner Branchenblatt «Financial News».

Konzept von Costas war, nebst den UBS-Milliarden neue Gelder von Investoren zu gewinnen und diese dann an den Eigenhandelsaktivitäten der UBS zu beteiligen. So sollte DRCM tüchtig wachsen. Dass dieses Konzept bezüglich Aufsichtsrecht und Risikomanagement bald auf unüberwindliche Hürden stossen sollte, wusste Wuffli im Moment des Entscheids nicht. Der UBS-Chef hatte den Entscheid nicht in seiner ganzen Tiefe ausloten können. Es ist heikel, wenn der Chef der Investmentbank den Job wechselt. Da kann man nicht mit externen Spezialisten reden, ohne dass dies in die Öffentlichkeit gelangt.

Nach der mit grossem Getöse erfolgten Eröffnung von DRCM im Sommer 2005 wurde es schon bald ruhig um Costas und seinen Hedge Fund. Im Frühling 2006 wurde Wuffli klar, dass die ganze Geschichte massiven Verzögerungen unterlag. Die ursprüngliche Idee, externe Investoren direkt an den Eigenhandelsbüchern der UBS zu beteiligen, warf einen Schwall regulatorischer, rechtlicher und technischer Probleme auf.

Costas sah ein, dass er sein Geschäftsmodell ändern musste. So trennte er die Bereiche und baute eine Art Parallelstruktur – mit einem Fonds für externe Investoren und einem für die UBS-eigenen Gelder. Dies führte aber zu Doppelspurigkeiten und erheblichen Ineffizienzen. «Die Komplexität des Gebildes führte zu Verzögerungen von rund einem halben Jahr», so Costas. Im Hedge-Fund-Business entscheiden aber die ersten zwölf Monate darüber, ob der Fonds bei den Kunden Anklang findet. In der Konzernzentrale in Zürich läuteten die Alarmglocken.

Die nächste Enttäuschung folgte auf dem Fuss. Im Herbst 2006, als Costas endlich den ersten Fonds für die externen Investoren lancierte, kamen nur gerade 1,5 Milliarden Dollar an Geldern zusammen – nicht gerade berauschend. Üblich ist, dass kleinere Fonds mit nur 30 oder 40 Leuten locker fünf oder sechs Milliarden generieren. «Es war peinlich», urteilt Finanzanalyst Christopher Wheeler von Bear Stearns, «sie haben nicht einmal genug Geld zusammengebracht, um mehr als den Break-even zu schaffen.»

Es erwies sich als Nachteil, dass John Costas und seine Leute keinerlei Track Record im Hedge-Fund-Business aufzuweisen hatten. Offenbar trauten ihm und seinen Elite-Tradern nur wenige Investoren eine entsprechende Geldvermehrung zu.

Nun war es für die UBS-Führung in Zürich klar, dass DRCM keine Erfolgsgeschichte werden würde. Anfang 2007 fanden die ersten informellen Gespräche zwischen Huw Jenkins, dem UBS-Investment-Banking-Chef, und Costas statt. In der Konzernleitung stieg das Unbehagen.

Just in dieser heiklen Phase rutschte der Fonds tief in die roten Zahlen. Die Trader hatten sich verspekuliert, Investments im US-Immobilienmarkt, sogenannte Subprime Loans, waren schiefgegangen. Sieben Jahre lang hatte die UBS in diesem Bereich verlässliche Gewinne produziert – und nun das. «Aus dem UBS-Trading-Floor entfernt, scheinen die Händler ihren Golden Touch verloren zu haben», giftelte die «Financial Times». Insider vermuten, dass mit dem Auszug aus Stamford auch die herrschende UBS-Disziplin verloren gegangen sei.

Im April herrschte Krisenstimmung bei der UBS. Drei ausserordentliche Konzernleitungssitzungen folgten kurz nacheinander. Noch versuchte John Costas DRCM zu retten. «Wir haben dem Group Executive Board Alternativen präsentiert», sagt Costas. Doch die Konzernleitung – und allen voran Peter Wuffli – glaubte nicht mehr an den Erfolg und zog die Notbremse.

«Die UBS hat sehr hohe Standards», kommentiert Costas den Entscheid. Doch manchmal seien die härtesten Entscheide in der Tat die besten für eine Firma, auch wenn sie nicht die besten für einen selber seien, räumt er ein. Er habe «keinerlei Bad Feelings gegenüber der Bank», betont er. «Die UBS hat mich grosszügig mit Ressourcen versorgt und mir alle Freiheiten gelassen.» Doch das sei eben das Risiko, wenn man unternehmerisch tätig werde: «Manchmal kann es auch schiefgehen.»

Erik Nolmans
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