Auf seinem LinkedIn-Account sind nur seine Schulter und ein teurer Schlitten zu sehen. Und weder Bildagenturen noch Google besitzen Fotos von ihm: Udo Rössig gleicht einemPhantom. Das wäre nicht weiter verwunderlich, wäre er nicht der Chef eines börsenkotierten Schweizer Unternehmens. Der 59-jährige gebürtige Deutsche ist CEO der Swiss Estates.

Das auf Investments in Wohnbauten spezialisierte Unternehmen ist seit Dezember 2006 an der Berner Börse gelistet. Dass Rössig keinen Bedarf an Öffentlichkeit hat, verwundert nicht. In einer Ad-hoc-Mitteilung wurden die Aktionäre im dritten Absatz Anfang Juli darüber informiert, dass gegen den ehemaligen Präsidenten von Swiss Estates ein Gerichtsurteil ergangen sei.

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Über die nicht unwesentliche Tatsache, dass es sich beim ehemaligen Präsidenten um den amtierenden CEO handelt, wurde nicht aufgeklärt. Swiss Estates sei von dieser Entwicklung nicht betroffen, sagt die Firma.

In erster Instanz schuldig gesprochen

Das Bezirksgericht Zürich sprach Rössig in erster Instanz der mehrfachen Erschleichung einer falschen Beurkundung, der mehrfachen Urkundenfälschung und der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig.

Laut der Anklage wurden Konzernrechnungen der Swiss Estates zwischen dem ersten Halbjahr 2012 und dem ersten Semester 2014 geschönt. Die Richter legten eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren fest. Zudem wurde ein zweijähriges Berufsverbot verhängt. Zur Deckung der Verfahrenskosten wurde ein Motorboot beschlagnahmt. Das Urteil erfolgte in erster Instanz und wird angefochten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

«Unentdeckte Immobilienperle aus der Schweiz»

Rössig besitzt 66,67 Prozent der Namenaktien von Swiss Estates. Auf den Kurs hatte das Urteil wenig Einfluss. Auf Internetforen wie Wallstreet-online.de wird die Firma noch als «unentdeckte Immobilienperle aus der Schweiz» geführt. Ein Beitrag verlinkt auf einen Artikel der «Weltwoche». Diese hat aufgezeigt, dass Rössig, im Artikel aus Sorge vor Klagen als «Detlev X.» bezeichnet, seit Mitte der 1990er Jahre immer wieder in Konkurse und andere Machenschaften verwickelt gewesen sei. Ein halbes Dutzend Strafverfahren habe es bereits gegeben. Dabei sei Rössig immer mit Freisprüchen oder bedingten Strafen davongekommen.

Die Berner Börse BX Swiss hat gegen Swiss Estates nur dann eine Handhabe, wenn diese sich nicht an die Regeln hält. Im September 2018 büsste die Börse das Unternehmen erstmals mit 10 000 Franken. Swiss Estates habe gegen die Ad-hoc-Pflicht verstossen: Man habe den Markt nicht über eine weitere rechtskräftige Verurteilung des Präsidenten vom 18. Januar 2018 informiert.

Erich Gerbl
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