Walnusspulver-Peeling auf die Wangen, Barely-Legal-Rot auf die Lippen, den Lidstrich mit dem Kyliner – Kim Kardashians Halbschwester Kylie Jenner ist das einflussreichste It-Girl der Kosmetikbranche. Und ein Alptraum für den Industriekonzern Sulzer, der nicht nur Pumpen für den Öl- und Gassektor liefert, sondern auch Mascara, Lipgloss und Eyeliner für die etablierte Kosmetikindustrie à la L’Oréal herstellt. Aber immer weniger davon verkauft.

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Grund für den Absatzrückgang sind Social-Media-Stars wie Kylie Jenner. Die jüngste Selfmade-Milliardärin aller Zeiten jagt Kosmetikriesen wie L’Oréal, Estée Lauder und Mac scharenweise Konsumenten ab. Die Produktion der Kosmetika unter eigenem Label geht an Auftragsfertiger und Logistiker, die es schaffen, die Produktion spontan anzupassen. Und sie geht immer weniger an Sulzer.

Markenbotschafter und Konsumenten verlangen mal kleinere Döschen, mal andere Schriftzüge, je nachdem, was gerade in ist. Mit diesen kurzfristigen Anforderungen im Beauty-Markt kommt Sulzer nicht gut klar.

Der Fluch von Instagram

Grosse Auftraggeber des Konzerns wie Kosmetikriese L’Oréal und andere verlieren gehörig Marktanteile an die neuen Stilikonen. Vor allem über den werbewirksamen Social-Media-Kanal Instagram. Kylie Jenner hat dort 149 Millionen Follower. Der gesamte Kardashian-Jenner-Clan hat 626 Millionen Instagram-Follower – und verfügt damit über eine gigantische Marktmacht und Marketingmaschine.

«Der Beauty-Markt stellt sich von Grossserien der grossen Anbieter auf Prestigemarken und Independents um», sagt ein Sulzer-Sprecher.

Mit den kurzfristigen Anforderungen im Beauty-Markt kommt Sulzer nicht gut klar.

Dabei hatte Sulzer einst grosse Hoffnungen im Kosmetikgeschäft. Vor drei Jahren kauften die Winterthurer für mehr als eine Viertelmilliarde Euro die deutsche Geka, spezialisiert auf Verpackungssysteme und -applikatoren für Kosmetika. «Geka war bei der Akquisition eingestellt auf die Produktion und den Absatz von mehreren Millionen Stück», sagt ein Sprecher. Jetzt zeige sich, dass Musiker, Schauspieler und Independents – also Selbstvermarkter – andere Bedürfnisse haben: geringere Stückzahlen, schneller formbar, auf Abruf bereite Produkte.

Ein für Sulzer wichtiger Kunde musste wegen des Trends hin zu Instagram und Independents das Sortiment revidieren. Was auf Sulzer zurückfällt: Der schwächere Beauty-Bereich, der in die sonst lukrative Sparte Applicator Systems integriert ist, drückt auf den Gewinn. Und das, obwohl der Konzern insgesamt die meisten Aufträge seit sieben Jahren hat.

Konsolidierung im Beauty-Segment

Das Geschäft mit der Schönheit machen derweil andere. Produktion und Verpackung für Jenner macht die US-Firma Seed Beauty, ein Eigenmarkenhersteller in Kalifornien. Den Vertrieb macht der Online-Händler Shopify. Eine Kombination aus Auftragsfertigung und viralem Marketing.

Sulzer hat es da eiskalt erwischt. Dessen Werke, Produktplanung und Logistik sind auf spontane Änderungswünsche bei Kleinaufträgen nicht optimal ausgerichtet. Mit gut 900 Mitarbeitenden im Beauty-Segment setzte Sulzer mit der Zulieferung an die Schönheitsindustrie 2018 knapp 180 Millionen Franken um. Im Jahr davor waren es noch um 8 Millionen mehr. Das Geschäft macht rund 40 Prozent des Spartenumsatzes neben Klebstoffen und Gesundheitsprodukten aus.

Zwar verdient Sulzer mit Produkten für das Öl- und Gasgeschäft immer noch siebenmal mehr als mit der Zulieferung für die Kosmetikindustrie. An der Generalüberholung des Geschäftsmodells in diesem Segment führt aber kein Weg vorbei. Das hat Sulzer-Chef Greg Poux-Guillaume erkannt.

An der Generalüberholung des Geschäftsmodells in diesem Segment führt kein Weg vorbei.

Um die Fertigungskette von Sulzer wieder auf Vordermann zu bringen, hat man deshalb bei Geka im August 2019 mit dem Ausbau der eigenen Kapazitäten am deutschen Standort Bechhofen begonnen. Bis Oktober 2020 wird hier die Produktion um 10'000 Quadratmeter erweitert. Die Produktion in Bamberg wird in Bechhofen zusammengezogen.

Auch personell will sich Sulzer erneuern. Manager Girts Cimermans folgt Amaury de Menthière als Divisionsleiter nach. Im Beauty-Bereich kommt Florent Lafond an die Hebel.

Damit Sulzer den Trend nicht verpasst, will das Unternehmen obendrein die Bestellvorgänge ändern. Mittels Online-Tool sollen Influencer die Möglichkeit bekommen, in wenigen Minuten auf ihre Marke zugeschnittene Mascara-Produkte zu modellieren. Die Zeit vom Entwicklungsbeginn bis zum Produkt-Launch soll dadurch verkürzt werden. Und Hollywood-Stars werden zu «Bürstenworkshops» in den USA und Deutschland eingeladen, um ihnen das neue Angebot von Sulzer schmackhaft zu machen.

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