Mitten in der Steppenlandschaft im ostafrikanischen Tansania fährt ein Jeep-Konvoi mit Schweizern vor. Zusammen beobachtet man, wie einheimische Frauen mit Blechtellern Sickerwasser aus einem Rinnsal schöpfen. Für Philipp Wyss, Marketingchef von Coop und die Nummer zwei beim grössten Schweizer Händler, wird die Szene zur prägenden Erinnerung: «Die starken und fröhlichen Frauen machten mir Eindruck. Als wir sie mit unseren Handys fotografierten, zückten sie ihrerseits ihre Smartphones und lichteten uns ab.»
Doch zum Spass hat der Coop-Beschaffungschef die über 15-stündige Reise nicht angetreten. Tansania hat mittlerweile Indien überflügelt als wichtigster Lieferant für fair gehandelte Bio-Baumwolle für Coops Naturaline-Label. Mit der Schweizer Firma Remei pflegt Coop seit über 20 Jahren eine Partnerschaft für Baumwolle, in Tansania «Pamba» genannt.
Beschaffungskooperationen der Coop
Wenn das für Schweizer Ohren ähnlich tönt wie Pampa, ist das für den Coop-Vize Wyss durchaus Programm. Der Basler Detailhändler pflegt in immer mehr entlegenen Gegenden Beschaffungskooperationen. Bio-Crevettenzucht im Mekong-Delta in Vietnam, Bio-Kakao-Anbau in Honduras, Edel-Fleischstücke aus dem Baltikum - Coop will beim Einkauf möglichst nah an den Ursprung.
Wyss nennt zwei Hauptgründe: «Die Vertikalisierung gibt uns volle Transparenz in der ganzen Wertschöpfungskette und erlaubt es uns, Qualitätsware und Rohstoffe abzusichern.» Wenn in der Schweiz Minusteuerung und Einkaufstourismus fordern, wäre eigentlich hier volles Engagement erforderlich, würde man meinen. Wyss sieht es anders. An den Anfang der Wertschöpfungskette vorzurücken, werde gerade jetzt noch wichtiger: «Solche Beschaffungsprojekte helfen uns, Zwischenhändler auszuschalten und Preisverbesserungen für unsere Schweizer Kunden zu erzielen.»
Naturaline als Exportschlager
Mit Naturaline verfolgt man grosse Ziele. Auf 60 Millionen Franken Umsatz will man 2015 kommen, was einem Drittel des gesamten Textilumsatzes bei Coop entspricht. Auf mittlere Frist werden mit Naturaline 100 Millionen Franken Umsatz angestrebt, davon sollen dereinst 30 Prozent im Export anfallen. Einen ersten Erfolg hat man erreicht: Seit diesem Sommer ist Naturaline-Kosmetik in 1000 Conad-Supermärkten in Italien erhältlich.
Auch dies geschehe mit einem Seitenblick auf die Schweiz, sagt Wyss. Grössere Mengen - auch im Export - könnten als Preishebel dienen, um günstigere Preise zu erzielen.
Mit den Aktivitäten in Asien, Afrika und Amerika ist es nicht getan. Nun nimmt der Coop-Vize Ost- und Südosteuropa ins Visier. Rumänien etwa, sagt Wyss, trumpfe mit Top-Wein, Früchten, Gemüse und einer liberalen Politik punkto Landerwerb. Für das Gebiet stehe ein Projekt mit Bio-Getreide an, zudem könnte in Rumänien Rindfleisch («Carpatia-Beef») ein Thema werden.
In Griechenland scheiterte ein Peperoni-Projekt
Diese Beschaffungspläne spielten auch hinsichtlich der Coop-Grosshandelsfirma eine Rolle: «Mit solchen Aktivitäten in Osteuropa möchten wir näher an das Geschäft von Transgourmet heranrücken.» Daneben stehe auch die Gründung eines Einkaufsbüros in Südosteuropa zur Debatte, es könnte in der Türkei oder in Griechenland zu stehen kommen. Wobei letzteres Land keine guten Erinnerungen weckt: 2011 scheiterte ein hellenisches Coop-Projekt zur Beschaffung von Peperoni. Wyss zum Coop-Grexit: «Vor Ort wollte niemand in Franken investieren, da liessen wir es bleiben.»
Wenn Coop sich für die Beschaffung von Fleisch im Baltikum stark macht, wenn Bio-Getreide aus Rumänien besorgt wird, könnte sich bei Produzenten im Inland Ärger regen. Warum ausländische Ware beschaffen, die es so auch in der Schweiz gibt? Man nehme den Schweizer Produzenten nichts weg, beteuert Wyss. Statt Edelfleisch aus Brasilien einzufliegen, werde man im Baltikum produzieren lassen. Gerade beim Fleisch öffne sich eine Schere zwischen Angebot und Nachfrage, ereifert sich Wyss im Schatten einer Akazie in Tansania.
«Wir könnten hundert Mal mehr Bio-Poulets verkaufen»
Was Schweizer Konsumenten am meisten liebten, sei zu wenig vorhanden: «Wir könnten hundert Mal mehr Bio-Poulets verkaufen, wenn diese ausreichend produziert würden», sagt Wyss. «Wer in der Schweiz ein Bio-Poulet erhalten will, muss Schwein haben, weil die verfügbaren Mengen so knapp sind.» Die Schweizer fragten Edelstücke wie Filets oder Entrecôtes in Mengen nach, die der hiesige Markt nicht hergebe. Paradebeispiel Huhn: «Ein Poulet müsste eigentlich, würde es genau den Wünschen der Schweizer entsprechen, mindestens vier Pouletbrüstchen und nur einen Schenkel haben.»
Immerhin sorgt die weiterhin grosse Nachfrage nach hochstehenden Lebensmitteln dafür, dass Coop gut über das Jahr kommen sollte: «Wir werden beim Umsatz wohl auf Höhe des Vorjahres abschliessen, was angesichts einer Minusteuerung von 1 bis 2 Prozent eine starke Leistung ist.»
Umsatz 2015 wird gehalten
Weniger nachhaltig erfolgt der Wasser-Abtransport in Tansania. Die Smartphone-bewehrten Damen spannen einen Ochsen vor ihren Karren und ruckeln weg. Die Wassergefässe auf der Ladefläche bleiben offen. Was mühsam eingesammelt wurde, schwappt mit jedem Ochsentritt in den Sand. Und schon regt sich bei Coop-Manager Wyss der Effizienzgedanke: «Ich glaube, wir sollten noch ein paar Deckel nach Afrika schicken.»