Der International Financial Reporting Standard for Small and Medium-sized Entities (IFRS-SME ) wurde im Juli 2009 verabschiedet. Ungeachtet der Bezeichnung als KMU-Standard richtet er sich an alle Unternehmen, die extern Rechnung legen, etwa gegenüber aussenstehenden Anteilseignern und wichtigen Gläubigern, die aber keiner «öffentlichen Rechenschaftspflicht» unterliegen. Eine solche liegt definitionsgemäss vor, sobald Titel des Unternehmens an einem öffentlichen Markt gehandelt werden oder das Unternehmen als Hauptgeschäft Vermögenswerte einer breiten Gruppe Aussenstehender betreut (Finanzdienstleister). Dass also kapitalmarktorientierte Unternehmen ausgeklammert sind, entbehrt letztlich der Begründung, denn dem IFRS-SME liegt das gleiche Rahmenkonzept wie den «vollen» IFRS (und auch den Swiss GAAP FER) zugrunde. Hier dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

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Indem nun ein Weltstandard auch für private Unternehmen vorliegt, will der Standardsetter (das IASB) wohl seine Position zementieren, aber auch einem Bedürfnis nachkommen: Einerseits nehmen bei den vollen IFRS - zwingend vorgeschrieben für börsenkotierte Unternehmen (Ausnahme: «Domestic Standard» in der Schweiz) - Komplexität und Änderungstempo in unerhörter Weise zu, sollen sie doch schliesslich auch in den USA übernommen und dann mit den US GAAP fusioniert werden. So stimmt das Verhältnis von Kosten und Nutzen oft nicht mehr. Anderseits genügen nationale Standards - die Rede ist nicht von Gesetzen - für die übrigen Unternehmen ebenfalls nicht, wenn diese international tätig werden oder externe Stakeholder im Ausland haben. Erwartet werden dann - extern wie intern - möglichst einheitliche Regeln in allen für das Geschäftsmodell wesentlichen Punkten. Mangelnde Objektivität beeinträchtigt den Zeit- und Unternehmensvergleich; dies führt zu suboptimalen Entscheidungen.

Selbstbestimmung dominiert

Der IFRS-SME könnte als «IFRS light» bezeichnet werden: Zwar ein völlig separater Standard, wurde er ausgehend von den vollen IFRS entwickelt, wobei diese von 3000 auf 230 Seiten (plus offizielle Begründung) zusammengestrichen sowie eine Vielzahl methodischer Erleichterungen vorgenommen wurden. An die Stelle der in den vollen IFRS enthaltenen unverbindlichen Wegleitungen tritt hier umfangreiches Lernmaterial, das von der IASB-Website gratis abrufbar ist. Leider liegen noch keine Dokumente in offizieller deutscher Übersetzung vor (im Versus Verlag, Zürich, ist soeben das Buch «IFRS für KMU - strukturiert» erschienen, welches den Standard übersichtlich auf Deutsch darstellt). Schon über 60 Länder, darunter viele Schwellen- und Entwicklungsländer, sind daran, den IFRS-SME in ihre Rechtsordnung zu übernehmen, oder haben es bereits getan. Mit Zulassung des IFRS-SME durch die EU ist zu rechnen, da eine grosse Mehrheit der Mitgliedstaaten - ohne Deutschland und Frankreich - darauf drängt.

Wie wird das neue Regelwerk in der Schweiz aufgenommen? Bis jetzt, soweit öffentlich erkennbar, von den anvisierten Unternehmen trotz vereinzelter Umstellungsprojekte noch wenig. Fachkreise propagieren die etablierten Swiss GAAP FER, denn präferiert wird weiterhin «Selbstbestimmung» - solange sie im Unterschied zu den EU-Nachbarländern noch möglich ist. Nochmals deutlich knapper als der IFRS-SME sind die Swiss GAAP FER praktikergerecht in ihrer - dem «Schweizer Gesetzgebungsstil» analogen - Verständlichkeit, die durch viele Beispiele gestützt wird (auch ein offizielles Lehrbuch gibt es). Allerdings sind viele schwierigere Themen der internationalen Geschäftspraxis ausgeblendet. Fokussiert wird ausdrücklich auf Unternehmen mit «nationalem» Aktionsradius.

«IFRS light» anerkennen

Dieser Tage behandelt der Nationalrat das neue Rechnungslegungsrecht. Obwohl die von seiner Rechtskommission vorgeschlagenen Änderungen gegenüber der ständerätlichen Fassung sehr kritisch zu würdigen wären, muss es an dieser Stelle bei der Erwartung bleiben, dass auch der IFRS-SME als «anerkannter Standard» zugelassen wird - gerade in der aufs Engste mit den Weltmärkten verflochtenen Schweiz.