Sympathische Erscheinung, wacher Blick, grosse Brille: Dieser junge Zürcher ginge problemlos als Geschichtslehrer durch. Oder als Gentechniker. Aber Rainer Brenner (36) ist Werbetexter. Der frechste der Schweiz. Vor allem, wenn er seinen Griffel für Galaxus spitzt.

Das Schweizer Online-Warenhaus, zu 70 Prozent im Besitz der Migros, vertraut für seine Werbung auf die Dienste der Agentur Wessinger und Peng. Kein Kommunikations-Supertanker: vier Köpfe in Stuttgart, drei in Zürich-Altstetten. Einer davon: Rainer Brenner, studierter Theaterwissenschafter und Germanist. Der Mann bringt alles und jedes in ein paar Worten unter. Kunststück: Von ihm stammt der Galaxus-Claim «Fast alles für fast jeden».

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«Erotik ist immer ein Steilpass»

Mit der «Galaxus für»-Kampagne streicht das Online-Warenhaus, das bis Ende Jahr eine Million Artikel führen dürfte, seine Sortimentsbreite heraus. Ganz viele Dinge für ganz viele Menschen. Also textet Brenner zur WC-Bürste: «Für jeden Scheiss». Zum Kompost-Eimer: «Für faule Säcke». Zum Kopfhörer: «Für Stereotypen».

Aber nicht immer ist alles für jedermann. Das gilt besonders für einige der expliziteren Artikel aus dem Galaxus-Erotiksortiment, das mittlerweile fast 3000 Artikel umfasst. Darunter ein Sexspielzeug, das sich auf Performance im analen Bereich fokussiert. Brenner textet: «Galaxus für Arschlöcher». Ziemlich starker Tobak, den aber nicht jeder zu sehen bekommt. Das Sujet läuft nur auf Porno-Websites. Trotzdem: Darf man das?

Brenner sieht die Sache grundsätzlich: «Erotik ist eigentlich das Einfachste. Ein Steilpass für Wortwitz.» Wobei er mehr suche als den blossen Schenkelklopfer: «Der Text muss zum Produkt passen. Und eine gewisse Doppeldeutigkeit transportieren. Das ist uns hier gelungen.»

Noch nie ein Text verboten

Mit «wir» meint Brenner die Zusammenarbeit im – aus Frauen und Männern zusammengesetzten – Galaxus-Team. Seine Auftraggeberin erlebt er als «extrem offen, innovativ, entscheidungsschnell». Noch nie sei ihm ein Text verboten worden. Auch deshalb, «weil alle Beteiligten wissen, wo die Grenze liegt. Beim Anal-Toy ist sie nicht erreicht.»

Etwas näher dran fühlte er sich mit denjenigen Sujets, die politisch aufgeladen waren. Textbeispiel zu einem Boxhandschuh: «Für eine starke Rechte». Das weckte landesweit Emotion.

«Das ‹Arschloch› lag schon länger rum»

Zu seinen «Sprüchen» kommt Brenner, indem er Seiten vollschreibt mit Begriffen. Manche Worte werden nicht gleich eingesetzt. Sie warten aufs passende Produkt. Auch das aktuelle Beispiel ist ein Nach-Brenner: «Das ‹Arschloch› lag schon länger rum.» Ist es Kundenbeschimpfung, wenn sich ein Produkt an Arschlöcher richtet? Brenner verneint. Weil im gewählten Umfeld der Wortwitz klar ersichtlich sei. Und weil die Menschen mehr Humor vertrügen als gemeinhin gedacht.

Brenner hat das selber schon bewiesen. Sein Spruch zu einem Papierkorb: «Galaxus für schlechte Werbung».

Andreas Güntert
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