Wie aussagekräftig sind Konjunkturprognosen? Diese Frage stellt sich, nachdem fast durchwegs alle Konjunkturforschungsstellen ihre Prognosen nach unten korrigieren mussten. Der Grund für die aktuellen Korrekturen liegt jedoch diesmal wahrscheinlich nicht bei den Prognostikern.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat mit einer Mitteilung letzte Woche die Schweizer Konjunkturexperten ins Dilemma gestürzt. So habe man eigentlich aufgrund verschiedener wirtschaftlicher Indikatoren an eine Erhöhung der Wachstumsprognose für die Schweiz gedacht, sagte zum Beispiel der Leiter Konjunkturanalyse Schweiz bei der CS, Claude Maurer, am Dienstag an einer Medienkonferenz in Zürich.

Mit der Mitteilung des Seco, dass die Schweizer Wirtschaft bis zum Ende des ersten Halbjahres lediglich um 0,3 Prozent gewachsen sei, habe man sich jedoch wie auch Andere gezwungen gesehen, die Prognose nach unten zu korrigieren.

Widerwillig, wie sich aus dem Prognosebericht herauslesen lässt. Denn «aktuelle Statistiken zeigen ein deutlich positiveres Bild», steht da geschrieben. Konsumentenstimmung, Einkaufsmanagerindex, Tourismuszahlen und die Auslastung der Industrie deuteten auf eine expandierende Wirtschaft hin.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Zu tiefe Quartalszahlen

Auf Anfrage der sda zeigt sich Maurer denn auch überzeugt, dass sich das Seco und nicht die Grossbank verrechnet hat. «Ich erwarte eine Revision dieser Quartalszahlen», sagt Maurer. Er sehe bis jetzt jedenfalls keinen realen Grund, warum die Indikatoren und das gemessene Wachstum so stark auseinanderklaffen sollten.

Der CS-Ökonom vermutet, dass hinter der Differenz vor allem Statistik steckt. «Allein schon weil das Bundesamt für Statistik (BFS) höhere Wachstumszahlen für das Jahr 2016 als das Seco errechnet hat, fällt das Wachstum im laufenden Jahr tiefer aus», sagt Maurer.

Tatsächlich sorgen die Revisionen des BFS für beträchtliche Bewegung beim Wirtschaftswachstum. So hat die jüngste Revision ergeben, dass das Wirtschaftswachstum für die Jahre 2013 bis 2015 bisher um 0,4 Prozent zu tief angegeben wurde. Ausschlaggebend dafür war gemäss BFS, dass die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung neu erhoben wurden.

Das allein zeigt schon, dass die Errechnung der Wirtschaftsleistung, das so genannten Bruttoinlandprodukt (BIP), lediglich eine Annäherung an die Realität ist. Das BFS revidiert darum auch dauernd seine Statistik. So publiziert das Bundesamt eine erste Berechnung des Jahres-BIP jeweils im August des darauffolgenden Jahres. Zu diesem Zeitpunkt gibt es gemäss Auskunft des BFS auch die revidierten Zahlen des Vorjahrs und die schliesslich definitiven Zahlen des Vorvorjahres bekannt. Definitiv sind demnach also die Wachstumszahlen erst für das Jahr 2014.

Zweifel an der Aussagekraft

Zusätzlich passt das Bundesamt gemäss Auskunft des BFS rund alle drei Jahre die Erfassung an. Aufgrund dieser werden dann auch die schon definitiven Wachstumszahlen erneut korrigiert. Die im August publizierte Revision hat zum Beispiel die BIP Zahlen bis ins Jahr 1995 verändert. Maurer nennt denn auch die Erstellung von BIP-Prognosen eine Arbeit mit einem beweglichen Ziel. Die aktuellen Prognose seien darum auch ein Kompromiss zwischen den Indikatoren und den gemessenen BIP-Zahlen.

Unter Ökonomen wird die Aussagekraft des BIP schon seit längerem diskutiert und bezweifelt. Insbesondere für die Schweiz mit seiner offenen Volkswirtschaft sei eine korrekte Messung der Wirtschaftsleistung schwierig, sagt Maurer. Trotzdem plädiert er nicht für einen Ersatz. «Das BIP ist zwar nicht die beste Messgrösse für die Messung der Leistung und Entwicklung einer Volkswirtschaft, aber wahrscheinlich die bestmögliche Messmethode», sagt er.

(sda/ccr)