Im Spiel am Devisenmarkt gibt Thomas Jordan womöglich zu viel von seinem Blatt preis. Das ist eine Schlussfolgerung von Janwillem Acket, Chefökonom von Julius Bär Group Ltd., nach dessen Einschätzung der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) den Ansatz seiner Amtskollegen aus einer anderen kleinen und offenen Volkswirtschaft in Betracht ziehen könnte, die auch über einen grossen Finanzsektor verfügt: Singapur.

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Währungskorb nach Art von Singapur

Die Devisenreserven der SNB sind hochgeschossen bei der Abwehr spekulativer Attacken auf den Franken, und das spiegelt sich in wöchentlichen Daten zu den Sichteinlagen wider. Im Gegensatz dazu besteht das Hauptinstrument von Singapurs Zentralbank in einem Devisenkorb, der aus den Währungen der wichtigsten Handelspartner besteht. Dessen genaue Zusammensetzung wird aber nicht preisgegeben, und auch die Transparenz bei ihren Devisen-Käufen ist geringer.

«Die SNB braucht wieder Handlungsspielraum ohne den Klotz der Märkte am Bein», sagt Acket im Gespräch mit Bloomberg in Zürich. «Ein ausgefeilter Währungskorb nach Art von Singapur würde es der SNB ermöglichen, eine konsistente Preisstabilitätspolitik zu verfolgen. Gleichzeitig würden so die Auswirkungen schwer kontrollierbarer Währungsschocks auf die Wirtschaft abgemildert werden.»

Dem Markt nicht komplett ausgesetzt

Nach der Abschaffung des Franken-Deckels im Januar, als die SNB wegen der kurz bevorstehenden quantitativen Lockerung im Euroraum vor einer Geldflut stand, könnte ein Umdenken in der Strategie unter Umständen notwendig sein. Da die Schweizer Wirtschaft womöglich in eine Rezession abgerutscht und der Franken weiter hartnäckig stark ist, fragen sich Analysten, welche Optionen der Zentralbank noch zur Verfügung stehen.

Nach Einschätzung von Chris Turner, Leiter Devisenstrategie bei ING Groep NV in London, wäre ein Währungskorb ähnlich wie in Singapur «eine Möglichkeit» für die SNB. «Es dreht sich im Grunde alles um die Glaubwürdigkeit», sagt Turner. «Wenn man einen Korb benutzt, dessen Zusammensetzung unbekannt ist, kann man diese Art von flexibler Gestaltung haben, ohne dem Markt komplett ausgesetzt zu sein, was die Weise angeht, wie man ihn managt.»

Die Monetary Authority of Singapore interveniert wenn nötig, um den Wechselkurs innerhalb einer nicht spezifizierten Spanne zu halten. Wie weit sich diese Bandbreite erstreckt und wo sich die Landeswährung innerhalb dieser Spanne befindet, werden nicht enthüllt.

Anderer Ansatz bei der SNB

Damit unterscheidet sich der Ansatz deutlich von dem der SNB. Seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008 hatte die Zentralbank wiederholt Euro gekauft, um die Aufwertung des in Krisenzeiten als sicher geltenden Franken zu bremsen. Vor der Einführung des Euro-Mindestkurses für den Franken im September 2011 nahm das oft die Form grosser Salven am Markt an. Das drückte den Franken temporär um mehrere Rappen, bevor ängstliche Anleger den Schritt wieder aushöhlten.

Zwischen 2011 und Anfang 2015 setzte die SNB einen absoluten Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro fest und verteidigte die Grenze mit aller Konsequenz. Die vierteljährlichen Daten zur Reserven-Allokation gaben Einblick in ihre Marktaktivitäten.

«Jeder sieht was die SNB zu machen versucht»

Doch selbst ohne das Franken-Limit beobachten Ökonomen die wöchentlichen Sichtguthaben und monatlichen Zahlen zu den Fremdwährungsreserven mit Argusaugen, um das Ausmass der Interventionen abzuschätzen. Auf Pressekonferenzen und öffentlichen Veranstaltungen werden die Schweizer Währungshüter regelmässig zu ihrem Reservemanagement ausgequetscht.

Singapurs Modell - ein unbekannter Währungskorb, keine Berichte der Sitzungen und wenige Interviews mit den Medien - gibt hingegen nur sehr wenige Informationen preis.

«Im Moment kann jeder sehen, was die SNB zu machen versucht», sagt Ipek Ozkardeskaya, Analyst von London Capital Group Ltd. «Wenn der Markt einen höheren Franken will, dann treibt er ihn einfach nach oben.»

Undurchsichtiger Währungskorb dürfte auf Widerstand stossen

Die SNB steht unter Druck, sogar noch transparenter zu werden. Nach ihrem überraschenden Schritt im Januar wurden Rufe laut, die Sitzungsprotokolle zu veröffentlichen, das dreiköpfige Direktorium zu erweitern und seine Mitglieder vom Parlament wählen zu lassen. Die Einführung eines undurchsichtigen Währungskorbs dürfte in einem Land, das für seine direkte Demokratie berühmt ist, somit auf Widerstand stossen.

In Singapur gibt es keine nennenswerte politische Opposition, um mehr Transparenz in der Geldpolitik zu verlangen. Die regierende People’s Action Party, die über die Mehrheit der Sitze im Parlament verfügt, ist seit der Unabhängigkeit des Inselstaats im Jahr 1965 an der Macht.

«Diese Form der Politik erfordert einen gewissen Ermessensspielraum und Vertrauen in eine faktische Aufwertungsneigung, damit sie für spekulative Attacken nicht allzu anfällig ist», sagt Vishnu Varathan, Ökonom von Mizuho Bank Ltd. in Singapur. «Das ist der Punkt, in dem sich Singapur und die Schweiz meiner Meinung nach unterscheiden dürften.»

(bloomberg/ccr)