Seit längerer Zeit ist bekannt, dass die vom bundeseigenen Rüstungskonzern Ruag hergestellten Sprengkörper vom Typ HG 85 und OHG 92 ursprünglich mit einer bewilligten Lieferung in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gelangten. Dass die Granaten am Schluss in den Händen von Rebellen der Freien Syrischen Armee landeten, war ein klarer Verstoss gegen die Nichtwiederausfuhrerklärung, welche die Emirate unterzeichnet hatten.

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Eine gemischte bilaterale Untersuchungskommission nahm sich der Affäre an, und kurzfristig wurde ein Ausfuhrstop für Kriegsmaterial verhängt. Diese Sperre wurde jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgehoben. Damit konnte der Flugzeughersteller Pilatus einen bereits laufenden Export in die VAE fortsetzen. Dabei geht es um 25 PC-21-Trainer im Wert von rund 500 Millionen Franken.

Geschenk an Jordanien

Recherchen der «Rundschau» zeigen nun, dass die syrischen Rebellen die Waffen nicht von den Emiraten erhielten. Vielmehr lieferten die VAE die Schweizer Granaten als Geschenk nach Jordanien. Von dort gelangten die «besten Handgranaten der Welt» (Originalton Ruag) – höchstwahrscheinlich über die Türkei – in den Norden von Syrien.

Reporter Kurt Pelda sah die Ruag-Sprengkörper bei den verschiedensten Rebellengruppen, von der türkischen Grenze bis hin zur Front in Aleppo, und er konnte auch den Waffeneinsatz im Strassenkampf filmen.

Ruag-Munition bereits in Lybien im Einsatz

Bereits vor einem Jahr hatte die «Rundschau» aufgedeckt, wie Ruag-Gewehrmunition zu den libyschen Revolutionären im Kampf gegen Diktator Gaddafi gelangt war. Damals hatte Katar die Munition legal bei der Ruag beschafft und sie entgegen der Nichtwiederausfuhrerklärung an die libyschen Rebellen geliefert – wegen eines «logistischen Fehlers», wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) später einsilbig wissen liess.

Katar wurde daraufhin mit einem rund halbjährigen Embargo für Kriegsmaterial belegt. Wenige Monate nach dem Ende des Lieferstops hiess es dann: Bahn frei für einen weiteren Pilatus-Grossauftrag: Katar bestellte im Juli 2012 24 PC-21 im Wert von mehr als 600 Millionen Franken.

Kein Einzelfall

Einen ähnlichen Fall wie bei den Handgranaten gab es schon 2006, als die Ruag 40 ausgediente M-109-Panzerhaubitzen der Schweizer Armee in die VAE exportierte. Die Emirate verschenkten die Panzerfahrzeuge daraufhin an Marokko, ein Land, das die Schweiz wegen des Westsahara-Konflikts nicht mit Kriegsmaterial beliefern darf.

Als die Sache aufflog, erklärten die Emirate, die Schweizer Behörden seien sehr wohl über die Absicht des Weiterexports nach Marokko informiert gewesen. In der Folge kritisierte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats das Verhalten der Behörden. Immerhin belegte Bern die VAE damals mit einem einjährigen Waffenausfuhrverbot.

Zuerst habe man einen Lieferstop von einem Jahr erlassen, dann sei es im Fall Katar nur noch ein halbes Jahr gewesen, meint Alexander Spring, Doktorand an der Universität Bern. Spring ist Koautor einer Studie zum Thema, die im Auftrag des Forums für Aussenpolitik (Foraus) verfasst wurde.

Bei den Handgranaten habe Bern die Sperre sogar schon nach ganz kurzer Zeit wieder aufgehoben. Eine einheitliche Linie sei da nicht erkennbar, und die Verfahren seien intransparent, moniert Spring.

(rcv)