Sein Ruhepuls beträgt gerade mal 56 Schläge, doch wenn es um Macht und Prestige geht, ist die Lunte eher kurz. Das ist mitunter anstrengend. Letzten August gönnte sich Hans Felix Vögeli (56), Chef der Zürcher Kantonalbank, Ferien in Alaska. Drei Wochen weg vom Büro – so lange wie nie zuvor.

Wie oft doch hat ihn dieser Bankrat – so heisst der Verwaltungsrat der ZKB – die Wände hochgetrieben. Nach seiner Reise schien sich fast so etwas wie Seelenfrieden auszubreiten. Intern war vom rosa Alaska-Blick des Chefs die Rede. Doch die Minne, die war nur von kurzer Dauer. Wochen später sprach Vögeli bei Bankratspräsident Urs Oberholzer vor und beschwerte sich bitter über die Kontrolliererei von oben. Nein, so macht es keinen Spass mehr, meinte Vögeli. Und: Wenn das nicht bessere, überlege er sich, den Bettel hinzuschmeissen.

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Den Bettel hinschmeissen? Es war das Stichwort, auf das Oberholzer gewartet hatte. Statt seinen Topmann zum Bleiben zu überreden, schlug der Präsident schriftliche Fixierung des Abgangs vor – Vögeli war verdutzt. Und irgendwie erleichtert. Ungewöhnlich auch: Die so besiegelte Trennung zwischen zwei Dienstkollegen blieb monatelang geheim. Erst Anfang April wurde sie kommuniziert. Der Hintergrund für die Verzögerung: ein Streit über die Abgangsmodalitäten.

Mit der Floskel «Generationenwechsel» wurde die Trennung nach aussen verkauft. Die filigrane Pressearbeit aber vermag nicht zu kaschieren: Da trennen sich zwei, die nie zusammenpassten. Hier Vögeli, Generalstabsoberst mit 1720 Diensttagen, ein Haudegen der alten Sorte, eine Führernatur mit Ego und den Initialen HFV auf dem Hemd eingenäht, das sich über die durchtrainierte Brust spannt. Ein CEO auch, der das Nachfragen des Bankrates allzu oft als Einmischung ins eigene Revier interpretiert, ein fintenreicher Knipser schliesslich, der die Treffer am liebsten gleich selber bucht. Im Gespräch gibt er sich diesmal jovial, und wenn ihm ein «Ich habe» herausrutscht, korrigiert er umgehend: «wir, das heisst die 4200 Mitarbeiter der ZKB». Und der permanente Zoff? Sorry, meint er, den gibt es nicht.
Hier der grosse Vorsitzende, dort die drittgrösste Schweizer Bank, im Besitz der Steuerzahler, ausgestattet mit Staatsgarantie, eingebettet in die Konkordanzdemokratie, mit einem breit aufgestellten Bankrat, der auf Zahlen, aber auch auf Werte und Nachhaltigkeit pocht.
Symptomatisch für die Unverträglichkeit zwischen Bank und Banker: Ende Februar enervierte sich Vögeli wieder einmal über den Bankratsausschuss, diesmal speziell über SP-Vertreterin Liselotte Illi. Ihr entzog er vor versammeltem Gremium das Duzis. Vögeli mag sich dazu nicht äussern, nur so viel: Wer per Du verkehre, müsse gemeinsame Werte teilen. Gemeinsame Werte? In den letzten Wochen verkündete er unüberhörbar auf den Gängen des Hauptsitzes: «Der Mehrwert des Bankrates ist gleich null.»

Was alles nicht ganz einfach macht: Vögeli hat die Bank im Hauruckstil durchgeschüttelt und dynamisiert. «Peutäterlen» ist seine Sache nicht. Vor allem hat der Dynamiker noch an jeder Pressekonferenz das Spitzenresultat vom Vorjahr getoppt. Klar, die Konjunktur erfüllt der Finanzbranche jeden Wunsch, und: Längst nicht überall ist er über dem Markt gewachsen. Dennoch ist die Leistung beachtlich. Der 810-Millionen-Gewinn (2005) war der höchste in der 136-jährigen Geschichte der Bank.

Doch der kommerzielle Erfolg, das realisierte Vögeli zu spät, wurde auch zur Belastung für ein Institut, das sich nicht primär als forsche Handelsbank, sondern als grundsolide Spar- und Hypobank versteht. In den Statuten ist nicht Profitmaximierung festgeschrieben, sondern Nachhaltigkeit. «Die ZKB bildet ein bedeutendes Gegengewicht zu den ausschliesslich gewinnorientierten Privatbanken.»

Nur: Wofür steht die ZKB? Wohin will die Bank? Diese Fragen stellen immer mehr Leute. Für manche Beobachter ist klar: Die Bank ist heute strategisch nicht viel weiter als beim Stellenantritt Vögelis. Die schwindende Kraft der Identität ist auch am fallenden Markenwert der ZKB abzulesen. Bei Vögelis Stellenantritt lag der Markenindex bei 68 Punkten, diesen Frühling bei gerade mal 61 – und damit klar unter der Bankrats-Vorgabe. Diese verlangt eine Bandbreite von 75 bis 65, wie im Geschäftsbericht nachzulesen ist.

Gut möglich, dass die Derivatgeschäfte mit Unaxis beim Publikum schädlich wirken. Wahrscheinlich auch, dass die sinkenden Werte die Quittung für steigende Gebühren und Kommissionen sind. Vögeli selber verweist auf den negativen Branchentrend, dem sich auch eine ZKB nicht entziehen könne. Alle hätten sie durch die Managerlohndebatte gelitten. Das sei fatal: Die ZKB-Spitze gehört gar nicht zu den Grossverdienern. Vögeli strich letztes Jahr knapp 1,5 Millionen ein, ein Bruchteil von Ospels Lohn.

Nicht nur die Reputation litt, angestanden ist der ZKB-Chef auch beim Private Banking, das er bei Stellenantritt zur Chefsache und zum Kerngeschäft erhob. Bloss: Die angekündigte Akquisition kam nie zu Stande. Zu teuer oder unpassend, lautet die offizielle Erklärung. Nicht viel besser steht es um die angestrebten Kooperationen mit andern Kantonalbanken: Auch da blieb Vögeli den grossen Wurf schuldig. Oftmals scheiterten die Gespräche an seinem Allmachtanspruch, heisst es in der Branche. Wahr ist allerdings auch, dass sich der eine oder andere um einen Machtverlust sorgte und wenig Lust auf einen Personalabbau verspürte.
Potenzial zur Leistungssteigerung besteht überall. Während Vögeli im Kader gerne verbale Kopfnüsse verteilt, wird hinter seinem Rücken tüchtig zurückgekeilt. Übel mitgespielt wurde im Infight der Nummer zwei der Bank, Charles Stettler. Anfang April durfte der 58-jährige Generaldirektor der Presse entnehmen, dass er nicht mit höheren Weihen rechnen darf. Im Trennungs-Communiqué las er, dass «mehrere Mitglieder der Generaldirektion» in den nächsten Jahren altershalber zurückträten – und ergo für einen Aufstieg nicht mehr in Frage kämen. Zweifellos ein Tiefschlag für den altgedienten ZKB-Mann.

Hinter den Kulissen wird nun die Post-Vögeli-Ära geplant. Intern wünscht man sich einen Teamplayer und Kommunikator, der es versteht, das Kader hinter sich zu scharen und Visionen aufzuzeigen. Einer, den man sich auf dem Vögeli-Thron vorstellen könnte, ist Pierin Vincenz, Chef der Raiffeisen-Gruppe. ZKB-intern geniesst die Bank Respekt, zumal sie im Heimmarkt Zürich aggressiv und erfolgreich operiert. Nur: Vincenz hat sich selber aus dem Rennen genommen. Ein Wechsel nach Zürich sei kein Thema (siehe Mann des Monats auf Seite 26).

Im Gespräch sind auch die Chefs diverser Kantonalbanken: Urs Rüegsegger aus St. Gallen und Alois Vinzens aus Chur. Letzterer gilt als Favorit von Bankratspräsident Oberholzer. Vinzens’ Handicap: Die Bilanzsumme der Bündner KB ist sechsmal kleiner als jene der ZKB. Als Vertreter der jüngeren Generation kursieren ZKB-Generaldirektor Martin Scholl, zuständig fürs Privatkundengeschäft, sowie der ehemalige ZKB-Kadermann Barend Fruithof, Geschäftsleitungsmitglied der Raiffeisen-Gruppe. Während Scholl als eher farbloser Karrierist gilt, hat man Fruithof bankintern als hochgetakteten Motivator und E-Banking-Aficionado in Erinnerung. Als mögliche Wahl taucht auch der Name des Banca-del-Gottardo-Chefs Rolf Aeberli auf. Er ist Zürcher, seine Familie lebt weiter in der Deutschschweiz. Ihm werden auch Ambitionen auf den Chefposten bei der Muttergesellschaft Swiss Life nachgesagt.

Noch ist alles offen. Der ZKB-Chefposten gilt als Topjob im Schweizer Banking. Er hat in der Bankiervereinigung und vor allem im Kantonalbankenverband Gewicht.

Daselbst erhofft man sich von Vögelis Abgang mehr Eintracht und Gemeinsinn. Doch vielleicht narrt der Vielgescholtene am Ende die ganze Branche doch noch mit einem Husarenstück. Derzeit verhandelt er mit der Waadtländer Kantonalbank (BCV) über eine Informatik-Kooperation. Es wäre ein kleiner Triumph für Vögeli, wenn er mit der BCV – nach mehreren Anläufen – doch noch ins Geschäft käme. Es wäre auch eine starke Rückkehr von BCV-Präsident Olivier Steimer nach Zürich. Aus einem hoch dotierten CS-Vertrag ist er einst ins Waadtland geeilt, um die ins Schlingern geratene Kantonalbank zu sanieren. Das ist ihm gelungen; nun will er mehr. Vielleicht sogar Vögelis Posten.

Der Handlungsbedarf bei den Zürchern ist drängend, tonnenschwer drücken die Kosten. Allein für die IT gingen letztes Jahr 360 Millionen drauf. Derzeit sucht McKinsey in der ZKB-Logistik nach weiterem Sparpotenzial. Das Projekt «Korel» zielt nicht auf Personalabbau, sagt Vögeli. «Wir möchten Kapazitäten vom Back Office an die Kundenfront verschieben – damit wir näher bei der Kundschaft sind.»

Die Kosten drücken gewaltig auf die Erträge. Nicht auszumalen, wenn das volatile Handelsgeschäft einbräche. Eine Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen (IFZ) in Zug fördert die Problematik zu Tage. Die Cost-Income-Ratio, ein Mass für die Effizienz, liegt bei diversen Staatsbanken bei 55, bei der ZKB dagegen ist sie ungleich höher – 64.

In der Zeitschrift «Swiss Equity Magazin» wird die Bankenstudie kommentiert: «Ungemütlich wird die strategische Lage für Banken, deren Cost-Income-Ratio über 60 liegt», heisst es da nüchtern. Autor des Vergleiches ist Professor Maurice Pedergnana – Bankrat der ZKB.

Noch bleiben CEO Hans F. Vögeli anderthalb Jahre, um die Bank strategisch auf Kurs zu bringen, die Risiken zu mindern und all den grossartigen Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Am Einsatz ist nicht zu zweifeln: Bis zum letzten Arbeitstag, dem 31. Dezember 2007, wird er wie gewohnt kurz nach fünf das Tagwerk in Angriff nehmen und von einer Sitzung zur nächsten stürmen. Nach seinem Abgang, verrät er, will er sich eine einjährige Auszeit gönnen – um dann als professioneller Verwaltungsrat kürzer, aber kaum leiser zu treten.