Das St. Galler Verwaltungsgericht hat sich am Freitag mit dem Kopftuchverbot in der Schule von St. Margrethen SG befasst. Die Familie einer muslimischen Schülerin wehrte sich mit einer Beschwerde dafür, dass das Mädchen im Unterricht ein Kopftuch tragen darf.
Die Verhandlung fand wegen des öffentlichen Interesses am Thema ausnahmsweise vor Publikum im grossen Saal des Kantonsgerichts statt. Üblicherweise tagt das Verwaltungsgericht nicht öffentlich. Das Urteil soll am kommenden Dienstag gefällt werden.
Provisorisch mit Kopftuch
Die muslimische Familie, die aus Bosnien stammt, argumentierte in ihrer Beschwerde mit der Religionsfreiheit. Das Mädchen war als Sechstklässlerin mit Kopftuch in der Primarschule in St. Margrethen erschienen. Darauf erliess die Schulgemeinde, gestützt auf eine Empfehlung des Kantons, ein Kopfbedeckungsverbot.
Die Schülerin blieb dem Unterricht eine Zeit lang fern und erarbeitete den Schulstoff selbständig zu Hause. Inzwischen darf sie, nach einem Zwischenentscheid des Verwaltungsgerichts, provisorisch mit Kopftuch zur Schule gehen.
Unterstützung vom Islamischen Zentralrat
Eine Beschwerde der Eltern gegen das Kopftuchverbot wies das kantonale Bildungsdepartement Anfang 2014 ab. Die Familie zog den Fall, unterstützt vom Islamischen Zentralrat der Schweiz, ans Verwaltungsgericht weiter. Dort argumentierte die Anwältin der Familie, das Kopftuchverbot verletzte die Religionsfreiheit und sei diskriminierend.
Die Schulordnung müsse übergeordnetes Recht - in diesem Fall die Bundes- und die Kantonsverfassung sowie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) - respektieren. Ausserdem fehle ein öffentliches Interesse am Kopftuchverbot. In der betroffenen Klasse habe niemand etwas dagegen, dass die muslimische Schülerin ein Kopftuch trage.
Die Schule habe vielmehr die Aufgabe, Werte wie Offenheit und Toleranz zu fördern, sagte die Anwältin. Der Vertreter der Schulgemeinde St. Margrethen sah dies ganz anders: Ein Kopfbedeckungsverbot begünstige die Integration von ausländischen Kindern.
Kopfbedeckungen stören Lernbetrieb
Es gehe nicht nur um Kopftücher, sondern auch um andere Kopfbedeckungen wie Baseballmützen. Diese störten den Lernbetrieb. Das Verbot sei kein schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit und deshalb zumutbar. Die Schulordnung mit dem Kopfbedeckungsverbot sei zudem demokratisch legitimiert.
Die Beschwerde sei abzulehnen. Den muslimischen Eltern warf der Vertreter der Schulgemeinde eine «Verweigerungshaltung» vor. Ihre Kinder dürften auch nicht am Schwimmunterricht und an den Skilagern der Schule teilnehmen; zu Elterngesprächen erschienen die Eltern ebenfalls nicht.
Im Kanton St. Gallen gebe es derzeit rund 7000 muslimische Schulkinder. Diese machten rund 15 Prozent aus. Der weitaus grösste Teil der Mädchen gehe ohne Kopftuch zur Schule. Das gleiche sei auch für die Beschwerdeführer zumutbar.
Bildungsdepartement abwesend
Der St. Margrethener Schulratspräsident erklärte auf eine Frage des Verwaltungsgerichtspräsidenten, mit dem provisorischen Schulbesuch des Mädchens mit Kopftuch gebe es keine Probleme. In der Primarschule und der Oberstufe gebe es noch zwei weitere Familien, die für ihre Töchter um eine Kopftucherlaubnis ersucht hätten.
Das kantonale Bildungsdepartement von Regierungsrat Stefan Kölliker (SVP), dessen Rekursentscheid angefochten ist, verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung. Dies, obwohl das umstrittene Kopftuchverbot auf eine Empfehlung des Erziehungsrats (unter Köllikers Führung) an die Schulgemeinden zurückgeht.
(sda/ise/ama)