Die Staatsanwaltschaft der toskanischen Stadt Grosseto hat für Francesco Schettino, Kapitän des 2012 vor der toskanischen Insel Giglio gesunkenen Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia, 20 Jahre Haft wegen fahrlässiger Tötung gefordert. Dies sagte Staatsanwalt Francesco Verusio, der die Ermittlungen gegen Schettino führt.
Zu seiner Aussage in Grosseto erschien Schettino im grauen Anzug und mit Pilotenbrille. Befragt wurde er von Staatsanwalt Allessandro Leopizzi, der sich Schettinos Sicht der Abläufe auf der Costa Concordia rund um das Unglück vom 13. Januar 2012 minutiös schildern liess.
Schettino wollte Spektakel bieten
Das Schiff hatte bei einem riskanten Manöver vor der Küste der toskanischen Insel Giglio einen Felsen gerammt und war gekentert. 32 Menschen kamen ums Leben. Schettino wird vorgeworfen, die gefährliche Kursänderung vorgenommen zu haben, um den Passagieren ein Spektakel zu bieten und Beobachter auf der Insel zu grüssen.
Dies bestätigte der Kapitän am Dienstag grundsätzlich. Auch räumte er ein, als Kapitän des Schiffes die Verantwortung getragen zu haben. Allerdings betonte Schettino, dass er erst etwa 15 Minuten vor dem Unglück aus dem Restaurant auf die Brücke zurückgekommen sei und bis zu diesem Zeitpunkt sein Vize das Kommando gehabt habe.
Radar nur «flüchtig» angeschaut
Als er wieder das Kommando übernommen habe, sei er davon ausgegangen, dass sich das Schiff eine halbe Seemeile vor Giglio auf sicherem Kurs befinde, gab Schettino an. «Wenn die Mannschaft Zweifel daran gehabt hätte, hätte sie mir das sagen müssen», sagte er.
Auf den Radar habe er nur «flüchtig» geschaut. Auf die Frage, warum er der Küstenwache über Funk die Frage gestellt habe, ob auch 0,3 Seemeilen vor der Küste «Wasser» sei, sagte Schettino: «Ich wollte nur Konversation betreiben.»
Kapitän beschuldigt Steuermann
Schettino erhob schwere Vorwürfe gegen den indonesischen Steuermann, dem er auf Englisch Befehle gegeben, die dieser aber offenbar nicht verstanden habe. Der Steuermann und zwei Schiffsoffiziere waren 2013 mit Haftstrafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und einem Jahr und elf Monaten belegt worden.
Die Vermutung, dass er eine Frau aus der Moldau, mit der er zuvor zu Abend gegessen hatte, mit dem Manöver habe beeindrucken wollen, wies der frühere Kapitän zurück. Laut der Aussage eines Mitarbeiters des Schiffsbetreibers befand sich die Frau zum Unglückszeitpunkt auf der Brücke und bestätigte, ein Verhältnis mit Schettino gehabt zu haben.
«Kapitän Feigling»
Schettino hatte die Costa Concordia in einem Rettungsboot verlassen, obwohl noch Menschen an Bord waren. Aus dem Funkgespräch mit dem wütenden Leiter der Küstenwache ging hervor, dass er sich später weigerte, an Bord des sinkenden Schiffes zurückzukehren und sich seiner Verantwortung als Kapitän zu stellen. Er gab damals an, in das Rettungsboot gefallen und dann an Land geblieben zu sein, um von dort aus die Rettungsarbeiten zu koordinieren.
Vor allem die Veröffentlichung des Gesprächs mit dem Kommandanten der Küstenwache brachte Schettino den wenig schmeichelhaften Titel «Kapitän Feigling» und «Italiens meistgehasster Mann» ein.
Costa Concordia in Genua
Schettino muss sich wegen fahrlässiger Tötung in mehreren Fällen, Verursachung von Umweltschäden und Verlassen eines Schiffes in Seenot verantworten, ihm drohen bis zu 25 Jahre Haft. Der Prozess hatte im Juli 2013 begonnen, war aber immer wieder unterbrochen worden.
Anderthalb Jahre lang erinnerte das Wrack der Costa Concordia vor Giglio an die Tragödie, bis es im Juli mit aufwändiger Technik geborgen und zum Verschrotten nach Genua geschleppt wurde. Dort wurde vor einem Monat schliesslich die Leiche des letzten noch vermissten Todesopfers geborgen.
(sda/gku)