Wie so oft in den letzten Jahren erlaubt sich Romaric André eine kleine Posse mit den Uhren seiner Kundschaft. Dem Rolex-Vintage-Modell mit der Referenz 6426 Oyster Royal aus den 60er-Jahren, das er personalisieren soll, fügt er neu ein Schwert als Zeiger hinzu. Logisch, nicht? Was würde eine Krone besser ergänzen als ein Schwert. Nur dass es in diesem Fall nicht irgendeine Krone ist, sondern das Logo einer bekannten Uhrenmarke. Puristen schütteln jetzt vermutlich den Kopf und rufen «Vandalismus». Ein Wort, das übrigens auch André benützt, um seine Arbeit zu beschreiben. Er sei eine Art Pointe, um die Dinge auf den Punkt zu bringen, um schnell zu sein.

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Die Art und Weise, wie Romaric André, besser bekannt unter seinem Pseudonym Seconde/seconde/, Uhren mit Seele und Persönlichkeit auflädt, findet immer mehr Zuspruch unter Kennern. Eines Tages zeichnete er auf seinem Computer auf das Bild eines alten, patinierten Chronografen eine weisse Linie neben dem Sekundenzeiger. Ästhetisch gesehen ein Zusammenprall, aber der Funke sprang sofort über und brachte ihn zum Nachdenken: «Was wäre, wenn ich die Zeiger von Vintage-Uhren austauschen würde? Was wäre, wenn ich etwas 100 Prozent Anachronistisches in etwas einbringen würde, das die Zeit messen soll?» Inzwischen setzen Marken wie Frederique Constant auf seinen Humor.

Die eigene Uhr zum Unikat zu stilisieren, liegt im Trend. Schliesslich lässt sich am Handgelenk nicht nur schnell und unkompliziert die Zeit ablesen, sondern auch der Geschmack. Die eigene Uhr zu personalisieren, bedeutet für manche auch, einen emotionalen Mehrwert zu schaffen, insbesondere, wenn sie mit persönlichen Erinnerungen verbunden ist.

Die Uhr als Symbol für wichtige Lebensereignisse steht insbesondere bei Fussballern und Rappern hoch im Kurs. Dass diese dann etwas Besonderes sein muss und von den Rockstars unter den Personalisierern kommen soll, liegt auf der Hand. So rufen Lionel Messi oder Nicolas Pépé nach Mat-thew J. Jones und Pharrell Williams nach Jacob & Co. und lassen sich Aquanaut, Nautilus oder Datejust mit fetten Steinen veredeln – Diskretion sieht anders aus.

Uhren als Ausdruck der eigenen Geschichte und Art de vivre sind oft der Grund für die Aufträge beim Genfer AtelierArtisans de Genève. Dies zumindest hatte John Isaac Levy im Sinn – nebst seiner Passion für die Uhrmacherkunst –, als er 2005 startete. Mit zwei Mitarbeitern gründete er die Werkstatt zur Personalisierung bestehender Uhren – ohne Schaufenster, äusserst diskret, denn gern gesehen war diese handwerkliche und hochwertige Ergänzung von der Industrie damals (noch) nicht. Heute beschäftigt das Atelier an die zwanzig Mitarbeitende inklusive Uhrmacher. Dabei versteht sich Artisans de Genève als ein Serviceunternehmen, angesiedelt zwischen Luxus und Uhrmacherei, das Geschichten in Uhren übersetzt. In enger Zusammenarbeit mit dem Designteam und Uhrmachern – sie sind die Instanz, wenn es um die Machbarkeit einer Personalisierung geht –, entstehen 3D-Renderings der Kundenuhr, bevor die Personalisierung umgesetzt wird. Kunden, unter ihnen Lenny Kravitz und Adam Levine, sollen sich bei der Zusammenarbeit mit dem Atelier sicher fühlen, schliesslich sind ihre Zeitmesser nur Leihgaben für den Personalisierungsprozess. So wird denn auch jeder Schritt auf Video gebannt, und der Kunde kann die Fortschritte sogar live mitverfolgen und kommentieren – ein Kundenerlebnis der zeitgemässen Art also. Was die Arbeit an der Uhr betrifft, so wechselt Artisans de Genève nichts aus und fügt auch keine Komponenten hinzu. Die Markencodes werden stets vollumfänglich respektiert. Betont werden sollte noch, dass derart personalisierte Uhren das offizielle Markenzertifikat verlieren und zu Artisans-de-Genève-Uhren werden, zu einem Artefakt ihrer Handwerker mit eigenem Zertifikat.

Für Sammler kann die Personalisierung einer Uhr, selbst einer renommierten Marke wie Rolex oder Audemars Piguet, den Wert erhöhen, insbesondere wenn die Anpassung von einem bekannten Uhrmacher oder Künstler durchgeführt wurde. «Uhren sind das Ergebnis von Handwerkskunst und Hingabe. Das erklärt, warum sie so hoch angesehen sind», sagt Romaric André. «Sie nehmen einen besonderen Platz unter den Accessoires ein und sind keine gewöhnliche Ware. Sie leben auf einer Art Podest und sind daher die perfekte Zielscheibe für eine süsse kleine Satire. So wie Könige und Königinnen ihre Possenreisser brauchten, nicht wahr? Ich sage nicht, Uhren sollten mehr Spass machen. Ich sage vielmehr, Uhren sollen diese unantastbaren Ikonen bleiben, damit ich weiterhin meinen ikonoklastischen Filter auf einige von ihnen anwenden kann.» Wer hätte es gedacht: Die seriöse Uhrmacherkunst für einmal selbstironisch.