Die Rieslingrebe gehört zu den bedeutendsten und bis heute am meisten unterschätzten Traubensorten der Welt. Dabei sind sich Kenner einig, dass die weisse Vorzeigevarietät Deutschlands mit ihren langlebigen und terroirgeprägten Weinen alle Charakteristiken aufweist, die ihre Weine gross und einzigartig machen. Ein Viertel des Rieslingbestandes in Deutschlands steht in oft atemberaubenden Steillagen an der Mosel, die mit den Nebenflüssen Saar und Ruwer nicht nur zu den ältesten, sondern auch zu den bekanntesten Weinbaugebieten Europas zählt.
 

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Das Spiegelbild des Burgunds

«Die Mosel ist in mancherlei Hinsicht das Spiegelbild des Burgunds im Weissweinbereich», sagt Karl-Josef Loewen vom Weingut Carl Loewen in Leiwen an der Mittelmosel. «Wie im Burgund kann man auch an der Mosel eine Vielzahl von Einzellagen unterscheiden, die den aromatischen und geschmacklichen Charakter der Weine prägen», kommentiert Loewen. «Da der Weinberg den Wein macht, beschränkt sich meine Aufgabe als Winzer darauf, für die Reben jene Bedingungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, den Einfluss des Terroirs in den Trauben optimal zum Ausdruck zu bringen.»
Dieses Ziel verfolgt Loewen nun schon seit über 30 Jahren. Nachdem er mehrere Jahre den 3-Hektaren-Betrieb seines Vaters geführt hatte, übernahm er ihn 1985 und erweiterte ihn sukzessive auf die heutigen 12 Hektaren. Dazu gehören auch vier 1. Lagen wie die Leiwener Laurentiuslay, die Thörnicher Ritsch, die Detzemer Maximiner Klosterlay und der Longuicher Maximiner Herrenberg. Das Terroir der beiden erstgenannten Lagen ist von Grauschiefer geprägt, der einen hohen Feinerdeanteil aufweist und der gehaltvolle, extraktreiche Weine mit einem reichhaltigen Aromenspektrum hervorbringt. Im steinigeren Boden der Klosterlay dominiert dagegen der härtere Blauschiefer, der den Weinen eine solide, mineralische Struktur und ein von Zitrusfrüchten geprägtes Aromenprofil verleiht. Für die Lage Herrenberg schliesslich ist der eisenhaltige Rotschiefer-Boden charakteristisch. «Auf unserer Parzelle stehen noch die 1896 gepflanzten, wurzelechten Reben», sagt Loewen nicht ohne Stolz.
 

Karge Düngung müss genügen

Um die Terroirprägung der Weine zu fördern und die Erträge auf natürliche Weise zu regulieren, düngt Loewen die Böden nur minimal mit organischen Nährstoffen. «Durch die karge Düngung gelingt es uns auf natürliche Weise, die Erträge auf niedrigem Niveau zu halten, und gleichzeitig erhalten wir – wie gewünscht – kleinbeerige, aromenreiche Trauben», erklärt Loewen. «Eine Ertragsregulierung durch Ausdünnen lehne ich ab, denn dadurch erhält man im Allgemeinen grosse Traubenbeeren und – wenn der Ertrag zu gering ist – fette, unharmonische Weine.»

Im Keller versteht sich Loewen nicht als Winemaker, sondern als diskreter Entwicklungshelfer seiner Gewächse, der nur dann behutsam interveniert, wenn er es für nötig hält. Die Weine werden spontan und langsam vergoren und lagern bis zur Abfüllung auf den Hefen. «Wein zu keltern, ist im Grund genommen eine einfache Sache», kommentiert Loewen beim Rundgang durch den Fasskeller, wo in den klassischen 1000-Liter-Fudern die Lagenweine reifen. «Aber gleichzeitig ist es auch eine enorm komplexe Angelegenheit, bei der zahlreiche sich gegenseitig beeinflussende Faktoren im Spiel sind. Dank des Fachwissens, der Erfahrung und der Bereitschaft, laufend dazuzulernen, gelingt es einem als Winzer, sich in diesem System zurechtzufinden.»

Neben den grossartigen Lagenweinen bringt wohl der trockene Riesling Varidor das beharrliche Qualitätsstreben von Loewen eindrücklich zum Ausdruck. Er wird aus Trauben von Reben gekeltert, die Loewen in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Trier in bis zu 100 Jahre alten Weinbergen selektioniert hat. Mit dem Pflanzgut dieser Rebstöcke, die sich dadurch auszeichnen, dass sie im Herbst vollreife, goldgelbe Beeren hervorbringen, bestockte Loewen diverse Parzellen neu. Loewen: «Der Varidor zeichnet sich durch das Ertragsniveau und die Aromenvielfalt aus, den ein Riesling Anfang des 20. Jahrhunderts hatte.»

Eine Klasse für sich sind die Lagenweine, die sich allesamt durch beeindruckenden Finessenreichtum, Eleganz und Stoffigkeit auszeichnen und die – wie die Verkostung älterer Jahrgänge zeigt – über ein beachtliches Alterungspotenzial verfügen. Das sind Weine, die enormen Trinkspass bereiten und die man sich selber gerne in den Keller legt.
 

In der Schweiz sind die Weine bei Riesling & Co. (www.rieslingco.ch) erhältlich. Die Weine können aber auch direkt ab Gut gekauft werden: Weingut Carl Loewen, Karl-Josef Loewen, Matthiasstrasse 30, Leiwen/Mosel. www.weingut-loewen.de

Sechs ausgewählte Rieslingweine

  • Varidor Riesling trocken 2010Frisch-fruchtige Nase mit Aromen von reifen Äpfeln und Zitrusfrüchten. Eleganter, präsenter Körper, nuancenreiche Aromatik, feine Cremigkeit, harmonische Säure, langer, mineralischer Abgang (16 Franken).
  • Laurentiuslay, Riesling 1. Lage, Alte Reben (trocken) 2010Ausdrucksvolle, aromatische Nase mit mineralischen Anklängen. Mittelgewichtig-eleganter Körper, facettenreiche fruchtig-mineralische Aromatik, harmonische Säure, sehr langer Abgang (25 Franken).
  • Riesling Alte Reben trocken 2010Kräftiges Bouquet, Aromen von Zitrusfrüchten und Äpfeln und floralen Noten. Im Gaumen facettenreiche Fruchtaromatik, saftige Säure, langes, vielschichtiges Finale (17.50 Franken).
  • Herrenberg «1896», Riesling 1. Lage, Alte Reben trocken 2010Reichhaltiges Bouquet mit Apfelaromen und floralen Anklängen. Im Gaumen stoffig-elegant, extraktreich, vielschichtige Fruchtaromatik mit mineralischen Noten, harmonisch integrierte Säure, sehr langes Finale (29.50 Franken).
  • Ritsch, Riesling 1. Lage, Grosses Gewächs (trocken) 2010Tiefgründige Nase mit Aromen von Zitrusfrüchten, Äpfeln und Pfirsich. Kompakter Körper, reichhaltige Aromenpalette mit schöner Kräuternote, saftige Säure, sehr langer Nachhall (33 Franken).
  • Ritsch, Riesling 1. Lage, Auslese 2010Komplexes, frisch-fruchtiges Bouquet mit Aromen von Äpfeln, Pfirsich und Wiesenkräutern. Im Gaumen gute Fülle, facettenreiche Aromatik mit Anklängen von Ananas und rosa Grapefruit, schönes Süsse-Säure-Spiel, sehr lang (30 Franken).