So viel Beachtung wie am heutigen Dienstag dürfte eine Generalversammlung der Credit Suisse – überhaupt eine Generalversammlung – selten gesehen haben. Angesichts des ganzen Rummels geht die Frage unter, welche Bedeutung der Anlass wirklich hat. 

Mit Blick auf den Hauptzweck einer Generalversammlung – auch jener der Credit Suisse von heute – ist die Bedeutung so gut wie null. Dieser Hauptzweck besteht darin, dass Aktionäre und Aktionärinnen als Besitzerinnen und Besitzer eines Unternehmens zu den grossen Linien des Unternehmens Stellung beziehen, den Verwaltungsrat wählen und ihn entlasten oder nicht entlasten können.

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Doch zum wichtigsten Punkt haben die Aktionärinnen und Aktionäre nichts mehr zu melden: dass die Credit Suisse in der UBS aufgeht, ist bereits beschlossen, und die Mitbestimmung des Aktionariats wurde per Notrecht aufgehoben – das Gleiche ist bei der UBS der Fall, deren Aktionariat morgen tagt. Die Entlastung des Verwaltungsrats hat die Credit Suisse zudem ohnehin aus den Traktanden gestrichen. Darin hätte die einzige verbleibende Möglichkeit einer Abrechnung mit konkreten Folgen bestanden.

Während die Aktionärinnen und Aktionäre im Sinn der Mitbestimmung nichts mehr zu sagen haben, reisen sie dennoch in Scharen ins Hallenstadion, um eben doch viel zu sagen oder um zu hören, was andere sagen. Aus dem gleichen Grund sind die Medien dort, und deshalb berichten auch wir.

Die Möglichkeit, dem Frust Ausdruck zu verleihen

Dass die Grossbank so rasch und ohne irgendeinen Mitbestimmungsprozess untergegangen ist, lässt einen gewaltigen Frust zurück. Nicht nur im Aktionariat. Und hierin besteht der einzige, aber bedeutende Grund für die grosse Beachtung des Anlasses.

Er bietet einen Ort, um diesem Frust Ausdruck zu verleihen, ihn den dort anwesenden Verantwortlichen der Bank entgegenzuschmettern – auch wenn im Hallenstadion ohnehin nur noch die Verwalter des Untergangs sitzen und nicht jene, unter deren Ägide es erst zu dieser Katastrophe kam, zu dieser verrotteten Kultur, wie mittlerweile selbst die Aufsicht nur wenig klausuliert eingesteht.

Es sitzt dort mit Axel Lehmann ein Präsident, der seinen Wechsel von der UBS vor rund zwei Jahren bitter bereuen dürfte, und kein Urs Rohner, der die Bank ab 2011 präsidiert hat und unter dem es zu den Skandalen bei der Credit Suisse gekommen ist, die ihr das Vertrauen gekostet haben. Der wichtigste Grund für ihren Untergang.

«Am Ende bleibt die verzweifelte Hoffnung, dass ein Sturm der Entrüstung andere Verantwortliche in Zukunft wenigstens ein bisschen beeindruckt.»

Was aber bringen die Frustbekundungen dann? Sie sind die einzige, wenn auch geringe Möglichkeit, die Verantwortlichen zu bestrafen. Selbst wenn sie nicht anwesend sind, so sollen sie es dennoch hören. Und die ganze, zu Recht ebenfalls frustrierte Öffentlichkeit teilt diesen Wunsch. Alle dürsten wir nach harten Worten, scharfen verbalen Verurteilungen.

In diesem Sinn ist der Frustanlass CS-Generalversammlung eine Ersatzhandlung, weil weder Aktionariat noch Öffentlichkeit eine Möglichkeit hat, auf wirksamerem Weg gegen jene vorzugehen, die das Schlamassel angerichtet haben, ihre Millionen an Boni zurückzufordern, sie zur Verantwortung zu ziehen. 

Und am Ende bleibt die etwas verzweifelte Hoffnung, dass ein solcher Sturm der Entrüstung andere Verantwortliche in Zukunft in ihrem Handeln, beim Eingehen von Risiken und beim Abkassieren wenigstens ein bisschen beeindruckt.

In diesem Sinne ist der Rummel um die Generalversammlung der Credit Suisse sehr gut zu verstehen, aber letztlich doch nur ein Ausdruck der Ohnmacht.

Markus Diem Meier
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