«Ein Plus der weltweiten Aktien um 20 Prozent in einem Jahr ist beachtlich. Vor allem weil die meisten diese Zahl erwartet hatten – allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen.»

Mit diesem pointierten Statement leitete John Bilton, Head of Global Multi-Asset Strategy bei J.P. Morgan Asset Management, sein Resümee für 2023 und seinen Ausblick vor der kürzlich versammelten Wirtschaftspresse aus aller Welt am Media Summit in London ein.

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Starker Konsum rettet US-Wirtschaft

In den USA waren zwar der Inflation Reduction Act und der Chips Act hilfreich, um die Ökonomie im vergangenen Jahr zu stützen. Doch letztlich trugen die US-Konsumentinnen und Konsumenten zur anhaltenden Stärke der USA bei. 

«Was hat uns das Jahr 2023 gebracht? In erster Linie haben wir gelernt, dass die Wirtschaft im Allgemeinen weniger zinsempfindlich ist, als wir dachten», gibt John Bilton zu bedenken. Während sich eine Wirtschaft abgekühlt habe, habe sich eine andere erholt. Das verleihe den globalen Wachstumsaussichten eine gewisse Widerstandsfähigkeit.

Notenbanken warten ab

Die entschiedene und schnelle Handlungsweise der Notenbanken Federal Reserve (Fed), Europäischen Zentralbank (EZB), Bank of England (BoE) und weiterer habe alle überrascht. Nun warten die Währungshüter, bis die Inflation wieder das Zielband erreicht hat, bevor sie erneut handeln. Dies, um eine Deflationsspirale zu verhindern.

Wirtschaftszyklus ist noch nicht am Ende

«Was wir auch gelernt haben, ist, dass der Wirtschaftszyklus nicht so weit im späten Zyklus ist, wie einige angenommen hatten. Anleihen, das haben wir letztes Jahr gelernt, taugen nicht als Inflationsschutz. Wer hätte das gedacht?», fragt Bilton. Aber es gebe keinen Grund zur Annahme, dass Anleihen nicht gegen einen Wachstumsschock schützen können. Und zum jetzigen Zeitpunkt, bei den aktuellen Renditen, seien Bonds wieder ein wichtiger Baustein in den Portfolios. Das tot geglaubte 60-zu-40-Portfolio könne eine Renaissance erleben. JP Morgan Asset Management habe zudem eine «positive Einstellung zu den Aktienmärkten».

Politik sorgt für Wachstum

2024 werde ein sehr politisches Jahr, meint Bilton: Die Regierungen mischten wieder einmal mit, und dies führe zu einem höheren nominalen Wachstum.

Die Volkswirtschaften befänden sich aufgrund «eines steuerlichen Aktivismus» im Umbruch. Ob es nun gut oder schlecht sei, wenn sich Regierungen engagieren und Steuergelder in Euro, Pfund, Dollar, Schweizer Franken und so weiter ausgibt, darüber gebe es verschiedene Meinungen. Aber für «jede Brücke ins Nirgendwo gibt es auch strategische Investitionen in Bereichen wie Energie und Industrie», die sich bewährt hätten.

Staaten investieren in die Zukunft

Es gehe darum, die fiskalische Austerität zu überwinden: «Die Bevölkerungen haben es satt. Und wir glauben, dass die Märkte jetzt darauf reagieren müssen, dass wir in Bezug auf die Steuerausgaben wieder dort sind, wo wir vor der Krise waren», gibt sich Bilton überzeugt.

In der aktuellen Industriepolitik mit Regierungen als wirtschaftliche Akteure sieht Bilton eine wichtige Veränderung. Diese Staatsbeteiligung treibe das nominale Wachstum potenziell in die Höhe. «Freimütig gesagt: Wir wissen nicht, wie stark es die Inflation und das reale Wachstum antreibt. Aber nominal gesehen ist es definitiv eine positive Kraft», gesteht Bilton vor den Fachjournalistinnen und -journalisten aus aller Welt. 

Energiewende bringt Investitionsschub

Die Energiewende fördere einige Veränderungen auch bei den Assets zutage. In einem Punkt seien sich alle einig: Es wird sehr viel Geld für die notwendigen Investitionen benötigt – und die Jagd nach knappen Ressourcen gewinne an Bedeutung, betont Bilton: «All das bedeutet, dass Kapital in Bewegung ist. Wir müssen darüber nachdenken, was das für das nominale Wachstum bedeutet.»

Die Energiewende löse weitere Investitionen aus. Nach staatlichen Interventionen komme das Kapital nun aus dem privaten Sektor, und dieses hat ein Gewinnmotiv: Es kauft selektiv. Ausserdem kämen Vermögenswerte hinzu. Dies alles ergebe ein ganz anderes Investitionsumfeld.

Klimawandel und die globale Erwärmung könnten den nominalen BIP-Fussabdruck der Welt bis Ende des Jahrhunderts um 25 Prozent tiefer ausfallen lassen. Dies geschehe schleichend. «Der Zinseszinseffekt führt dazu, dass der Effekt mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 Basispunkten auftritt», rechnet Bilton vor. Ein Wachstumsrückgang in dieser Grössenordnung pro Jahr scheint nur auf den ersten Blick nicht gravierend zu sein, werde mit der Zeit dann aber zum Problem.

Heute Kohlenstoff verbrauchen, um morgen zu sparen

130 Billionen Dollar oder rund 4,5 Prozent des weltweiten BIP pro Jahr wurden im Rahmen des Pariser Abkommens COP26 für die Bekämpfung der globalen Erwärmung bereitgestellt. «Ich habe es schon einmal gesagt, und ich werde es wieder sagen: Man braucht heute viel Kohlenstoff, um morgen viel Kohlenstoff zu sparen», ruft Bilton mit Bestimmtheit in den Saal.

KI sorgt für Investitionen und Wachstum

Die Zukunft werde vom Phänomen KI geprägt. Sowohl JP Morgan als auch deren Mitbewerber investieren in sie: «Ich erwarte, dass dieses Thema tiefgreifende Auswirkungen auf die Produktivität hat. Portfolios müssen diese Übergangsthemen widerspiegeln. Doch die Märkte bewegen sich nicht geradlinig.» Ein breiter Index besteht aus einer Vielzahl von Aktien. Aber nur eine relativ kleine Anzahl von ihnen habe für Kursgewinne gesorgt.

«Alles, worüber wir bisher gesprochen haben, deutet auf ein höheres nominales BIP hin, auf das Risiko der Inflation, auf ein volatileres Inflationsumfeld. Aber es gibt eine Gegenkraft: die Produktivität», stellt Bilton fest.

Produktivität folgt in der Regel der Innovation. Vor allem, wenn in diese Innovation investiert wird, um sie zu vermarkten. KI wird aller Voraussicht nach gewaltige Innovationen in allen Sektoren der Wirtschaft ermöglichen. 

Extreme Umwälzungen in allen Teilen der Wirtschaft

«Der Grund, warum wir bei JP Morgan Asset Management so begeistert von künstlicher Intelligenz sind, ist, weil künstliche Intelligenz die gesamte Wirtschaft betrifft, sowohl Dienstleistungen als auch Güter», so Bilton. Während sich Automatisierung nur auf die Güterwirtschaft auswirke. Die nun durch KI dazukommende Dienstleistungswirtschaft sei in der Regel drei- bis viermal so gross wie die Güterwirtschaft in jedem entwickelten Markt. 

Das sei von grosser Bedeutung. KI treibe heute schon die Erträge in die Höhe. In den kommenden zwei Jahrzehnten werde die Produktivität massiv steigen. Es winken den institutionellen und privaten Investoren satte KI-Renditen. 

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