Herr Rhyner, Sie übernahmen im Frühjahr 2021 die Leitung der Zuger Kantonalbank. Ein Jahr, das im Kontext der Corona-Pandemie kein einfaches war, um eine neue berufliche Herausforderung einzugehen. Wie verlief damals Ihr Start?

Ich wollte schnellstmöglich alle Mitarbeitenden kennenlernen, wir durften uns damals aufgrund der Pandemie aber nur zu zehnt in einem Raum aufhalten. Das führte dazu, dass ich 43 Termine hatte, bei denen ich mich je anderthalb Stunden mit den Mitarbeitenden austauschte. Die Einschränkungen hatten daher etwas Positives, denn ich weiss nicht, ob diese Gespräche auch ohne Covid stattgefunden hätten. 

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Ich fand dieses Vorgehen damals sehr wertvoll, weil ich für die Gespräche keine Agenda hatte. Mich interessierte vielmehr die Sicht der Leute und die Frage, welche Aufgaben ich als neuer Chef anpacken muss. 

Sie waren vorher CEO der Glarner Kantonalbank. Was waren Ihre Gründe für den Wechsel nach Zug?

Ich hatte Lust auf eine Veränderung. Ich wurde im März 2013 zum CEO der Glarner Kantonalbank ernannt. Bereits im darauffolgenden Jahr konnten wir mit dem Börsengang einen bedeutenden Meilenstein erreichen. Zusammen mit dem Team konnte ich die Digitalisierungsstrategie entwickeln und die Bank in fast allen Dimensionen, etwa Volumen und Ertrag, mindestens verdoppeln. Nach siebeneinhalb Jahren überlegte ich mir, was als Nächstes kommt. 

Zu Zug hatte ich immer eine enge Verbindung, da ich zum Beispiel am IFZ, dem Institut für Finanzdienstleistung Zug, studierte.

Nahmen Sie den Wechsel als grossen Unterschied wahr oder lässt sich sagen, «Kantonalbank bleibt Kantonalbank»?

Die Ausgangslage war bei der Glarner Kantonalbank eine andere. Es musste der Turnaround geschafft werden. Die Zuger Kantonalbank war bereits hervorragend aufgestellt, bevor ich die Geschäfte als CEO übernommen habe. Auch die Grösse ist ein bedeutender Unterschied. Kurz vor meinem Antritt wurde die Zuger Kantonalbank in die Aufsichtskategorie drei hochgestuft. 

Sie haben es bereits angedeutet – die Digitalisierung war Ihr grosses Projekt in Glarus. Gibt es ein äquivalentes Thema bei der Zuger Kantonalbank?

Die Digitalisierung im Bereich des Kundenkontakts war bei der Zuger Kantonalbank bereits sehr gut fortgeschritten und wir konnten auf diesem Fundament aufbauen. Wir haben beispielsweise ein digitales Kundenportal, das wir selbst entwickeln und ausbauen können, ohne dabei auf einen externen Provider oder eine Bankenplattform angewiesen zu sein. 

Ich sehe mich bei Innovationen und Wachstumsinitiativen immer als Impulsgeber, der Ideen anstösst. Und ich setze mich dafür ein, dass wir eine Unternehmenskultur haben, in der Kreativität und Innovationsgeist entstehen und sich entwickeln können. 

Die ZKB schaffte die Kontoführungsgebühren Anfang des Jahres ab. Nehmen Sie das als eine Kampfansage gegen andere Kantonalbanken wahr oder ist es doch so, dass die Kantonalbanken primär zusammenarbeiten?

Nein, es ist eine Konkurrenzsituation und das soll auch so sein. Auf der anderen Seite ist die ZKB eine geschätzte Partnerin, weil sie alle Disziplinen beherrscht. Etwa, wenn es darum geht, Kapitalmarkttransaktionen abzuwickeln. Ich verstehe die Überlegung, in der Deutschschweiz ein gebührenfreies Angebot zu platzieren, und ich habe kein Problem damit, dass dies von einem Schwesterinstitut lanciert wird. Ich sehe es sportlich, und der Schritt der ZKB belebt den Wettbewerb. Ich bin auch etwas stolz, da wir bereits seit anderthalb Jahren mit unserem kostenlosen Konto Fix online sind. Wir waren also auch in diesem Thema sozusagen Vorreiterin. 

Eine Kopie ist es ja nicht wirklich, oder?

Im Gegensatz zur ZKB machen wir nicht alle Kontolösungen gebührenfrei, haben aber für Interessierte ein kostenloses Konto im Angebot. Seit der Zinswende haben wir die Zinserhöhungen der SNB  immer an die Kundschaft weitergegeben – betrachtet man die Nettokosten bzw. den Nettoertrag, müssen wir uns keineswegs verstecken. Wir möchten mit unserer Preisgestaltung transparent sein gegenüber unseren Kundinnen und Kunden, damit sie wissen, für welche Services sie wie viel bezahlen. Wir wollen Quersubventionierungen möglichst vermeiden. 

Das heisst: An dem Morgen, an dem die ZKB die Kontogebührenbefreiung bekannt gab, ging keine grosse Aufregung durch die Zuger Kantonalbank?

Nein, ich habe, um ehrlich zu sein, Urs Baumann, dem CEO der ZKB, an jenem Morgen geschrieben, es sei schön, kopiert zu werden. 

Es gab einige Kundenreaktionen, aber wenn wir die Situation erklären, verstehen sie diese. Und am Ende des Tages entscheiden die Kundinnen und Kunden, welches Angebot ihnen besser entspricht. Wenn wir im grossen Stil Abflüsse verzeichnen würden, müssten wir das Thema nochmals anschauen, aber das ist bisher nicht der Fall. 

Wenn Sie den Austausch mit Urs Baumann erwähnen – tauschen Sie sich auch regelmässig über Führungsfragen mit anderen CEOs aus?

Natürlich gibt es den Austausch mit anderen CEOs, aber es geht dabei mehr um Marktentwicklungen und oft auch um das Thema Regulierungen. Diese setzen viele Banken oft selbst um, ohne sich mit Peers auszutauschen. 

Wie wäre es denn wünschenswerter?

Wichtig wäre, dass wir beim Thema Regulierung wieder auf den Weg der Proportionalität zurückkommen, auch wenn aktuell durch die CS-Historie die Gefahr besteht, dass Massnahmen beschlossen werden, die mit wenigen Ausnahmen für alle Institute gelten. Und das, obwohl die meisten Kantonalbanken in vielen Tätigkeitsfeldern wie beispielsweise dem Investmentbanking nicht aktiv sind.

Es könnten also grosse Kosten und viel Aufwand auf die Kantonalbanken zukommen und wir müssten in Massnahmen investieren, die uns Banken mit überschaubarem Geschäftsmodell nichts nützen. Dadurch würden wir im Vergleich zu den grossen Banken benachteiligt. 

Die Grösse und Komplexität der jeweiligen Bank sollte bei weiteren Regulierungsmassnahmen berücksichtigt werden – und vor allem sollten die Bereiche genauer angeschaut werden, in denen tatsächlich Risiken vorhanden sind. 

Welche Wege gäbe es denn, um dem übermässigen Regulieren entgegenzuwirken? 

Im direkten Austausch zwischen einzelnen Banken und Regulator ist das schwierig. Deshalb treten wir in diesen Themen als Verband der schweizerischen Kantonalbanken auf und vertreten unsere Interessen gemeinsam. 

Das klingt so, als würden Sie die Regulation als grosse Gefahr sehen. Wie steht es denn um die Digitalisierung? Macht diese den Kantonalbanken in Zukunft nicht mehr zu schaffen? Oder welche Herausforderungen stehen den Kantonalbanken zukünftig bevor?

Eine Herausforderung ist sicherlich die Demografie. Sie bringt Chancen in der Geschäftsstrategie. Es wird aber zusehends schwieriger, genug gute Leute für das Unternehmen zu finden. Die neue Generation priorisiert im Arbeitsalltag einiges anders und daher ist es immer wichtiger, Sinnhaftigkeit bieten zu können. Banking wird ein People-Business bleiben, deshalb braucht es Menschen, die sich für den Kontakt mit den Kundinnen und Kunden interessieren. 

Das Zweite sind die digitalen Möglichkeiten. Sie bieten Chancen, die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden noch besser zu adressieren. Zudem können damit repetitive Arbeiten automatisiert werden, und wir können mehr Zeit für die Kundenbetreuung einsetzen. 

Und das Dritte sind die regulatorischen Herausforderungen: Wir haben das Seco, das auf den Wettbewerb schaut. Aber umgekehrt schafft der Staat es immer wieder, die Spiesse ungleich lang zu machen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn wir Regelungen einhalten müssen, die den Zugang zum EU-Markt sicherstellen, dieser aber für unser Geschäftsmodell gar nicht relevant ist. Wir müssen dann einen Aufwand betreiben, haben aber nicht die Möglichkeit, daraus Erträge zu erwirtschaften. 

Zur Person Hanspeter Rhyner:

Hanspeter Rhyner ist seit 1. März 2021 CEO der Zuger Kantonalbank. Vor seinem Wechsel nach Zug war er acht Jahre lang CEO der Glarner Kantonalbank, für die er bereits von 1996 bis 2004 als Segmentsleiter für Spezialfinanzierungen verantwortlich zeichnete. Davor war er zwei Jahre bei der Credit Suisse im Private Banking tätig. Von 2004 bis 2008 war Rhyner bei der Zürcher Kantonalbank und dort als Mitglied der Direktion, Key Account Manager und Marktleiter Firmenkunden Zentral- und Ostschweiz. 2009 kehrte er als Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Firmenkunden zur Glarner Kantonalbank zurück.

Seit Oktober bieten Sie den Handel mit Krypto-Assets an. Warum wollten Sie das als Kantonalbank so stark in den Fokus stellen?

Ich bin selbst viel bei Kundinnen und Kunden, und gerade auch vermögende Privatkunden erzählten mir, dass sie gerne in Kryptowährungen investierten. Ihnen fehlte die Möglichkeit, dies in einem regulierten Umfeld zu tun. 

Wir erkannten daher eine Chance, unseren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit des Investierens in digitale Vermögenswerte zu bieten, ohne sich um die Details kümmern zu müssen. Wir bieten aber keine Beratung an, es handelt sich um ein sogenanntes Execution-only-Angebot. 

Kryptowährungen haben in der Öffentlichkeit teilweise immer noch das Image von etwas Anrüchigem. Wir sind aber davon überzeugt, dass sie sich zu einer breit akzeptierten Anlageklasse entwickeln werden. Es war unser Ziel, den abwicklungssicheren Kauf und Handel in Digital Assets anzubieten. Im Moment stechen wir mit diesem Angebot hervor. Ich glaube aber, sehr viele Kantonalbanken suchen in diesem Thema zurzeit für sich den richtigen Weg. 

Sie haben sich auf sechs Kryptowährungen fokussiert. Hat sich diese Auswahl als richtig erwiesen?

Ja, die rege Nachfrage bestätigt die richtige Auswahl. Bislang bleiben wir bei den ursprünglichen sechs, überlegen aber, ob wir die eine oder andere Kryptowährung ergänzen wollen.  

Lassen Sie uns den Blick auf das Digitale erweitern. Wo setzen Sie bei der Zuger Kantonalbank zurzeit künstliche Intelligenz ein und welche Auswirkungen hat das?

Wir trainieren mit KI etwa unseren Chatbot Mona und setzen in der Verwaltung von Mietzinskonten bereits auf sogenannte RPAs – Robotic Process Automations. Unsere Mitarbeitenden nutzen KI-Tools auch zu Recherchezwecken, natürlich ohne die Eingabe sensitiver Daten. Wichtig ist uns, dass die KI zur Unterstützung und Effizienzsteigerung eingesetzt wird. Wir wollen nicht den Menschen ersetzen. 

Die Kombination von digital und persönlich ist unsere grosse Chance. Ich bin überzeugt, wer erstmals ein Haus kaufen oder Aktien anlegen will, möchte einem Menschen gegenübersitzen. Deshalb wird das persönliche Kundengespräch bei uns auch in Zukunft eine grosse Bedeutung haben.

Wenn das persönliche Gespräch aber so wichtig ist, weshalb ist ein Beratungsgespräch bei der Anlage von Kryptowährungen nicht möglich?

Momentan hat das vor allem regulatorische Gründe, weil bei einem solchen Angebot zusätzliche Auflagen zu erfüllen wären. Irgendwann wird eine Beratung im Kryptobereich aber sicherlich ein nächster Schritt sein. Wir wollen erstmal mit unserem bestehenden Angebot Kundenerfahrungen sammeln. 

Wollen oder können Sie die regulatorischen Massnahmen für eine Kryptoberatung zurzeit nicht erfüllen?

Wir bieten bewusst keine Beratung an. Das hat damit zu tun, dass die Kundinnen und Kunden, die in Krypto-Assets investieren, meistens über Vorwissen verfügen und sich über die Risiken und möglichen Wertschwankungen bewusst sind. Diese Leute können das nun bei einer vertrauenswürdigen Adresse machen und müssen sich keine Gedanken mehr über die Abwicklung ihrer Transaktionen und die Schlüsselverwahrung machen. 

Die Zuger Kantonalbank in Zahlen:
  • Gründungsjahr: 1892
  • Bilanzsumme: 18,8 Milliarden Franken
  • Anzahl Kunden und Kundinnen: über 125’000 (per 31.12.23)
  • Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: Wirtschaftsregion Zug 
  • Spezialgesetzliche Aktiengesellschaft
  • Was ist an Ihrer Bank im Vergleich zu anderen Banken speziell? «Lancierte als erste Kantonalbank ein Angebot für digitale Vermögenswerte.»

 

Wenn Kundinnen und Kunden ohne Beratung ihr Geld anlegen – sehen Sie sich da dann in einer Konkurrenz zu Robo-Advisors?

 

Ich habe zu meinen Glarner Zeiten mit dem «Investomat», dem Robo-Advisor der Glarner Kantonalbank, meine Erfahrungen gemacht. Ich glaube, das Bedürfnis nach einer persönlichen Beratung ist sehr hoch, wenn es um das Anvertrauen von Geldern geht. Die grosse Chance der Zuger Kantonalbank liegt darin, dass wir beides abdecken – Kundinnen und Kunden können komplett digital agieren, aber innerhalb kürzester Zeit auch mit einem Menschen in Kontakt treten. 

Gerade mit Blick auf die Kryptowährungen ist die Zuger Kantonalbank sehr innovativ unterwegs. Gleichzeitig haben Kantonalbanken aber nach wie vor ein eher angestaubtes Image. Zu Unrecht?

Ja, man tut uns Kantonalbanken da Unrecht. Es gibt einige, die innovativ sind und spannende Angebote voranbringen. Ich glaube nicht, dass die Kantonalbanken sich auf ihren Lorbeeren ausruhen, sondern sich innovativ und kreativ weiterentwickeln. 

Gerade auch im Bereich Nachhaltigkeit nehme ich das so wahr. Wir entwickeln dieses Thema derzeit mit viel Energie weiter und befinden uns dabei in guter Gesellschaft. Es gibt Kantonalbanken, die eine Vorreiterrolle im Bereich Nachhaltigkeit übernommen haben. Ich sehe also keine der Kantonalbanken als verstaubtes Staatsinstitut.

 

 

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