Jan Schade, wie kam es zur Gründung von Kaspar&? Das ist ja wahrscheinlich eine ziemlich interessante Geschichte …

Meine drei Mitgründer und ich kommen alle aus dem Asset-Management. Wir kennen uns teils von der Uni, vom Doktorat, und waren alle in dieser Bubble der Vermögensverwaltung unterwegs. Wir entwickelten vor allem quantitative Anlagestrategien, also computerbasierte Anlagestrategien für Pensionskassen, für Privatbanken, für grosse Investoren.

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Wurde Ihnen das auf Dauer zu langweilig?

Nein. Etwas anderes gab uns irgendwann zu denken: Wir halfen wohlsituierten Menschen, ihren Status quo beizubehalten und auszubauen. Aber wenn uns ein Kollege fragte: «Hey, sagt mal, was kann ich machen, um meine persönliche Vorsorge in den Griff zu bekommen?» Oder: «Wie kann ich eigentlich einfach investieren?» blickten wir unseren Kollegen einigermassen ratlos an. Denn da gab es kein wirklich cooles, sehr einfaches Produkt.

Und dann kam die zündende Idee?

Vorerst noch nicht. Doch wir haben uns gesagt: Das müssen wir ändern und uns etwas überlegen. Unsere Motivation war es, die professionelle Welt der Vermögensanlage zu demokratisieren. Wir möchten, dass alle Zugang dazu bekommen.

Also haben sich die vier Gründer beim Feierabendbier zusammengesetzt?

Ja. Wir haben uns auf ein Bier getroffen, um über unser Vorhaben zu diskutieren. Irgendwann kamen wir dann auf die Idee. Es gab jedoch keinen eigentlichen Aha-Moment. Für uns vier war es ein guter Zeitpunkt im Leben. Es spielt ja auch eine Rolle, wie alt man ist. In welcher Situation man sich gerade befindet. Das passte alles. Und so sind wir tatsächlich ins kalte Wasser gesprungen.

War es ein weiter Weg von der Idee zur publikumsnahen Anwendung?

Exakt. Das Problem beim Investieren ist immer das gleiche, oder? Wenn man ganz ehrlich ist: Es interessiert die meisten Menschen nicht. Es wäre zwar wichtig für alle, aber es interessiert nahezu niemanden. Der Zahnarzt interessiert zwar auch niemanden. Doch irgendwann tut es so doll weh, dass man zum Zahnarzt gehen muss. Beim Investieren tut es einfach nie so doll weh. (Schmunzelt.)

Und wie bringt man die Leute zum Investieren?

Wir haben uns überlegt: Was können wir machen? Einfach nur eine App bauen? Das bringt nichts. Wir müssen das Investieren in den Alltag der Leute reinbringen. Und so entstand bei einem Feierabendbier die Idee für Kaspar&: Investieren muss so einfach werden, wie wir heute Abend unser Bier bezahlen. Am 1. Mai 2020 haben wir in St. Gallen unser Büro bezogen, am Tag der Arbeit fing unsere Arbeit an. 

Zur Person

Interviewpartner Jan Schade ist zusammen mit Lukas Plachel, Lauro Böni und Sebastian Büchler einer der Co-Founder von Kaspar&, dem Fintech-Spin-off der Universität St. Gallen (HSG). Heute fungiert Jan Schade als CEO von Kaspar&.

Die technologische Grundlage Ihrer App bildet bLink, die Open-Finance-Plattform der Schweizer Börse SIX. Was war die Hauptarbeit für das Kaspar&-Team?

Unsere technologische Entwicklung ist die Anbindung und die App, bLink von SIX ist dabei die Verbindung zwischen Bank und App. In unserer App können Kundinnen und Kunden ein bestehendes Bankkonto und eine bestehende Zahlungskarte verbinden. Beim Bezahlen wird automatisch aufgerundet und das digitale Wechselgeld von alleine investiert. Das Risikoprofil, unterschiedliche Strategien, Daueraufträge – das alles kann man in unserer App simpel hinterlegen. Auch das Ein- und Auszahlen ist einfach zu handhaben.

Klingt simpel. Ist die Customer Journey das denn wirklich?

Ja. Wir schaffen es, Kundinnen und Kunden Schritt für Schritt vom alleinigen Aufrunden bei jeder Kartenzahlung an zusätzliche Sparpläne heranzuführen. Das ist gar nicht so einfach, selbst wenn es nur ein paar Klicks bis zum Ziel sind. Doch wir schaffen es, unsere Kundschaft in ungefähr vier Monaten so weit zu bringen, dass sie über 200 Franken pro Monat mit Daueraufträgen zusätzlich investieren. Das lohnt sich auch für sie, denn sie werden richtige Anlagekunden und profitieren direkt vom Aktienmarkt. Sowohl durch Kleinbeträge beim Aufrunden wie auch bei den Sparplänen. Das ist unsere Leistung.

Können Kundinnen und Kunden ihr Risikoprofil frei wählen oder gibt es Vorgaben?

Es ist durch viele Studien bewiesen: Die meisten Leute sind nicht so gut im Traden. Mitentscheiden führt dadurch häufig zu Verlusten. Das Beste ist es, superlangweilig in ETFs zu investieren, breit diversifiziert zu sein und über eine lange Periode das Ganze zu halten. Darum haben wir unsere App mit fünf solchen Strategien ausgestattet, die man auswählen kann.

Wie geschieht das?

Wenn Kundinnen und Kunden ein Konto eröffnen, stellen wir einige Fragen. Aufgrund der Antworten entwerfen wir ein Risikoprofil und schlagen entsprechende Lösungen vor. Wer dann noch etwas ändern will, kann dies in den Einstellungen selbstverständlich tun.

Die St. Galler Bank Acrevis ist die erste Bank, die mit Kaspar& zusammenarbeitet. Wie kam es dazu?

Zunächst hatten wir nur eine Präsentation. Doch eine Bank mit einer simplen Power-Point-Präsentation zu überzeugen, fällt schwer. Daher brachten wir in einem ersten Schritt unsere eigene Karte und unser eigenes Konto als Prepaid-Lösung heraus. Wir haben mit ganz vielen Banken gesprochen. Zunächst mit wenig Erfolg. Eines Tages habe ich Marianne Wildi von der Hypothekenbank Lenzburg angerufen und ihr unsere Idee erklärt. Sie meinte: «Das ist super, das machen wir.» Und so wurde die Hypi Lenzburg unser allererster Partner – unkompliziert und innovationsbereit. Das rechne ich der Hypi Lenzburg und Marianne Wildi hoch an. Die technologische Entwicklung spielte uns dann in die Hände: SIX wuchs vor zwei Jahren mit ihrer bLink-Technologie. Das hat uns bei Kaspar& geholfen. Acrevis ist unsere erste Partnerbank, wo wir deren Konto und Karte mit der App verbinden können.

Hat die Nähe eine Rolle gespielt? Kaspar& sowie Acrevis sind ja beide in St. Gallen zuhause …

Ich wohne tatsächlich selbst sogar nur 60 Meter Luftlinie von der Acrevis entfernt. Die Idee, dass ein regionaler Player und ein regionales Startup für eine Innovation aus der Ostschweiz zusammenspannen hat dabei sicher geholfen. An der Generalversammlung der Acrevis vor zwei Wochen war Kaspar& sogar die Nummer eins als Traktandum – vor 2500 Aktionären. Das hat uns schon stolz gemacht. 

Wie geht es weiter?

Wir reden mit vielen Regional- und Kantonalbanken. Die Vision dahinter: Ein ganz einfaches Produkt für die breite Masse zu sein. Was Twint bereits bei Peer-to-Peer-Zahlungen ist, wollen wir mit Kaspar& beim Investieren werden. Da es sich bei unserer Lösung um ein relativ standardisiertes Angebot handelt, ist unsere Lösung sehr kostengünstig für Banken. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Momentan beschäftigen Sie zehn Personen. Benötigen Sie für den Aufbau nicht noch mehr Mitarbeitende?

Wir werden unser Team in Zürich und St. Gallen weiter ausbauen. Uns ist es wirklich wichtig, auch in St. Gallen zu bleiben. Das ist eine Herzensangelegenheit von uns. Jetzt möchten wir uns vor allem im Kantonal- und Regionalbankenbereich etablieren. Das ist unser Fokus für die nächsten anderthalb, zwei Jahre. Aber wir strecken ebenfalls ein wenig die Fühler ins Ausland aus. Die Schweiz ist ein sehr reiches Land. Hier Leute ins Anlegen und Investieren zu führen, ist stark. Aber ich glaube, es gibt Länder auf der Welt, da könnte das sogar noch mehr Impact haben.

Wo sehen Sie im Ausland Chancen für Kaspar&?

Beispielsweise in Ägypten oder Südostasien, nur um zwei Beispiele zu nennen. Dort entsteht eine Mittelschicht, die sich einen gewissen Wohlstand erarbeitet. Doch es gibt in diesen Ländern oft kein soziales Absicherungssystem wie hier. Es gibt dort keine Möglichkeiten Vorsorge zu treffen. Wenn wir diesen Leuten helfen, mit kleinen Beträgen ein Polster fürs Alter oder das Studium ihrer Kinder aufzubauen, wäre das toll.

Ich frage das alle Startups: Wenn ein grosser Konzern ein Bündel Geld auf den Tisch legt: Wie gross ist die Versuchung zuzugreifen und Kasse zu machen?

Von heute auf morgen zu verkaufen, würde mir wahnsinnig schwerfallen. Das waren wirklich anspruchsvolle Jahre. Es herrschte bei uns nicht nur Sonnenschein, wir erlebten auch einige Regentage. Wenn man so etwas zusammen durchgemacht hat, verbindet das persönlich – auch mit der Firma. Einfach nur so zu verkaufen, ohne dass man da irgendwie richtig weitermachen kann, ich glaube, das würde mir und meinen Mitgründern ein bisschen das Herz brechen.

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